Tennis-Profi Sloane Stephens:Amerika freut sich auf die nächste Legende

Sloane Stephens, Tennis Australian Open 2013

Sloane Stephens, während der Pressekonferenz nach ihrem Sieg gegen Serena Williams.

(Foto: dpa)

Überraschung bei den Australian Open: Die 19-jährige Sloane Stephens besiegt die zuvor lange unbesiegbare Serena Williams und steht im Halbfinale. Das Spiel schürt in den USA die Hoffnung auf den ersehnten Generationenwechsel. Stephens bringt dafür alles mit - inklusive überstandener Schicksalsschläge.

Nach der Sensation gegen ihr großes Vorbild griff Sloane Stephens sofort zum Handy. "Ich wollte gucken, ob meine Mutter mir eine Nachricht geschickt hat", sagte die 19 Jahre alte Amerikanerin nach ihrem Sieg im Generationen-Duell mit Serena Williams im Viertelfinale der Australian Open.

Stephens gilt als die Twitter-Queen der Tennis-Tour: Sie hat tausend Tweets mehr geschrieben als die deutsche Social-Media-Königin Sabine Lisicki und verbringt viele Minuten im sozialen Netzwerk. Und so hat sie sich nach ihrem völlig unerwarteten 3:6, 7:5, 6:4 gegen die große Turnierfavoritin über ein anderes Ergebnis gefreut: "Vor dem Spiel hatte ich 17.000 Follower, jetzt sind es 35.000." Ein paar Stunden nach der Pressekonferenz stieg die Zahl auf 40.000. Jeder will nun wissen: Wer ist diese Sloane Stephens?

Gerade in den USA fragt man sich seit einiger Zeit, wo denn die nächste Generation großer Spieler bleibt. Bei den Männern istnoch niemand in Sicht, der mit Charisma die Lücke schließen könnte, die durch Andy Roddicks Rücktritt entstanden ist - wobei dieser als Erbe von Pete Sampras, Andre Agassi und Jim Courier ja selbst schon jahrelang im Schatten von Federer, Nadal und zuletzt Djokovic gestanden hatte. Und bei den Frauen fragt man sich: Wieso kann ein derart großes Land keine Nachfolgerin für Lindsay Davenport, Jennifer Capriati und die Williams-Schwestern großziehen? Doch jetzt kommt Sloane.

Dirk Nowitzki, der amerikanisierte Deutsche, twitterte umgehend: "Wow. Was für ein Sieg für Sloane. Eine tolle Defensive. Sie hat jeden Ball zurückgebracht." Basketball-Ikone Shaquille O'Neal schickte die Stimmung der Heimat nach Australien: "Wenn du eine Legende schlägst, wirst du selbst eine Legende."

Eine Legende soll sie also werden. So ist das in den USA, das ist die Fallhöhe. Sloane Stephens, Tochter zweier Sportler, wurde 2011 mit 18 Jahren als jüngste Spielerin unter den Top 100 notiert. Im vergangenen Jahr fiel sie durch spektakuläre einzelne Spiele auf, jetzt spielt sie konstanter, ist mit 19 Lenzen die Jüngste unter den Top 50, war erstmals im Viertelfinale eines Grand-Slam-Turniers gelandet. Nun hat sie mit dem Sieg gegen die zuletzt unbesiegbare Serena Williams ein mächtiges Signal gesetzt. Williams hatte zuvor 22 Mal in Serie gewonnen seit August 2012.

