Ronnie O'Sullivan:Der Weltmeister, der auch ohne Sport leben kann

Ronnie O'Sullivan: Fünfter WM-Titel für Ronnie O'Sullivan.

Fünfter WM-Titel für Ronnie O'Sullivan.

(Foto: AFP)

Nach einem Sabbatjahr kehrt Ronnie O'Sullivan auf die Snooker-Tour zurück - und gewinnt prompt den WM-Titel. Doch erneut kokettiert der Engländer mit seinem Abschied.

Von Carsten Eberts

Die Zuschauer im Crucible Theatre johlen, doch Ronnie O'Sullivan ist froh, dass es vorbei ist. Vier, fünf Mal reckt er seine Faust in die Luft, danach ist er wieder in sich gekehrt. 18:12 hat O'Sullivan soeben das Finale gegen Barry Hawkins gewonnen und sich seinen insgesamt fünften WM-Titel gesichert. Es ist eine der größten Leistungen der Snooker-Geschichte - schließlich hat O'Sullivan zuvor ein volles Jahr pausiert.

O'Sullivan wirkt erschöpft. Er habe sehr viel Druck verspürt, sagt der Engländer fast entschuldigend: "Ich bin keine Maschine. Mit all diesen Emotionen umzugehen, fällt mir schwer." Erst als sein kleiner Sohn die Treppen des Crucible Theatres hinunter getapst kommt, lächelt er gelöster. Dann verzieht er sich schnell zurück in die Katakomben.

Niemand wusste, wie er in Form sein würde bei seinem Comeback. Auch O'Sullivan, 37, nicht. Nach seinem WM-Titel im vergangenen Jahr hatte er sich eine Auszeit erbeten, monatelang so gut wie nicht trainiert, nur manchmal im Haus seiner Mutter ein paar Bälle gespielt. Bei einem einzigen kleinen PTC-Event trat er an - und verlor prompt in der ersten Runde.

Ausgelaugte Kollegen

Nun dieser Durchmarsch bei der WM in Sheffield. 10:4 gegen Marcus Campbell, 13:8 gegen Ali Carter, 13:4 gegen Stuart Bingham, 17:11 im Halbfinale gegen Judd Trump. Nicht einmal gerät "The Rocket", wie ihn seine Fans nennen, in fünf Partien ernsthaft in Gefahr. Er wählt die richtige Dosis Risiko, schafft die meisten Century Breaks, zermürbt die Gegner mit seinem brillanten Safety-Spiel.

"So leicht, wie Ronnie es aussehen lässt, das ist beängstigend für alle anderen Spieler", sagt Finalgegner Hawkins voller Anerkennung. Bei seinem Comeback nach seinem Sabbatjahr gewinnt O'Sullivan nicht irgendein kleines Snooker-Turnier in einem stickigen Pub in Südostwales. Sondern gleich die Weltmeisterschaft.

Vielleicht ist seine Karriere trotzdem bald vorbei, diesmal endgültig. Das ganze Turnier lang wurde diskutiert, ob O'Sullivan nur für einige wenige Auftritte zurückgekehrt ist. O'Sullivan füttert die Gerüchte mit den passenden Zitaten. Lässt keinen Zweifel daran, dass ihm der ganze Zirkus zuwider ist. "Ich will kein Star sein, nicht im Fernsehen erscheinen und auch kein Millionär sein", sagte O'Sullivan zu Turnierbeginn. Es sei das "Licht am Ende des Tunnels, dass ich danach nicht weiter machen muss." Er habe in seiner Auszeit realisiert, dass er seinen Sport überhaupt nicht vermisse.

Der Blick auf die ausgelaugten Kollegen dürfte ihn bestärken. Schon früher hatte O'Sullivan den eng getakteten Tourplan kritisiert; bei der WM sind zahlreiche Favoriten kaum wiederzuerkennen. Der Weltranglistenerste Mark Selby gibt an, er sei völlig ausgepowert. "Ich habe keinen Schwung, keine Energie", klagt Selby. Bereits im Achtelfinale scheidet Selby aus. Für John Higgins und Matthew Stevens ist noch zeitiger Schluss.

"Ich will einfach nur nach Hause"

O'Sullivan hingegen trifft am Tisch oft die richtigen Entscheidungen. Er wirkt frisch, hat sich auch lange genug erholt. Zuvor war er ins Privatleben abgetaucht, ging häufig joggen, jobbte auf einem Bauernhof in der Nähe von Essex, mistete Ställe aus, reparierte Zäune. Mistgabel statt Queue.

O'Sullivan war schon immer anders als die anderen. Einerseits ein Genie, das das Spiel wie kein anderer interpretierte, das in nur fünf Minuten und 20 Sekunden das schnellste "Maximum Break" aller Zeiten auf den Tisch zauberte. Anderseits ein echter Kotzbrocken, bekannt für sein loses Mundwerk. Seit seiner Kindheit leidet er an Depressionen; in den vergangenen Jahren bekam er die Krankheit besser in den Griff. Vor allem die Arbeit mit seinem Psychologen tut ihm gut. Gleich nach seinem Sieg am Montagabend dankt er Steve Peters, seinem Therapeuten. "Ohne dich hätte ich es nicht geschafft", sagt O'Sullivan.

Schlechte Laune am Snookertisch

Seine häufig schlechte Laune hat er sich allerdings bewahrt. Von ihr macht O'Sullivan auch bei dieser WM Gebrauch. Er grummelt sich mehr an den Tisch, als dass er geht. Im Halbfinale gegen Trump reibt er sich nach einem schlechten Stoß das Queue so kräftig zwischen den Beinen, dass er von Schiedsrichterin Michaela Tabb eine Verwarnung kassiert. "Oh, mein Gott. Ich will einfach nur nach Hause", stöhnt O'Sullivan.

Neun Turniere muss O'Sullivan nach dieser WM noch spielen, so lange ist er vertraglich gebunden, so hat er es seinen Sponsoren versprochen. Es wird erwartet, dass er die großen Auftritte auf der Main-Tour meidet, lieber kleinere Events spielt, wo nicht so viel Trubel ist.

Allerdings könne es auch sein, dass er weitermacht. Er habe die Schulgebühren seiner Kinder für die vergangenen zwei, drei Semester noch nicht bezahlt, sagt O'Sullivan. Auch habe er eine sechsstellige Summe an Anwaltskosten angehäuft. Deutlich über sieben Millionen Pfund an Preisgeld hat er in seiner Karriere eingespielt. In Sheffield kamen am Montagabend noch einmal 250.000 Pfund dazu.

O'Sullivan sagt, er wisse selbst nicht wo das ganze Geld hingegangen sei. Auch sagte er nicht, ob sein fünfter Sieg im Crucible Theatre tatsächlich sein letzter gewesen ist. Niemand weiß das. Wahrscheinlich nicht einmal Ronnie O'Sullivan selbst.

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