Super Bowl:Es bleibt in der Familie

San Francisco 49ers head coach Jim and his brother, Baltimore Ravens head coach John Harbaugh, appear during their joint press conference ahead of the NFL's Super Bowl XLVII in New Orleans

Jim und John Harbaugh: zwei Brüder wollen die Trophäe.

(Foto: ADAM HUNGER/Reuters, JEFF HAYNES/Reuters)

Die zwei Brüder lieben sich, und ihre Eltern wissen nicht, zu welchem Team sie halten sollen. Das Finale zwischen den San Francisco 49ers und den Baltimore Ravens in der US-amerikanischen Football-Profiliga NFL ist auch ein Duell zwischen den Trainern John und Jim Harbaugh. Von ihrem Vater haben sie das akribische Arbeiten gelernt - ansonsten sind sie grundverschieden.

Von Christoph Leischwitz, New Orleans

Am Montag hatten die Brüder kurz miteinander telefoniert. Es ging nicht um Football, sondern um persönliche Dinge, etwa darum, in welchem Hotel die Eltern übernachten werden. Die Eltern von Jim und John heißen Jack und Jackie, und nicht nur aufgrund all dieser Vornamen bringen sie eine Geschichte mit nach New Orleans, die amerikanischer nicht sein kann.

Zwei Brüder, Jim und John Harbaugh, die sich lieben, für eine Woche aber Gegner sind. Dazu die eingeflogenen Eltern, die nicht wissen, zu wem sie halten sollen. All das ist die Klimax hin zur Super Bowl zwischen den San Francisco 49ers und den Baltimore Ravens (Montag, 0.30 Uhr MEZ/Sat1).

Das Vorspiel ist in den vergangenen Jahren zu einem Mikro-Hollywood geworden, zu dem sich stets reichlich Prominenz einfindet. Das Theater passt gut zum Karneval in New Orleans, dem Mardi Gras, der parallel abläuft, allein an diesem Wochenende finden neun Paraden statt.

Beyoncé, derzeit die wohl beliebteste Pop-Sängerin der USA, wird in der zwölfminütigen Halbzeitshow auftreten. Beyoncé sagt, es sei eines ihrer Karriereziele gewesen, dort singen zu dürfen. Welches Team sie mag, das will sie nicht sagen. Sie wurde außerdem noch gefragt, welche Farbe ihre Zahnbürste hat.

Kurz zuvor wurde bekannt gegeben, dass ein Chor der Sandy Hook-Schule aus Newtown, dem Ort des Massakers im vergangenen Dezember, "America the beautiful" singen wird. Alles, was die USA bewegt, wird in diese Super-Bowl-Woche gepackt. Allein den beiden Harbaugh-Brüdern ist es zu verdanken, dass überhaupt noch über Sportliches gesprochen wird.

Das Bruderduell mag kurios sein, ein Zufall ist es nicht, denn beide Trainer sind besonders akribische Arbeiter. Sie haben das von ihrem Vater, der auf der Website der 49ers als "passionierter Patriarch" bezeichnet wird. Jack war selbst Trainer und verdonnerte die Söhne schon als Kinder dazu, Spielzüge seiner College-Mannschaft zusammenzuschneiden. Als Trainer sind Jim und John wertkonservativ geworden: Das Spiel muss dem Gegner wehtun, das Individuum steht zurück. "Das Team, das Team" - so lautet das Motto von beiden.

Der eine wütend, der andere ruhig

Jim, 49, Trainer der San Francisco 49ers, und der 15 Monate ältere John sehen sich auch recht ähnlich. Für den Fernsehzuschauer werden sie trotzdem gut zu unterscheiden sein: Jim wird oft wütend, wenn er eine Schiedsrichterentscheidung anzweifelt. John steht meist ruhig am Rand und wirkt immer so, als ob er noch einen Trumpf im Ärmel hätte. "Also, was gibt's?", fragt er die Journalisten zu Beginn der Pressekonferenz.

"War's das schon?", sagt hingegen ein etwas vergeistigter Jim an Ende einer Sitzung - er war in Gedanken immer noch dabei, die Vorzüge seiner Spieler aufzuzählen. Er tut dies gerne, selbst wenn er gar nicht danach gefragt wurde. Aus seiner Kindheit gibt es die Anekdote, dass sich Mitschüler beim Lehrer über ihn beschwert haben, weil er im Sport immer so ernst sei.

Doch Jim hat seinem Team absoluten Respekt antrainiert, trotz oder wegen riskanter Entscheidungen. Als Colin Kaepernick mitten in der Saison zum "starting quarterback" wurde und Alex Smith verdrängte, gab es viel Kritik. Jim Harbaugh spiele mit dem Feuer, hieß es. Bruder John machte einen fast noch radikaleren Schnitt. Drei Spieltage vor Ende der Punkterunde feuerte er Cam Cameron, den Co-Trainer für die Offensive. Die Ravens verloren danach zwei weitere Spiele, doch John war sicher, das Richtige getan zu haben.

Jim und John - beide besitzen die Stärke, ihre Entscheidungen keine Sekunde lang anzuzweifeln. Und beide passen ihre Taktik den Spielern an, die sie haben. Was wiederum die Super Bowl Nummer 47 so interessant macht: Die 49ers mit ihrer innovativen "pistol formation", in der Quarterback Kaepernick mal als Quarter- mal als Runningback agiert. Auf der anderen Seite die Ravens mit Abwehrspielern von der alten Schule und in der Offensive mit einer Mischung aus weiten Pässen und solidem Laufspiel.

Erst am Spieltag, im Stadion, wird sich noch ein anderes Thema aufdrängen: die Stadt New Orleans. Der renovierte Superdome war einst Herberge für Verletzte und Obdachlose nach der Katrina-Katastrophe von 2005. Der Sieg der New Orleans Saints vor drei Jahren, sagen viele, hat zumindest mental mehr bewirkt als das aktuelle Finale daheim. Dabei ist den meisten egal, wer diesmal gewinnt, obwohl die angesagte Farbe des Mardi-Gras-Schmucks in den Straßen leicht als das Lila der Baltimore Ravens durchgehen könnte.

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