Spitzensport-Studie:Manipulation als größter Sündenfall

'Fakt': Mehr Zweitligapartien als bislang angenommen von Wettskandal betroffen

Ergebnis der Spitzensport-Studie: Manipulation im Sport schockiert Publikum mehr als Doping

(Foto: dapd)

Das Fehlverhalten von Sportlern und Funktionären hat überraschende Auswirkungen auf das Publikum, wie eine Studie zeigt. Demnach verzeiht es Doping eher als Manipulation.

Von Johannes Aumüller

An diesem Wochenende treffen sich in Dortmund die deutschen Leichtathleten zu ihrer nationalen Meisterschaft. Es geht dann natürlich wieder um Siege und Platzierungen, doch daneben dürfte auch ein sportpolitisches Thema diese Veranstaltung prägen. Viele der Starter sind Kader-Athleten und haben an einer Studie teilgenommen, deren Ergebnisse die Sportwelt seit einigen Tagen mächtig in Bewegung bringen.

Unter dem etwas sperrigen Titel "Dysfunktionen des Spitzensports" hat der Kölner Wissenschaftler Christoph Breuer die Befragung von 1154 deutschen Top-Athleten ausgewertet und alarmierende Daten vorgelegt: Viele Teilnehmer berichteten von Existenzängsten und enormem Druck aus dem Umfeld und erklärten, unter depressiven Erkrankungen zu leiden (9,3 %), regelmäßig zu Dopingmitteln zu greifen (5,9 %) oder schon an Absprachen über den Wettkampfausgang beteiligt gewesen zu sein (8,7 %). Jeweils zuzüglich einer wahrscheinlich nicht geringen Dunkelziffer, zumal längst nicht alle diese Fragen beantworteten.

Schon in der Vergangenheit hat es diverse Studien zum Fehlverhalten von Athleten gegeben; doch nun liegen dank dieser von der Deutschen Sporthilfe (DSH) in Auftrag gegebenen Studie wissenschaftlich so dicht wie noch nie die Schattenseiten des stets so glänzenden Sportbetriebs vor. Umso verblüffender waren die Reaktionen der Funktionäre: Nur einige wenige bekunden ihre ernste Besorgnis, viele andere stellen die Studie infrage, relativieren sie oder lenken ab.

Auch ging in der Debatte mancher Fakt der Studie unter - beginnend bei der Frage, um wen es sich bei den 1154 Teilnehmern überhaupt handelte. Darunter waren nämlich keine professionellen Fuß-, Basket- und Handballer, werder Tennis- noch Eishockeyspieler, keine Golfer und auch keine Mitglieder des chronisch dopingverseuchten Radsport-Pelotons. Angefragt wurden beim Start der Studie vor einem Jahr ausschließlich jene zirka 3800 Athleten, die von der Deutschen Sporthilfe eine Förderung bekommen, also die typischen Olympia-Teilnehmer von Leichtathletik bis Rudersport, von Eisschnelllauf bis Fechten, die in ihrer Disziplin Mitglied in einem der Leistungskader sind.

Einen spannenden Aspekt klärt die Studie in diesem Kontext allerdings nicht, nämlich die Antwort auf die naheliegende Frage: In welchen Sportarten und in welchen Kadern kommen der Dopinggebrauch und die Wettkampfmanipulation denn besonders häufig vor? Wegen der für diesen Teil der Studie gewählten Frage- und Auswertungstechnik liegen dazu überhaupt keine Daten vor.

Keine gute Nachricht für die Verantwortlichen

"Bei solchen Fragen kann die soziale Erwünschtheit eine große Rolle spielen, weswegen es zu verzerrten Ergebnisse kommen kann", begründet Breuer diese Entscheidung. Ein Sprecher der Sporthilfe erklärt, dass dieser Aspekt auch nicht zum Aufgabenprofil der Studien-Autoren gezählt habe.

Zu den bemerkenswerten Befunden der Arbeit zählt auch, dass die Bevölkerung die Vergehen der Sportler unterschiedlich bewertet. In die Studie flossen nämlich nicht nur die Antworten von den Athleten der Deutschen Sporthilfe, sondern auch etwas mehr als 2000 Interviews mit Normal-Bürgern ein. Ein zentraler Punkt dieses Teils: Bei der Bevölkerung sinkt die Förder- und Spendenbereitschaft bei Wettkampfabsprachen deutlich stärker als bei Doping.

Zugespitzt ausgedrückt: Sollte das Publikum wissen, dass im 100-Meter-Sprint alle Starter gedopt sind, fände es das weniger schlimm als wenn es wüsste, dass der Sieger bereits vor dem Startschuss feststeht. Studienautor Christoph Breuer erklärt das so: "Sportökonomisch ist Doping nicht so ein Problem wie Manipulation, weil der Grundsatz, gewinnen zu wollen, nicht auf den Kopf gestellt wird, bei der Manipulation hingegen schon."

Für die Verantwortlichen des Sports ist das keine gute Nachricht. Wenn sie derzeit über Ergebnismanipulation sprechen, dann stets nur im Zusammenhang mit jenen dubiosen Wettsyndikaten im fernen Asien; nicht jedoch über die ebenfalls weit verbreiteten brancheninternen Absprachen.

Für Breuer jedoch ist dieser Aspekt zentral, wenn es um mögliche (und angestrebte) Folgeuntersuchungen geht. "Es gibt einige Maßnahmen bei psychischen Problemen und es gibt einige Maßnahmen bei der Dopingprävention, aber es wird zu wenig über Manipulationen gesprochen, da sollten wir uns bald drum kümmern", sagt er.

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