Tour de France:Schleck unter Verdacht

Der derzeit Zweite in der Gesamtwertung der Tour de France steht laut Informationen der SZ im Verdacht zu den Kunden des spanischen Dopingarztes Fuentes gehört zu haben.

Andreas Burkert

Bjarne Riis ist ein zurückhaltender Mensch, zumindest jener Bjarne Riis, den die Öffentlichkeit kennt. Latentes Misstrauen spricht aus seinem markanten Gesicht, gerade hier bei der Tour de France; bisweilen empfindet er den Aufenthalt bei den französischen Gastgebern, die ihn im Vorjahr noch zur unerwünschten Person erklärt hatten, wohl als eine Art Spießrutenlaufen. Doch in den vergangenen Tagen hat sich das öffentliche Antlitz des Bjarne Riis, verändert, er lachte manchmal sogar herzhaft, und man verstand das natürlich, denn das Gelbe Trikot ist nun seit bald einer Woche im Besitz seiner Mannschaft. Riis' spanischer Kapitän Carlos Sastre rollt diesen Samstag in Cérilly als Letzter von der Rampe des entscheidenden Zeitfahrens, kurz nach seinem CSC-Kompagnon Frank Schleck aus Luxemburg. Bjarne Riis, 44, wird vermutlich hinter Sastre im Wagen sitzen und versuchen, den Madrilenen zum ersten Toursieg für seinen CSC-Rennstall zu lenken.

Tour de France: Zum Vergrößern auf das Bild klicken! Hinter der Nr. 1 der Fuentes-Kundenliste, "Rudicios Sohn", verbrigt sich laut den spanischen Ermittern Jan Ullrich, dem in Madrid gelagerte Blutbeutel zugeordnet werden konnten. Als "Birillo" (Nr. 2) hat sich der Italiener Ivan Basso zu erkennen gegeben, und als "Bella" (20) der Ansbacher Kronzeuge Jörg Jaksche. Steckt hinter dem "Amigo de Birillo", bei Fuentes an Position 25 geführt, Bassos früherer Teamkollege, der Luxemburger CSC-Profi Frank Schleck?

Zum Vergrößern auf das Bild klicken! Hinter der Nr. 1 der Fuentes-Kundenliste, "Rudicios Sohn", verbrigt sich laut den spanischen Ermittern Jan Ullrich, dem in Madrid gelagerte Blutbeutel zugeordnet werden konnten. Als "Birillo" (Nr. 2) hat sich der Italiener Ivan Basso zu erkennen gegeben, und als "Bella" (20) der Ansbacher Kronzeuge Jörg Jaksche. Steckt hinter dem "Amigo de Birillo", bei Fuentes an Position 25 geführt, Bassos früherer Teamkollege, der Luxemburger CSC-Profi Frank Schleck?

Sofern er denn in dieser Stunde seine Vergangenheit ausblenden kann.

Treffen im Dezember 2005

Riis' eher weniger glorreiche Vergangenheit verband man bisher vor allem mit exzessivem Epo-Doping, das ihm den Tour-Sieg 1996 ermöglichte; vor einem Jahr, in der Enthüllungswelle um das alte Team Telekom, hat Riis das einräumen müssen. Doch auch an seiner jüngeren Vergangenheit und selbst an seiner Gegenwart als erfolgreicher Teamchef der CSC-Flotte darf nun erheblich gezweifelt werden - obwohl Riis den Eindruck erweckt, mit Doping heute nichts mehr zu tun zu haben (siehe Erklärung unten).

Internationale Ermittler, die sich mit der Operación Puerto um den Arzt Eufemiano Fuentes beschäftigen, bestätigen der Süddeutschen Zeitung, dass ihnen Hinweise vorlägen, wonach Teamchef Bjarne Riis persönlich bei dem spanischen Blutdoktor vorstellig geworden sei - als Begleiter seiner Profis. Konkret genannt worden sei in polizeilichen Gesprächsnotizen der Name von Frank Schleck, der vor Kollege Sastre in Gelb durch Frankreich radelte. "Die Namen Riis und Frank Schleck sind uns natürlich bekannt", sagten übereinstimmend ein Ermittler und ein Behördensprecher der SZ, "und es gibt dort Zusammenhänge mit Herrn Fuentes." Die angebliche Kundschaft des aktuellen Tour-Zweiten Frank Schleck sei sogar "mit Sachbeweisen zu belegen". Ob dieser Kontakt der naheliegenden Absicht des Blutdopings diente, ist jedoch noch ungeklärt.

Riis' einstiger Kapitän Ivan Basso war, wie in deren Heimat auch die damaligen deutschen Profis Jan Ullrich und Jörg Jaksche, durch die italienische Justiz als Klient des früheren Gynäkologen Fuentes enttarnt worden. Der Giro-Sieger von 2006 hatte bei einer Pressekonferenz im Mai 2007 in Mailand eingeräumt, Blut bei Fuentes gelagert zu haben (bestand aber darauf, niemals gedopt zu haben). "Ja, ich bin Birillo", sagte Basso damals, diesem Codenamen (siehe Ausriss) - der sich auf den Namen seines Hundes bezog - waren die Blutbeutel zugeordnet. Die Beamten, die "aus ermittlungstaktischen Gründen" ihren Standort nicht nennen möchten, äußerten angesichts weiterer Zeugenaussagen den Verdacht, dass es sich beim Amigo de Birillo - der Nummer 25 in Fuentes' Kundenliste - um Luxemburgs aktuellen Volkshelden handeln könnte: Frank Schleck, 28.

