Valencias Trainer Mauricio Pellegrino:Schlaks mit allerbesten Manieren

Ein Mann und seine größte Niederlage: Valencias Trainer Pellegrino trifft in der Champions League an diesem Abend auf den Klub, den er niemals vergessen wird. Gegen den FC Bayern verschoss er im Finale 2001 den entscheidenden Elfmeter. Mittlerweile ist er zu einem eleganten Fußballlehrer gereift.

Oliver Meiler, Barcelona

Wenn er seine Nerven behält, dann macht Mauricio Pellegrino eine ausnehmend elegante Figur am Spielfeldrand. Der Trainer des FC Valencia gehört zur Garde jener ehemaligen Akteure, die auch im aktiven Ruhestand keine erkennbaren Konzessionen an die Körperfitness machen, die gar modische Akzente setzen.

Pellegrino, 41, ist schlank wie zu seinen Zeiten als Innenverteidiger, als Turm im Zentrum der Abwehr von Vélez Sarsfield im heimatlichen Argentinien, dann kurz vom FC Barcelona, von Valencia und vom FC Liverpool. Er ist 1,93 Meter groß. Man nennt ihn noch heute "El Flaco", den Dünnen, den Schlaks. Es ist ein illustrer Übername, den er sich mit Berühmtheiten wie Johan Cruyff oder César Luis Menotti teilt. Doch manchmal verliert auch dieser kultivierte, belesene Schlaks mit Manieren seine Selbstbeherrschung.

Selten zwar, aber dann sperrwürdig. Vor zwei Wochen etwa beim Heimsieg über Atlético Madrid wurde Pellegrino bereits in der 41. Minute auf die Tribüne verbannt. Im Protokoll der Disziplinarkommission des spanischen Fußballverbands konnte man lesen, der Trainer habe sein Unverständnis über eine Schiedsrichterentscheidung in unstattlicher Weise ausgedrückt: "Er warf eine Wasserflasche mit Gewalt zu Boden, verließ dann die ihm zugewiesene Zone und ging protestierend auf den vierten Mann zu." Die Formulierung hörte sich freilich bedrohlicher an, als es die Szene selbst tatsächlich war. Es gab zwei Spiele Sperre.

Gegen die Bayern sitzt er wieder auf der Bank. Es ist ein spezielles Spiel für Pellegrino. Es gibt da jene Episode aus seiner Zeit als Spieler, die ihn auf Lebenszeit an den deutschen Rekordmeister erinnern wird. 23. Mai 2001, Mailand, Finale der Champions League. Pellegrino war unverzichtbare Stütze des FC Valencia; im Halbfinale gegen Leeds hatte er eine der besten Partien seiner Karriere gespielt.

Sein Gegenspieler, der australische Stürmer Mark Viduka, rannte mal um mal in den unverrückbaren Turm in Valencias Abwehr: "Im Leben ist es nicht gut, besessen zu sein, im Fußball schon", sagte Pellegrino danach. Für solche Weisheiten mag man ihn. Sie heben sich eine Nuance ab vom rhetorischen Flachpassspiel der Branche.

Auch im Finale sollte er eine Hauptrolle spielen, wenn auch eine ohne nachgereichte Weisheiten. Nach der regulären Spielzeit stand es nach zwei Elfmetern 1:1. Und da die Verlängerung torlos blieb, gab es das lange, nervenaufreibende Penaltyschießen mit bereits vier Fehlversuchen, bis "El Flaco" anlief, als 14. Schütze. Nervös wirkte er nicht, obschon er wusste, dass sein Versagen den Traum sofort beenden würde. Er war auch gar nicht schlecht getreten, Pellegrinos Elfmeter: hart, halbhoch, halblinks. Doch Oliver Kahns Parade war besser, sie besiegelte den Bayern-Triumph.

Kein Glück unter van Gaal

In Valencia hat man Pellegrino bald verziehen. Die "Ches", wie sich die Fans des Vereins nennen, sind zwar ein legendär forderndes, ambitioniertes Publikum. Doch die Ära mit Pellegrino war nun mal eine der ruhmreichsten der Klubgeschichte: fünf wichtige Titel insgesamt. Héctor Cúper, der damalige Trainer, hatte seinen Landsmann 1999 von Barça geholt, wo der unter Louis van Gaal nicht glücklich geworden war.

Pellegrino nennt van Gaal heute dennoch eine seiner zwei wichtigsten Inspirationen als Trainer. Die andere ist Rafa Benítez. Der engagierte ihn, als er seine Spielerkarriere beendet hatte, als Assistenztrainer beim FC Liverpool. Auch bei Inter Mailand saß man nebeneinander auf der Bank.

Seit dieser Saison trainiert Pellegrino erstmals als Chefcoach ein Team der höchsten Spielklasse. Das Erbe, das er in Valencia antrat, war wuchtig. Sein Vorgänger schaffte drei dritte Ligaplätze in Folge. Geschlagen geben musste man sich nur Real Madrid und Barcelona. Die Leistung aber war umso erstaunlicher, weil jedes Jahr die guten Spieler, meist die Juwelen, verkauft werden mussten, um so die Bilanz des überschuldeten Vereins etwas zu berichtigen.

Pellegrino wurde wie ein altes Familienmitglied empfangen, wie eine wandelnde Reminiszenz an einstige Glorie. Fünf Jahre hatte er in Valencia gespielt; der Präsident, Manuel Llorente, blieb ein guter Freund. Pellegrino sprach von einer "wunderbaren Herausforderung", als er sich vorstellte.

Illusionen machte er sich keine. Und die ersten Wochen waren denn auch alles andere als erfolgreich. Nun hat man sich gefangen, die Resultate passen meist: Platz acht in der Liga, nur noch zwei Punkte hinter dem Vierten. Und in der Champions League steht man kurz davor, sich für die nächste Runde zu qualifizieren.

Doch das reicht in Valencia nicht. In einem Dokumentarfilm öffnete Pellegrino jüngst wieder einmal sein Herz: "Trainer sind nicht mehr so wichtig wie die Spieler", sagte er, "die Vereine stufen den Wert eines jeden Spielers viel höher ein als jenen des Trainers. Stellen Sie sich vor, ich würde mir erlauben zu sagen, dass ich Roberto Soldado (Valencias bester Stürmer, Red.) nicht mag: Drei Minuten später wäre ich meinen Job los." Das Zwischenfazit seiner Laufbahn lautet deshalb: "Ich mag den Fußball vor allem als Sport, der Rest, das ganze Drumherum, ist mir zu zynisch." Klingt elegant.

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