Streit zwischen Mancini und Balotelli:Noch 100 Chancen für den Querulanten

Streit Mancini - Balotelli

Forza, Italia! City-Trainer Roberto Mancini packt seinen renitenten Stürmer und Landsmann Mario Balotelli am roten Trainingsleibchen.

(Foto: Paul Cousans/Zenpix)

Nach dem heftigen Trainings-Zoff zwischen Trainer Roberto Mancini und Mario Balotelli bleibt eine Strafe für den Spieler aus. Der Streit-Versöhnung-Streit-Zyklus geht also weiter - bei Manchester City versteht nicht jeder, warum Mancini seinen renitenten Stürmer schützt.

Von Raphael Honigstein, London

Im Trainingszentrum von Carrington war die Stimmung am Freitagmorgen hervorragend. Man-chester-United-Boss Alex Ferguson amüsierte sich über die neuesten Zwistigkeiten bei den nur 1000 Meter weiter nördlich angesiedelten Rivalen von Manchester City.

Englische Paparazzi hatten dort am Vortag ein italienisch-italienisches Gerangel zwischen Trainer Roberto Mancini und dem ewigen Problemstürmer Mario Balotelli abgelichtet. "Wir hatten eine Zeit lang auch Probleme mit Fotografen in den Wäldern", sagte tags darauf der Schotte Ferguson lachend, "aber seit wir dort Wölfe ausgesetzt haben, kommt niemand mehr."

Das war natürlich ein Witz. Tatsächlich aber hat Sir Alex, 71, vor einigen Jahren höchstpersönlich das Fällen eines Baumes verordnet, von dem aus die Übungseinheiten der Red Devils von United fotografiert werden konnten. "Keep those fuckers from the media out", wies Ferguson die Mitarbeiter laut seines Biografen Daniel Taylor an. Das "Trafford Training Centre" ist daher mittlerweile komplett gegen neugierige Blicke der Reporter und Fans abgeriegelt.

Manchester City dagegen hat den Nachteil, dass die Profis direkt neben einem öffentlich Fußpfad trainieren. Höhere Mauern hat das Planungsreferat der örtlichen Behörde verboten, über die vom Scheich-finanzierten Verein aufgehängten Planen knipsen die Fotografen einfach munter hinweg - mit Hilfe von Stehleitern.

Balotelli ist ihr Lieblingsobjekt. Nach seinem Wechsel von Inter Mailand zu City im Sommer 2010 wurde der 22-Jährige bereits drei Mal bei handgreiflichen Streitereien mit Kollegen erwischt, zuletzt sollen einige Redaktionen frisches Material sogar mit dem Hinweis auf den geringen Neuigkeitswert abgelehnt haben.

Die Bilder vom Donnerstag taugten jedoch zu einer Sensation: Ein wütender Mancini ging seinem skandalumwehten Spieler an den Kragen, Mitarbeiter des Trainingsstabs hielten die Kontrahenten zurück. Der Geduldsfaden des Coaches schien endgültig gerissen zu sein, Balotelli vor dem Aus beim englischen Meister zu stehen.

Mancini redet den Streit klein

Am Freitag redete Mancini den Vorfall dann allerdings klein. "Ich habe für ein, zwei Sekunden die Beherrschung verloren, es ist schon wieder vergessen", sagte der 48-Jährige, "es war nicht so schlimm, wie es aussah." Er habe Balotelli nach einem Tritt gegen Mitspieler Scott Sinclair vorzeitig in die Umkleide geschickt, erzählte er, doch der habe sich geweigert: "Ich habe ihn am Hemd gepackt, gekämpft haben wir nicht. Diese Dinge passieren. Zwischen mir und ihm hat sich nichts verändert."

Der Streit-Versöhnung-Streit-Zyklus geht also weiter. Nirgendwo ist derzeit Fußball so sehr eine Seifenoper wie bei dem hellblauen Star-Ensemble von City. Erst vor zwei Wochen musste Balotelli wegen Disziplinlosigkeiten in der Vorsaison - insgesamt zwölf Wochen Sperre - 419.000 Euro Strafe zahlen, die Summe von zwei Wochengehältern. Er wollte deshalb ursprünglich vor ein Arbeitsgericht ziehen, sein Einlenken wurde als Zugeständnis an Mancini und die vom "Balo"-Rummel gehörig genervten Mitspieler gewertet.

"Die Zeit der billigen Worte ist vorbei, ich verlange Ernsthaftigkeit und Hingabe im Training von ihm", sagte Mancini zuletzt. Einen Verkauf Balotellis im Januar schließt er aus. Scheich Mansour, der Besitzer des Vereins, würde Balotellis Talent anerkennen und sich an der weltweiten Aufmerksamkeit erfreuen, die der Italiener garantiere, berichtete der Coach.

Balotellis jüngster Ungehorsam habe keine Auswirkung auf dessen Zukunft, fügte Mancini am Freitag hinzu. "Er bekommt noch 100 Chancen von mir, wenn er sich verändert", sagte der frühere Lazio-Stürmer.

Im Verein versteht nicht jeder, warum der im Umgang mit anderen Angestellten äußerst unnahbare Mancini Balotelli weiter protegiert. Nach dem Aus in der Champions-League-Vorrunde und angesichts von sieben Punkten Rückstand in der Liga auf United hat er eigentlich dringendere Probleme, als den von Trainer José Mourinho einst als "untrainierbar" beschriebenen Querulanten zu domestizieren.

Mancini selbst scheint das langsam zu erkennen. Doch so lange der Kindskopf dem Scheich gefällt und es keine echten Interessenten für einen Transfer gibt, muss er mit Balotelli irgendwie zusammen arbeiten. Sportlich ist er allerdings schon ein deutliches Stück von ihm abgerückt. Seit der in dieser Saison enttäuschende Balotelli (ein Ligator) beim 2:3 gegen United im Dezember auflaufen durfte, stand er nicht mehr in der Startelf.

Ob er am Samstag im Pokal gegen Watford zum Einsatz kommt, ließ Mancini offen. Die Paparazzi stört das wenig, sie wissen: Die nächste Folge dieses Männer-Beziehungsdramas kommt bestimmt.

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