Zwischen Zucht und Dressur:Totilas soll den Stuten nicht mehr hinterherschauen

Weniger decken, mehr trainieren: Die Besitzer des Zehn-Millionen-Pferdes Totilas wollen endlich die erhofften sportlichen Erfolge einfahren. Deswegen stellen sie die Zucht hinten an, obwohl sie für jede Stute, die von Totilas' Samen tragend wird, 8000 Euro kassieren.

Gabriele Pochhammer

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Begehrter Hengst: Totilas mit Reiter Matthias Alexander Rath.

(Foto: REUTERS)

Wenn er lesen könnte, hätte Totilas sicher eine schlaflose Nacht verbracht in der Aussicht, in den nächsten Monaten wie ein Mönch leben zu müssen. Jetzt kann er wieder entspannen, ganz so schlimm wird's nicht. "Alles Quatsch", sagt Paul Schockemöhle. Der frühere Springreiter, Mitbesitzer des Zehn-Millionen-Hengstes und zuständig für dessen züchterische Karriere, dementiert Berichte, wonach der Rappe in den nächsten Monaten überhaupt nicht in der Zucht sondern nur im Sport eingesetzt werden soll. "Natürlich wird Totilas wieder drei Monate nach Mühlen kommen um zu decken", sagt Schockemöhle. Aber in der Turniersaison habe der Sport jetzt Vorrang.

Das war in den vergangenen zwei Jahren auch so geplant, aber die Nachfrage der Pferdezüchter nach dem Rapphengst, auf dem der Niederländer Edward Gal mit Traumnoten drei Weltmeistertitel gewann, war zu groß. "Wir beschlossen, durchzudecken", erzählt Klaus-Martin Rath, Vater und Heimtrainer von Matthias Rath. Das heißt, nicht nur während der Winter- und Frühjahrssaison im oldenburgischen Mühlen, sondern auch in Kronberg, wo eigens für Totilas eine Deckstation eingerichtet wurde, musste er aufs Phantom springen und dort absamen.

Dabei handelt es sich um ein lederbezogenes Gestell, das an ein Turn-Pferd erinnert. Anders als in der Rennpferdezucht bekommt ein Sportpferdehengst eine leibhaftige Stute nur noch selten zu Gesicht, die meisten Fohlen werden per künstlicher Besamung gezeugt, häufig mit tiefgefrorenem Sperma - obwohl die Befruchtung mit Frischsperma als sicherer gilt und bei den Züchtern entsprechend beliebter ist.

Beim Turnier konnte es natürlich passieren, dass Totilas die Hufspuren einer Stute kreuzte, und schon gewannen die Hormone Oberhand über die Konzentration auf Piaffe und Passage. "Da kam dann einer mit seiner Stute um die Ecke, und schon guckte Totilas ihr hinterher. Das war vielleicht ein Grund für die schwankenden Leistungen", vermutet Schockemöhle. Jetzt will man vollends auf Nummer sicher gehen, wie übrigens Besitzer anderer Sporthengste auch.

Desperados, der Dressurhengst der Olympia-Silbermedaillen-Gewinnerin Kristina Sprehe, war im Sommer 2012 von Vaterpflichten entbunden, auch Springhengste wie Coupe de Coeur und Cornet Obolensky aus dem Stall von Ludger Beerbaum deckten nicht während der sportlichen Hochsaison.

Umstrittener Trainer soll Totilas zum Erfolg führen

Weniger Deck-Einsätze für Totilas bedeutet für den Besitzer weniger Geld: 8000 Euro bekommt Schockemöhle, wenn eine Stute vom verschickten Samen des schwarzen Wunders tragend wird, da kommen schnell sechsstellige Summen zusammen, die am Ende in der Kasse fehlen. Auf finanziellen Ausgleich durch Mitbesitzerin Ann-Kathrin Linsenhoff, Matthias Raths Stiefmutter, verzichtet Schockemöhle. "Dafür bin ich zu sehr Pferdemann." Auch er hat schließlich ein Interesse, dass sich endlich die erhofften Erfolge für seinen Hengst einstellen.

Das soll der umstrittene niederländische Trainer Sjef Janssen richten, der jetzt mit Rath trainiert und dafür das Training mit anderen Spitzenreitern wie der Olympiazweiten Adelinde Cornelissen beendet hat. Janssen hat die umstrittene Methode der Rollkur, die extrem tiefe Kopfhaltung des Pferdes, zur Doktrin erhoben. Im Frühjahr 2012 praktizierte Rath diese Methode bereits in Hagen, was bei vielen Pferdefreunden Unmut hervorrief und in einer Anzeige der Tierrechtsorganisation Peta gegen das Team um Totilas gipfelte, die zur Zeit noch von der Staatsanwaltschaft Frankfurt geprüft wird.

Klaus Martin Rath sieht dem gelassen entgegen: "Wir haben bisher auch nur in der Zeitung davon gelesen. Die Staatsanwaltschaft wird sicher berücksichtigen, dass Totilas und unsere EU-Deckstation unter ständiger Kontrolle des Amtstierarztes stehen und es nie Beanstandungen gab."

Paul Schockemöhle ist überzeugt, dass Totilas nach der Methode von Sjef Janssen ausgebildet wurde und mit ihr wieder an alte Erfolge anknüpfen kann. Dagegen spricht, dass Gal nur kurze Zeit und nie mit Totilas bei Janssen trainiert hat, auch wurde er beim Abreiten nicht mit dieser Methode beobachtet. Was die Frage aufwirft: Trabt Totilas schon wieder in die falsche Richtung?

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