Streit bei 1860 München:Spiel auf Zeit

Der Machtkampf beim Zweitligisten 1860 München spitzt sich zu. Investor Hasan Ismaik nimmt offenbar die Insolvenz des e. V. in Kauf - und hat damit ein mächtiges Druckmittel gegen die Vereinsseite gefunden. Das Projekt 1860 München befindet sich in einer ganz kritischen Phase.

Gerald Kleffmann und Philipp Schneider

Die Szene in der Halbzeitpause sprach Bände: Auf der einen Seite des Ehrengastbereichs in der Arena stand Dieter Schneider, der 1860-Präsident, und erklärte Reportern, dass er nichts sagen könne; es ging um den Machtkampf im Klub. Auf der anderen Seite, wenige Meter entfernt, plauderten Hasan Ismaik und sein Statthalter Hamada Iraki mit Fredi Heiß, dem Meisterlöwen.

TSV 1860 Muenchen - Eintracht Frankfurt

Auf Stippvisite in München: 1860-Miteigentümer Hasan Ismaik (rechts im Bild, mit seinem Statthalter Hamada Iraki).

(Foto: dapd)

"Ismaik hat mir gesagt, er wolle auch so eine Meisterschaft wie 1966 mit den Löwen erleben", berichtete Heiß später. Er habe geantwortet: "Ob wir alle dann noch leben?" Dann lösten sich die Gruppen auf, Ismaik und Iraki entschwanden nach links, Schneider nach rechts. Wie Fremde wirkten die Hauptdarsteller. Und das sind sie ja auch nach Lage der Dinge.

Sechs Monate nach dem Einstieg des ersten arabischen Investors im deutschen Fußball befindet sich das Projekt in einer ganz kritischen Phase. Auch der Besuch des jordanischen Geschäftsmanns am Samstag, der mit privatem Tross angereist war und den 2:1-Sieg der Löwen gegen Eintracht Frankfurt verfolgt hatte, brachte die Eigentümer nicht näher zusammen.

Schneider als Kopf der Klub-Fraktion und Ismaik als Kopf der Investorenseite ringen nach wie vor zäh um Gestaltungsfragen, ein Streitpunkt bringt nun eine neue Schärfe in die Auseinandersetzung: Der e. V. hat Probleme mit dem Finanzamt, und diese Probleme könnten Ismaik/Iraki in die Karten spielen, um Schneider loszuwerden und die Machtfrage für sich zu entscheiden.

Hintergrund der Finanzamt-Problematik ist ein mutmaßlicher Verstoß des Klubs gegen die Gemeinnützigkeit. Die Steuerbehörde wertet offenbar einen Teil, den der e.V in den vergangenen Jahren an die KGaA abgeführt hat, als verdeckte Gewinnausschüttung. Der e. V. hatte etwa der Profifußballabteilung beim Bau des Nachwuchsleistungszentrums geholfen. Um die Lage ins Lot zu bringen, könnte 1860 das Gebäude, in dem sich das Jugendinternat befindet, in den e. V. zurückführen.

Iraki wie auch 1860-Geschäftsführer Robert Schäfer haben abgelehnt, diesem Rettungsmodell zuzustimmen. Wohlwissend, dass der e. V insolvent gehen könnte, wenn keine Lösung gefunden wird. Fakt ist: Der Verein benötigt die Unterschrift des Geschäftsführers der KGaA. Theoretisch könnte der e. V., der im Gegensatz zu Ismaik über ein Weisungsrecht verfügt, den Geschäftsführer dazu zwingen, den Vertrag zu unterzeichnen. Doch Schäfer weigert sich, er beruft sich darauf, dass er sich strafbar mache, würde er einen Vertrag unterschreiben, der bei der Tochter finanziellen Schaden anrichtet. Und genau zu diesem Ergebnis ist wiederum ein von der Investoren-Seite beauftragter Finanz-Gutachter gekommen.

Zwischenzeitlich sah es so aus, als hätten sich die Lager tatsächlich fast geeinigt. Vor zwölf Tagen jedoch verfasste Iraki in einem öffentlichen Schreiben unter anderem dies: "Mich wundert, dass das Finanzamt seit Jahren so geduldig mit diesem Thema (Problem der Gemeinnützigkeit; d. Red.) umgeht und umgegangen ist." Nach dieser bewusst platzierten Aussage wundert es nicht, dass der TSV 1860 München nun offenbar noch einmal beim Finanzamt vorsprechen muss. Es scheint, als sei die Behörde gezielt scharf gemacht worden.

Am Ende doch ein Insolvenzverfahren?

Ob der Investmentbanker Iraki genau dies beabsichtigte, ist vorerst nicht zu ermitteln, er teilte mit: "Ich spreche nicht mit der Presse, ich kommuniziere nur über Stellungnahmen." Klar ist aber: Sollte der e. V. mit dem Finanzamt zu keiner Lösung kommen, wäre der Weg in ein Insolvenzverfahren nicht mehr allzu fern. Und, gut für Ismaik/Iraki/Schäfer: Das Präsidium um Schneider wäre in einem solchen Fall nicht mehr zu halten.

Offenbar spekuliert die Investoren-Seite darauf, dass sie eine handlungsfähige KGaA aufrechterhalten kann, selbst wenn der e. V. befristet von einem Insolvenzverwalter vertreten wird. In Deutschland benötigt jeder Fußballklub für das Lizenzierungsverfahren einen Verein als Basis. Im Falle eines Insolvenzverfahrens, das zur Sanierung führen soll, würde 1860 nicht aus dem Vereinsregister entfernt.

Auch wäre die Gemeinnützigkeit wohl nicht verloren, sondern allenfalls bis zum Sanierungsabschluss aberkannt. Und so wird eine verweigerte Unterschrift unter die so dringlich benötigten Verträge zu einem Instrument der Macht. Welche Forderungen auch der Investor gegenüber dem e. V. durchdrücken möchte: Er hat ein mächtiges Druckmittel gefunden - und spielt offensichtlich mit Kalkül auf Zeit.

Den Ehrenamtler Schneider für das Finanzamt-Problem verantwortlich zu machen, greift indes zu kurz. Auch Iraki kann sich keiner Verantwortung entziehen. Bevor Ismaik bei den Löwen einstieg, ließ er eine Due Diligence durchführen, er prüfte alles bei 1860, jede Zahl, jeden Fakt. Im Jahresabschluss 2009/2010 wurde sogar explizit auf das Problem hingewiesen, es war definitiv kein Geheimnis: "Als wesentliches steuerliches Risiko sieht die Geschäftsführung die Verrechnung der gegenseitigen Leistungen mit dem gemeinnützigen Mutter-Verein an.

Im Rahmen der laufenden Betriebsprüfung wird dieser Sachverhalt geklärt, um zukünftig die steuerlichen Auswirkungen aus den Verrechnungen steuern und durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag fixieren zu können. Den übrigen erkennbaren Risiken aus der laufenden Betriebsprüfung ist durch die Bildung einer Rückstellung Rechnung getragen." Unterzeichnet wurde der im Internet einsehbare Abschluss von KGaA-Geschäftsführer Robert Schäfer - Datum: "München, den 4. März 2011."

87 Tage später unterzeichnete Ismaik den Kooperationsvertrag mit 1860.

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