TSV 1860 München vor Aufsichtsratssitzung:Geldgeber Ismaik fliegt ein zum Kampf

Trainingsauftakt TSV 1860 München

1860-Präsident Dieter Schneider und seine Frau Gipsy beim Trainingsauftakt am Sonntag in München.

(Foto: dpa)

Nach Monaten der Drohungen und Debatten kommt es beim Fußball-Zweitligisten 1860 München zur vielleicht entscheidenden Sitzung: Investor Hasan Ismaik reist an. Den Klub-Verantwortlichen stellt sich die Frage, inwieweit sie ihm noch trauen können. Denn das Finanzierungsmodell bewegt sich im Grenzbereich des Erlaubten.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Und dann kam Ismael Blanco. Möglichst unbehelligt versuchte er, sich trotz seiner schnittigen Gelfrisur einen Weg durch die Menge der Fans zu bahnen, ehe ihm zwei Mädchen in einem Anflug von Mut den Weg verstellten. Er solle doch bitte, bitte Autogramme schreiben. Und Blanco kam aus der Sache natürlich nicht mehr raus. Er schrieb.

An einem gewöhnlichen Tag wäre Blanco auch die große Geschichte gewesen, jener Stürmer, der erst im Sommer zum Zweitligisten TSV 1860 München gewechselt war, und der von allen Seiten gelobt worden war, bevor er überhaupt einen Ball an der Grünwalder Straße getreten hatte. Doch inzwischen ist er längst zu einem Symbol geworden, einem Politikum, an dem sich der ganze Zorn von Vereins-Investor Hasan Ismaik entlädt. Denn Blanco hat Geld gekostet. Und danach traf er das Tor nicht. "Was macht Blanco? Nichts. Also stimmt was mit dem Plan nicht", schimpfte Ismaiks Cousin und Vertreter Noor Basha neulich.

Der Argentinier, der den Verein noch in diesem Winter verlassen soll, war dann auch einer der wenigen Spieler, die Dieter Schneider am Sonntag nicht mit freundlichen Neujahrswünschen begrüßten; den Vereinspräsidenten, der selbstverständlich persönlich erschienen war zum Trainingsauftakt nach der Winterpause. Und Schneider sprach jetzt in einen Wald von Mikrofonen, um am Tag vor der Aufsichtsratssitzung mit Investor Ismaik noch einmal Stellung zu beziehen zu den Vorwürfen, die der jordanische Geschäftsmann vor seinem Einflug in München in einem polternden Interview ausgedrückt hatte.

"Es wird ja hier der Eindruck erweckt, da sitzt ein Investor mit einem prallen Geldsack und einer fertigen Strategie, wir hingegen sind die großen Blockierer", sagte Schneider: "De facto ist es so, dass wir gemeinsam einen Dreijahresplan mit Kostenreduzierungen auf den Weg gebracht haben, die der Partner überhaupt erst angestoßen hat. Herr Ismaik ist doch selbst Kaufmann." Darüber hinaus seien alle weiteren Entscheidungen "in direkter Abstimmung mit Herrn Ismaik geschehen. Er ist auch über die Spielerverpflichtungen stets informiert worden und hätte immer sagen können: ,Halt bitte! So will ich das nicht'."

Doch Ismaik hat jüngst unverhohlen mit einer Beendigung seines Investments bei 1860 gedroht, weil er sich stört an der sportlichen Bilanz des Klubs, der fünf Punkte entfernt vom Aufstiegs-Relegationsplatz überwintert. Deshalb sei "frisches Blut" notwendig, wie Ismaiks Bruder Abdel Rahman sagte, und deshalb sei Trainer Alexander Schmidt auch lediglich ein "Übergangstrainer".

Der Investor würde also gerne kräftig weiter investieren, hat bislang aber nicht dargelegt, wie das Finanzierungsmodell aussehen soll; offenbar will er die KGaA weiter verschulden. Für die Vereinsvertreter, die an diesem Montag ab 17 Uhr mit ihm zusammensitzen, stellt sich die Frage, inwiefern sie Ismaik überhaupt noch trauen können. Denn bislang hat der Investor nicht einmal die im Sommer zugesagten Darlehen für die kommenden zwei Jahre überwiesen, mit denen die Geschäftsführung kalkuliert hatte - und die sechs Sommerzugänge langfristig finanzieren wollte. Nach Lage der Dinge wollte sich Ismaik nicht eines mächtigen Druckmittels berauben.

Sorge beim Fußball-Verband

In Rainer Koch, dem Präsidenten des Bayerischen Fußball-Verbands, brachte nun auch ein ranghoher Funktionär seine Sorge um 1860 zum Ausdruck. "Wir beobachten die Situation genau. Ich kann nur hoffen, dass der Investor wieder auf die Vereinsseite zugeht und nicht weiter versucht, die Führung zu destabilisieren", sagt Koch. "Die fast gewaltsame Durchsetzung eigener Ansprüche kann man nicht gutheißen." Er sende an die 1860-Verantwortlichen den "Appell, einen wirtschaftlich verantwortbaren Weg zu gehen".

Und der Weg, den der TSV 1860 eingeschlagen hat, streift ja ohnehin bereits die Grenzen der Vernunft: Neun Millionen Euro an Darlehen hat die KGaA bei Investor Ismaik bislang aufgenommen, diese sind zwar mit Rangrücktritt versehen, müssen also nur zurückgezahlt werden, falls der Klub irgendwann einmal Gewinn erwirtschaftet. Doch bilanzrechtlich bewegt man sich mit diesem so genannten Mezzanine-Kapital - einer Mischform zwischen Eigen- und Fremdkapital- in einem "Grenzbereich", wie Schneider sagt.

Die Frage ist: Betrachtet die Deutsche Fußball-Liga (DFL), bei der die Lizenz für die kommende Saison beantragt werden muss, die Summe als Eigenkapital - oder als Schulden, die das Eigenkapital belasten? Sollte die DFL - vor allem im Falle weiterer, hoher Darlehen von Ismaik - zu dem Schluss kommen, es handle sich dabei um Schulden, so drohen 1860 Punktabzüge und Geldstrafen.

Die Verhandlungsposition des Investors ist nun insofern geschwächt, als KGaA-Geschäftsführer Robert Schäfer einen finanziellen Alternativplan entwickelt hat, mit dem 1860 offenbar auch ohne weitere Darlehen eine gewisse Zeit überleben könnte. Zudem scheint Schneider nicht wirklich daran zu glauben, dass der Jordanier aus seinem kostspieligen Investment aussteigen möchte. Er sagt: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass er die Anteile an einem Unternehmen verkaufen möchte, das er vorher noch schlecht geredet hat."

Trainer Alexander Schmidt gab jedenfalls am Sonntag seinen Wunsch bekannt, die Gesellschafter sollten sich doch bitte einigen. Denn ein Stürmer soll noch verpflichtet werden, ehe die Mannschaft am Sonntag ins Trainingslager in die Türkei aufbricht. "Einen habe ich speziell im Fokus, der mein Wunschspieler wäre", sagt Schmidt: "Wenn der kommt, dann garantiere ich für ihn." Eine mutige Ankündigung - bedenkt man das Ausmaß des Zorns, den Cousin Basha auf den armen Blanco hegt.

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