Wie jung die schwarze Teenagerin aus Florida noch ist, zeigt sich, wenn sie redet. Die Worte sprudeln oft aus ihr raus, manchmal rattert sie im Tempo eines Maschinengewehrs runter, was ihr gerade durch den Kopf geht. Die Pressekonferenz nach dem Viertelfinale war dementsprechend lustig und erfrischend. Ganz in Rosa gekleidet, plauderte Stephens munter drauf los: "Jemand hat mich gefragt: Glaubst du, ob du gewinnen kannst? Und ich antwortete: Ja, ich glaube schon. Also ich heute Morgen aufwachte, dachte ich: Hey, ich kann das schaffen", erzählte sie. Sie sprach von Williams' gehemmtem Aufschlag und erzählte, dass sie sich im Vergleich zur vergangenen Saison stark verbessert habe. Dabei hatte sie seit den US Open im vergangenen Jahr wegen einer komplizierten Bauchverletzung kein Spiel mehr bestritten.

Williams hat noch viel vor

Stephens ist einerseits ein ganz normaler Teenager, der auf Facebook rumdaddelt und mehrere Tweets am Tag verschickt, in denen sie unter anderem zu Foto-Wettbewerben aufruft. Andererseits musste sie schon einiges verarbeiten. Ihr Stiefvater starb an Krebs, als sie 14 war. Ihr Vater, ein ehemaliger Football-Profi, starb 2009 bei einem Autounfall, gerade als Vater und Tochter wieder zueinander gefunden hatten. Stephens sagt, sie habe "rasch einen Reifeprozess durchmachen müssen". In Melbourne bestätigt sie das durch ihre souveränen Auftritte neben und auf dem Platz. Mit ihrer Familie sei sie fest verbunden: "Meine Großeltern haben das Match am Computer gesehen. Sie sind wie mein Bruder total ausgeflippt", erzählte sie.

Im vergangenen Jahr litt sie noch darunter, dass sie über viele, fast zu viele Möglichkeiten verfügt. Sie führte im richtigen Moment den falschen Schlag aus, wirkte verspielt, wenn sie konsequent hätte sein müssen. Inzwischen hat sie einen Plan, an den sie sich meistens hält - wenn ihr nicht etwas (noch) Besseres einfällt. Was Stephens mit ihren 1,70 Meter an Größe abgeht, macht sie durch ihre flinken Beine und ihren Spielwitz wett.

Serena Williams indes war überhaupt nicht erfreut über die Niederlage gegen ihre potenzielle Nachfolgerin als US-Tennis-Ikone. Sie wollte eigentlich den Grand Slam gewinnen, alle vier großen Turniere innerhalb eines Jahres. Und das hatten ihr auch alle zugetraut, so wie sie zuletzt auftrat. Jetzt die Ernüchterung bereits in Melbourne.

Das Turnier hatte ihr einige Hürden in den Weg gestellt. Erst war sie im Auftaktmatch böse umgeknickt, zwei Tage später schlug sie sich ihren Schläger versehentlich gegen den Mund. "Ich hatte danach richtig sexy Lippen. Andere zahlen dafür ein Vermögen", witzelte die 31-Jährige. Hinzu kam eine Rückenverletzung, die nach einem verunglückten Schlag im zweiten Satz des Viertelfinales immer schlimmer wurde.

Bezeichnend, dass das Zertrümmern ihres Schlägers während des Spiels zu ihren ganz persönlichen Highlights gehörte: "Das hat mich unglücklicherweise richtig happy gemacht." Am Ende dieses Matches blieb die erwartete Umarmung aber aus, ihr Lob fiel relativ nüchtern aus. "Sloane ist eine gute Spielerin, sie ist schnell und bringt eine Menge Bälle zurück", sagte Serena Williams. Das war's. Auch die Rückkehr an die Spitze der Weltrangliste muss Williams aufschieben. "Irgendwann werde ich wieder dort stehen", kündigt sie an. An ein Karriereende denkt sie nicht: "Man muss mich schon mit dem Rollstuhl vom Court bringen, ehe ich aufhöre."

Sloane Stephens ist jetzt jedenfalls so weit, ihre Zimmer-Dekoration umzugestalten. Da hing lange Zeit ein Poster ihres Vorbilds Serena Williams. Nun sagte die 19-Jährige: "Vielleicht werde ich jetzt eines von mir aufhängen."

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