TSV 1860 und Sven-Göran Eriksson:Der Geist von Belek

Eriksson stellt sich der englischen Presse

Sven-Göran Eriksson erwarb sich im November das Vertrauen der "lovely family", der liebenswerten Familie von Hasan Ismaik am Rande eines Poloturniers in Abu Dhabi. Nun könnten Trainer und Investor endlich zueinander finden.

(Foto: dpa/dpaweb)

Der Fußball-Zweitligist TSV 1860 München ist auf der Suche nach einem Kompromiss zwischen den Interessen des Klubs und des Investors Hasan Ismaik. Der verspricht nun keine Einflussnahme auf Personalien des e.V., keine unmäßige Verschuldung und eine Grundgarantie der Darlehen. Dafür könnte ihm sein größter Wunsch erfüllt werden: Trainer Sven-Göran Eriksson.

Von Philipp Schneider

Der Rasen war am Ende seiner Belastbarkeit, die Stollen der Fußballschuhe hatten die im Innersten so zarte Pflanze nach einer Stunde zerpflügt, nun stapelten sich die entwurzelten Einzelteile ihrer selbst auf recht trostlose Weise übereinander. "Kurze Pause!" rief Alexander Schmidt, "dann nochmal zehn Minuten."

Es war der Freitag auf dem Übungsgelände des Zweitligisten TSV 1860 München, zwei Tage verblieben der Mannschaft noch bis zu ihrem Abflug in das Trainingslager im Badeort Belek an der türkischen Riviera und Schmidt, der Übungsleiter, er nahm sich jetzt die Zeit, um die Rasenbrocken mit den Füßen in ihre angestammte Passform zurück zu treten. Penibel, akkurat. Schmidt war ja der verantwortliche Trainer, und der Rasen verhielt sich nicht länger professionell. "Vielleicht können wir so etwas wie einen Geist von Belek entwickeln im Team, wobei sowas auf natürliche Weise entstehen muss. Künstlich mag ich nicht", sagte Schmidt später.

Am Vortag hatte er noch ein wenig genervt auf die durchaus naheliegende Frage eines Reporters reagiert, in der auch der Name von Sven-Göran Eriksson gefallen war. Der ehemalige englische Nationaltrainer ist bekanntlich der Wunschkandidat von Vereins-Investor Hasan Ismaik, also hatte Schmidt gerufen: "Hört mir auf mit dem Scheiß, was soll das?!" Verständlich. Denn seit Mittwoch feilen die Vereinsvertreter an einem Kompromissvorschlag, den Ismaik bereits als tragfähig erachtet hat - und dem am kommenden Montag bei einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung des e.V. auch die Klubverantwortlichen zustimmen könnten. Und Schmidt weiß ja nicht, ob in dem Papier seine Ablösung geplant wird. Offenbar nicht - und das, obwohl es nach SZ-Informationen Erikssons Namen tatsächlich enthält.

Es sickern die ersten Informationen durch, auf welche Weise die seit Monaten streitenden Gesellschafter bei 1860 zusammenfinden könnten, es erklingen Details eines Vorschlags, den Investmentbanker Hamada Iraki ersonnen hat - einst der wichtigste Vertraute von Ismaik in München, inzwischen offenbar der einzige Vermittler, mit dem beide Seiten noch konstruktiv streiten können.

Demnach ist es wohl so, dass Hasan Ismaik seinen Plan verworfen hat, einen Austausch jener Vereinsvertreter zu fordern, über deren - seines Erachtens nach - fußballferne Berufe er am Rande seines Besuchs in München noch gepoltert hatte ("Bitte schickt mir drei junge ehemalige Fußballer, Anwälte, Buchhalter, mit denen man reden kann"). Der Investor hat offenbar eingesehen, dass ihm diese Einflussnahme aufgrund der Regularien der Deutschen Fußball-Liga nicht zusteht. Ferner sieht das Papier wohl auch kein höheres Investitionsvolumen vor, als im Sommer noch vereinbart wurde. Damit würde einer Kernforderung der Vereinsvertreter entsprochen, die im Überschuldungsfall Sanktionen der DFL befürchten.

Kostspieliger Blanco ist weg

Dem Vernehmen nach will Ismaik zusätzliche Investitionen jedoch fortan weniger termingebunden tätigen, sondern erst dann zahlen, wenn es die Sportliche Leitung für nötig erachtet - die nach SZ-Informationen neu gestaltet werden soll. Ismaik wünscht sich dort einen Mann, den er schätzt und dem er vertraut.

An dieser Schnittstelle, so ist offenbar der Plan, kommt nun tatsächlich Sven-Göran Eriksson ins Spiel, von dem Ismaik am Montag noch nicht genau wusste, ob er überhaupt noch interessiert ist an einem Einstieg bei 1860. Die Rede ist inzwischen von einem Trainergespann, bestehend aus Eriksson und Alexander Schmidt. Sportdirektor soll der Schwede offenbar nicht werden, dagegen spräche allein Erikssons marginale Kenntnis des deutschen Fußballmarktes. In jedem Fall wünscht sich Ismaik noch (und warum auch) immer einen Trainer mit langjähriger Erfahrung, der dem ehemaligen U21-Übungsleiter Schmidt zur Seite gestellt werden soll. Oder aber - zumindest de facto - vorgesetzt werden wird, was im Falle Erikssons als wahrscheinlicher gelten dürfte.

Im Gegenzug soll der e.V. endlich eine Grundgarantie erhalten für die finanziellen Mittel, die die Profifußball-Abteilung Jahr für Jahr zum Ausgleich ihrer noch immer defizitären Bilanz benötigt. Auch dies war zuletzt eine Kernforderung der Vereinsvertreter, weil Ismaik (entgegen seiner mündlichen Zusage im Sommer) bislang erst eine Rate des ausgehandelten Dreijahresplans überwiesen hat. Das Ziel der KGaA soll dessen ungeachtet weiter sein, in spätestens zwei Jahren nicht mehr abhängig zu sein von jährlichen Zuschüssen. Für den Moment hilft der Weggang des erfolglosen und durchaus kostspieligen Stürmers Ismael Blanco, dessen Vertrag am Freitag aufgelöst wurde.

"Der Weg" erscheine ihm "gangbar", hatte der urlaubende e.V.-Aufsichtsratsvorsitzende Otto Steiner neulich der AZ gesagt. Doch ob er das ist, entscheiden die Vereinsvertreter am Montag gemeinsam. Und was die Details für Alexander Schmidt bedeuten, ist eine andere Frage. Der Geist, den er gemeint hatte, wird nun ein anderer sein. Über Belek schwebt Sven-Göran Eriksson.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: