Trainerwechsel in der Bundesliga:Stichwort: Werkspionage!

Wer Geld hat, kann sich in der Bundesliga fast alles leisten - das zeigt der kurzfristige Wechsel von Nürnbergs Coach Dieter Hecking zum VfL Wolfsburg. Dabei ließen sich solche feindlichen Übernahmen während einer Saison verhindern: Die Profi-Klubs müssten sich nur einig sein.

Ein Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Was soll das Gejammer? Darüber, dass da jetzt ein schlecht arbeitender, aber reicher Klub einem relativ gut arbeitenden, aber vergleichsweise armen Klub den Trainer raubt? Wer es nicht gewusst hatte, der hatte es zumindest geahnt, dass dieser Trainer sich von Anfang an eine Ausstiegsklausel in den Vertrag einbauen ließ, die er jetzt gezogen hat. Deshalb ist das Gejammer auf Seiten der Geschäftsführung der Nürnberger zumindest nicht larmoyant. Wissen sie doch auch beim Club, dass sie (wenn schon nicht jetzt in der Nachfolgesuche für Dieter Hecking, so doch irgendwann) wieder froh sein werden, selbst eine Ausstiegsklausel nutzen zu können, um ihr sportliches Personal mit Spielern aus der dritten Liga oder von Sparta Prag zu verstärken.

Zudem wäre es ein Leichtes, einen solchen feindlichen Überfall aufs Personal zu verhindern. Die 36 Profi-Klubs der ersten und zweiten Liga, die unter dem Dach der Deutschen Fußball Liga (DFL) versammelt sind, müssten sich nur einig sein. Darüber, dass im Verlauf einer Spielzeit keine Ausstiegsklauseln gezogen werden dürfen. Oder wenigstens darüber, dass ein Trainer während einer Spielzeit nicht zwei Klubs aus derselben Spielklasse betreuen darf. Stichworte: Interessenkollision! Werksspionage! An der Formulierung solcher Klauseln, die dem Fairplay dienen könnten, ist die Juristerei noch nie gescheitert, nur: Eine solche Mehrheit wird sich, die Prognose sei riskiert, nicht finden lassen; denn auch Sparta Prag könnte sich dann auf die DFL-Hausregeln beziehen.

Dabei ist es gar nicht so, dass die DFL keine soliden Grundlagen schaffen kann. Im Gegenteil, die 50 plus 1-Regel ist in Europas Spitzenligen einmalig, sie garantiert, dass die Mehrheit der Eigentümer-Anteile beim Verein zu verbleiben hat. Allerdings gibt es in der Bundesliga die drei Sondermodelle Hoffenheim (Sponsor Dietmar Hopp), Leverkusen (Sponsor Bayer-Werk) sowie eben jene extrem alimentierte Betriebssportgruppe des Wolfsburger VW-Konzerns. Die zwar nur auf Platz 15 von 18 in der Zuschauertabelle liegt, die aber binnen weniger Wochen einen der größten finanziellen Kraftakte in der 50-jährigen Geschichte der Bundesliga stemmte: Felix Magath abgefunden, dessen 35-Mann-Kader finanziert, den Manager Klaus Allofs bei Werder Bremen aus dem Vertrag geholt, Interimstrainer Köstner von den Amateuren hoch und wieder zurück delegiert und zuletzt Hecking in Nürnberg losgeeist. Es läuft und läuft . . .

Ob dieses ganze Paket regelkonform finanziert ist, muss die DFL zunächst nicht beurteilen, einen Teil der Arbeit nimmt ihr die Staatsanwaltschaft Stuttgart ab. Die prüft seit Monaten den Vorwurf, der Automobil-Konzern habe die Vergabe lukrativer Aufträge an seine Zulieferer immer wieder mal an ein Sport-Sponsoring gekoppelt. So seien, neben dem offiziellen Betreuungsgeld von VW - rund 70 Millionen Euro pro Saison - weitere Millionen in die Kasse der Betriebsfußballer geflossen. Der Konzern bestreitet den Korruptions-Vorwurf, dessen Klärung aber könnte für mehr Transparenz sorgen. Denn auch die Frage der Hecking-Abwerbung ist weniger eine der Moral als eine der Finanzen.

Was der VfL mit dem Geld angestellt hat, vollzog sich im Rahmen des Erlaubten. Nur wie genau das Geld aus dem Konzern zum VfL fließt, das ist fragwürdig und bedarf schon aufgrund der Sehnsucht vieler Klubs nach Chancengleichheit schnellstmöglicher Aufhellung.

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