Schleck unter Verdacht

Bisher hielt sich im Peloton als Gerücht, dass es sich bei "Birillos Freund" um Giovanni Lombardi gehandelt haben müsse. Und eine indirekte Einflussnahme des früheren Telekom-Sprinters (1997 bis 2001) rund um die Machenschaften des Puerto-Skandals dürfte beim Anblick des Sittengemäldes ja durchaus gegeben sein ist. Denn Lombardi, der 2005 und 2006 für Riis' CSC-Team fuhr, ist Manager der Brüder Andy und Frank Schleck - und laut Insidern mit Fuentes befreundet. Lombardi, der seit vielen Jahren in Madrid lebt, soll angeblich den Kontakt zu Fuentes hergestellt haben. Lombardi selbst hat stets betont, er kenne den Arzt Fuentes "nur oberflächlich".

Dass es sich jedoch bei Basso mitnichten um einen Einzelfall und -gänger in Riis' Rennstall gehandelt haben dürfte, haben Szenekenner schon früher vermutet. Bjarne Riis und Ivan Basso sprachen ja selbst stets von einer "Vater-Sohn-Beziehung". Und von einer ähnlichen Nähe berichteten gerade in diesen erfolgreichen Tagen, in denen die CSC-Mannschaft beeindruckend die Tour de France dominierte, auch Riis und Frank Schleck. Eng war aber auch schon die Verbindung von Tyler Hamilton zu Riis, der Amerikaner fuhr 2002 und 2003 für CSC. Der frühere Armstrong-Helfer wurde 2004, damals bei Team Phonak beschäftigt, bei einer Kontrolle positiv auf Fremdblutdoping getestet und gesperrt. Ob auch der aktuelle Tour-Erste Carlos Sastre, 33, einer der angeblichen Fuentes-Kunden gewesen sein könnte, ist nicht belegbar. Über Sastre weiß man nur: Er lebt in Madrid. Und für Riis fährt er seit 2001.

Neben den Aussagen von gesicherter Ermittlerseite scheinen auch in Italien bekannt gewordene Aussagen Bassos die Kenntnis von Riis' mutmaßlichen Kontakten zu Fuentes zu belegen. Der SZ liegen Zeugenaussagen zu Bassos Einlassungen vor, wonach "Riis dort mit mehreren Fahrern gewesen sein muss". Konkret wird es wieder bei Bjarne Riis und Frank Schleck, laut Basso, so der Zeuge , seien beide "im Dezember 2005 in einem Meeting mit Fuentes gewesen". Auch besteht nach Informationen dieser Zeitung ganz aktuell ein Informationsaustausch zwischen mehreren nationalen Behörden wegen der offensichtlichen Fahndungsresultate zur Causa Frank Schleck.

Insofern scheint nicht ausgeschlossen, zu sein, dass etwa die Zielkontrollen bei den CSC-Fahrern - darunter die Brüder Schleck und der Berliner CSC-Profi Jens Voigt - vom vergangenen Wochenende in den italienischen Alpen durch die dortige Anti-Doping-Behörde und das Nationale Olympischen Komitee (Coni) auch im Zusammenhang mit diesen Ermittlungsergebnissen zu sehen sind. Gleiches gilt für die Kontrolle der französischen Zollbeamten beim Vater von Andy und Frank Schleck am Donnerstag. Sie hatten den Wagen von Johnny Schleck, einem früheren Tour-Fahrer, der derzeit für die Veranstalter Vips durch die Karawane chauffiert, durchsucht, ohne freilich auf Verdächtiges zu treffen.

Austausch unter Behörden

Inwieweit gegen Frank Schleck nun ein offizielles Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, dürfte vom Eifer der beteiligten Behörden abhängen. In Spanien ruhte ja lange die Operacion Puerto, die auf umfangreiche Ermittlungsergebnissen der Guardia Civil fußte. Im Februar hatte ein Gericht in der Hauptstadt Madrid jedoch entschieden, dass die im März 2007 verfügte Einstellung des Untersuchungsverfahrens in dem Blutdopingskandal zu überprüfen sei; davor waren die Akten noch vom zuständigen Untersuchungsrichter Antonio Serrano mit dem Hinweis auf die zum betreffenden Zeitpunkt nicht ausreichenden gesetzlichen Möglichkeiten geschlossen worden. Bereits diesen Januar hatte das italienische Coni ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. In Bonn hat dagegen die Staatsanwaltschaft das Betrugsverfahren gegen den einstigen Toursieger und Riis-Teamkollegen Jan Ullrich gegen Zahlung einer hohen Geldbuße eingestellt. Staatsanwalt Fred Apostel hatte damals kundgetan, die Ermittlungen hätten eindeutig ergeben, dass "Ullrich gedopt hat".

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