Spitzen gegen Formel-1-Weltmeister Vettel:Alonso setzt das vergiftete Duell fort

Fernando Alonso attackiert Sebastian Vettel übers Finale hinaus: Er stichelt gegen den Weltmeister, sein Rennstall Ferrari fordert in einem Brief die Regelhüter auf, sich eine Szene des Großen Preises von Brasilien noch einmal genau anzuschauen. Das alles zeigt: Diese Auseinandersetzung wird die Formel 1 weiter prägen.

Von René Hofmann

Formel 1 - GP USA

Zwei Desperados in der Formel 1: Sebastian Vettel und Fernando Alonso.

(Foto: DPA)

An diesem Freitag wurde es offiziell. Fünf Tage nach dem dramatischen Finale der Formel-1-Saison in São Paulo teilte der Automobilweltverband FIA mit, einen Brief erhalten zu haben. Der Brief war in Maranello/Italien aufgegeben worden. Mit dem Schreiben wurden die Regelhüter aufgefordert, sich eine Szene des Großen Preises von Brasilien noch einmal genau anzuschauen.

Die Szene bezog sich auf ein Überholmanöver von Sebastian Vettel in der vierten Runde von insgesamt 71. Nachdem Vettel wegen einer Kollision ans Ende des Feldes gefallen war, kämpfte er sich durchs Feld zurück. Zwischen den Kurven drei und vier überholte er Toro-Rosso-Fahrer Jean-Eric Vergne. Was für Unklarheit sorgte: Nach dem Rennen waren Mitschnitte der Cockpit- Kamera aufgetaucht, die suggerierten, Vettel habe bei dem Manöver eine gelbes Licht am Streckenrand missachtet.

Gelbe Signale mahnen die Fahrer zur Vorsicht. Werden sie gezeigt, herrscht Überholverbot. Wird ein solches ignoriert und die Regelhüter erkennen dies, wird der Fahrer mit einer 20-Sekunden-Strafe bedacht. Eine solche Strafe - nachträglich verhängt - hätte Vettel im Rennklassement vom sechsten auf den achten Platz rutschen lassen. Bei diesem Resultat wäre nicht er Weltmeister geworden, sondern Ferrari-Fahrer Fernando Alonso. So aber wird es nicht kommen.

Die FIA hat ein Rückschreiben nach Maranello aufgegeben, in dem steht: An Vettels Manöver war alles korrekt. Weil dies so war, hatte es auch während des Rennens keine Ermittlungen gegeben. Die Irritationen kamen auf, weil den Fahrern die Signale nicht nur über die Lichter übermittelt werden.

Es gibt auch Streckenposten, die entsprechende Flaggen schwenken. Bei Vettels Manöver gegen Vergne hatte einer dieser Marshalls, der vor dem Gelb-Licht postiert war, eine grüne Flagge geschwenkt. Vettel zog also legal vorbei. Deshalb, so die FIA am Freitag, gebe es gar keinen Fall, den sie untersuchen könnte. Vettel bleibt Weltmeister, Alonso Zweiter.

Damit ist der Vorgang abgeschlossen, wirklich zu Ende aber ist er vermutlich nicht. Der Vorfall ist das letzte Beispiel dafür, wie intensiv die Auseinandersetzung um den WM-Titel in diesem Jahr geführt wurde und ein Hinweis darauf, dass dieses besondere Gegeneinander auch in Zukunft so manche Fortsetzung erleben dürfte.

Ablenkungsmanöver ohne Rücksicht

Dass die WM mit dem Finale nicht direkt entschieden ist, hat es schon häufig gegeben. 2007 wurde Ferrari-Fahrer Kimi Räikkönen nach dem letzten Rennen nur vorläufig als Champion gekrönt. Weil in etlichen Autos kälteres Benzin als erlaubt gefunden worden war, galten die Ergebnisse nur unter Vorbehalt, bis auch der letzte Einspruch abgewiesen war.

Damals hatte die FIA von sich aus die Beweisaufnahme aufgenommen. Dieses Mal liegt der Fall offenbar anders. Alonso selbst hatte den ersten Hinweis gegeben, dass Ungemach für Vettel aufziehen könnte. Am Dienstag, zwei Tage nach dem Rennen, hatte er über den Internet-Kurzmitteilungsdienst Twitter die Botschaft gesendet: "Ich brauche keine Wunder, ich mache meine Wunder mit richtigen Gesetzen." Als die Videobilder von Vettels Manöver im Internet auftauchten, dauerte es nicht lange, bis die spanischen Medien Alonso zur Seite sprangen und einen öffentlichen Druck entwickelten, dem sich wohl auch Ferrari nicht entziehen konnte.

Der traditionsreichste Rennstall hat in der Vergangenheit schon häufig demonstriert, dass er auf der Strecke vor keinem Trick und keiner Teamorder zurückschreckt, um seinen Fahrer Nummer eins in die bestmögliche Position zu bringen. Unter Alonsos Führung hat sich dieses Gebaren in diesem Jahr auch jenseits der Rennstrecke fortgesetzt. Bestes Beispiel für den Kulturwandel ist das Twitter-Foto, das vor dem vorletzten Rennen in Austin in Umlauf kam: Alonso und Teamkollege Felipe Massa in voller Teammontur, mit je einem Paintball-Gewehr im Anschlag, dazu die Botschaft - "bereit für die letzten zwei Rennen. Hahaha".

Auf den ersten Blick mag das wie eine Kinderei wirken. Das ist es aber nicht. In der Formel 1 wird penibel auf die Außenwirkung geachtet. Und die beiden repräsentieren immerhin so namhafte Firmen wie Fiat, Shell und Santander. Die Botschaft dokumentiert vor allem eines: Wie entschlossen Alonso ist, seine Mittel durchzusetzen - und dass er dafür auf niemanden sonst Rücksicht nimmt. Ähnlich hatte er einst auch bei McLaren agiert, weshalb die Liaison nach einem Jahr schon wieder auseinanderging.

Weil der 31-Jährige in der zweiten Hälfte der Saison 2012 eindeutig nicht das schnellste Auto hatte, ging er auf anderem Geläuf zum Angriff über - offensichtlich mit dem Ziel, den sechs Jahre jüngeren Vettel in Fehler zu treiben. Wenig verklausuliert spricht Red-Bull-Teamchef Christian Horner von "Ablenkungsmanövern", auf die Vettel sich löblicherweise nicht eingelassen habe.

Dass das Duell in diesem Stil weitergehen wird, liegt nahe. Alonso ist noch bis 2016 an Ferrari gebunden. Sein Revier ist markiert. Vettels aktueller Kontrakt bei Red Bull gilt bis Ende 2014. Nach Lage der Dinge wird er Alonso nicht nahe kommen wollen. Nach Vettels Titelgewinn hatte der Spanier zwar kurz gratuliert, anschließend aber nur über die eigene Leistung geschwärmt. Und am Donnerstag dieser Woche twitterte er dann gleich die nächste Provokation: ein Foto eines Kuchens, der ihm geschenkt wurde. Aufschrift: "Glückwunsch dem Champion."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: