Ski alpin:Österreichs Angst vor Ted Ligety

Im Februar wollen die Österreicher die alpine Ski-WM im heimischen Schladming dominieren. Nach dem beeindruckenden Saisonauftakt von Ted Ligety plagt sie die Angst, dass ihnen der US-Amerikaner dort ebenfalls davonfahren könnte.

Michael Neudecker

Ted Ligety

Seine Dominanz wird nicht nur in Österreich gefürchtet: Skifahrer Ted Ligety.

(Foto: AP)

Ted Ligety ist ein bisschen Tiefschnee gefahren am Montag, dann ist er im Hubschrauber nach Salzburg geflogen, er war dort Gast in einer Fernsehsendung, am Dienstag ist er zurückgeflogen nach Sölden, er wird da nun ein paar Tage bleiben, um zu trainieren. Er sei entspannt, heißt es aus dem Skiteam der Amerikaner, was nicht überraschend ist, Ted Ligety ist ein grundentspannter Typ, er trägt Flipflops auch im Winter. Er kann sich die Entspannung leisten: Die Konkurrenz sucht ja immer noch nach einer Erklärung.

Eine Erklärung? Schwierig, sagen zum Beispiel die Österreicher. "Er gibt uns zu denken", sagt Marcel Hirscher. "Im ersten Moment ist das ein bisschen schockierend", sagt Benjamin Raich. "Jetzt heißt's recherchieren und forschen", noch mal Hirscher, und schließlich Hannes Reichelt: "Das lassen wir nicht auf uns sitzen."

"Für mich war das auch eine Überraschung", sagt Ted Ligety. Er grinst.

Ligety hat ja den Saisonauftakt in Sölden nicht einfach nur gewonnen - er hat die Konkurrenz deklassiert, in einer Art, wie sie selten zu sehen ist.

2,75 Sekunden vor dem Zweitplatzierten Manfred Moelgg aus Italien, 3,12 Sekunden vor dem Dritten Hirscher, und bei Raich, dem Achten, waren es schon fast vier Sekunden. Ein so großer Vorsprung zwischen dem Ersten und dem Zweiten wurde zuletzt 1979 gemessen, damals gewann Ingemar Stenmark, aber damals gab es noch keine Carving-Skier. In der Gegenwart des Skirennsports sind fast drei Sekunden zwischen dem Ersten und Zweiten eigentlich gar nicht möglich. "So etwas", sagt dann auch Ted Ligety, "passiert nur einmal in deiner Karriere."

Der Ted, sagt Hirscher, "ist unerreichbar im Moment", er schüttelt den Kopf, "der Ted ist unglaublich". Und: Man müsse sich bei ihm "bedanken, weil er den Skisport einen Schritt vorangebracht hat".

Gewiss, Hirschers Worte fielen in der Ratlosigkeit direkt nach dem Rennen, aber auch mit dem Abstand von ein paar Tagen ändert sich daran nichts. Ted Ligety hat der Branche ein Rätsel mit nach Hause gegeben, das sie noch lange beschäftigen wird, mindestens bis zum nächsten Riesenslalom Ende November in Beaver Creek.

Intensives Training auf neuen Skiern

Die neuen Riesenslalom-Skier, das war das dominierende Thema der vergangenen Monate im Skirennsport, es war Ted Ligetys Thema. Er ließ keine Gelegenheit aus, den Skiweltverband Fis zu kritisieren, er sprach von "Tyrannei", wies darauf hin, dass die Bretter wegen ihrer geringen Taillierung den Sport zurückwerfen würden bis in Stenmarks Zeit, und natürlich stand er mit dieser Meinung nicht alleine da, im Gegenteil. In Sölden hat er seine Meinung zwar nicht geändert, er findet es noch immer bedenklich, "dass man nach 50 Sekunden so müde ist wie früher nach 90 Sekunden". Die Ironie aber, dass gerade der Chefkritiker des Materials damit den ganzen Sport auf eine neue Ebene hebt, die ist auch ihm nicht entgangen.

Audi FIS Alpine Ski World Cup - Men's Giant Slalom

Beim Saisonauftakt nicht zu schlagen: Ted Ligety fuhr in Sölden auf Platz eins.

(Foto: Getty Images)

Ted Ligety sieht es so: Die harte Kritik war ein Grund für das, was in Sölden passierte. Man könne nicht ständig die Skier kritisieren und dann damit hinterherfahren, das sähe nicht gut aus, sagt Ligety. Also hat er keine Gelegenheit ausgelassen, sich an die Skier zu gewöhnen, "ich habe wahrscheinlich mehr Kilometer damit in den Beinen als alle anderen", sagt Ligety. Und er habe, weil er wusste, wie sehr das neue Material den Körper beansprucht, im Sommer mehr Zeit als sonst im Kraftraum verbracht, und jetzt "bin ich körperlich besser in Form als je zuvor".

Schon im September des vergangenen Jahres, sagt Ligety, habe er die neuen Skier getestet, die nun in Sölden erstmals im Wettkampf verwendet wurden. Das heißt: von allen, offiziell. Ted Ligety hat sich ein erstes Modell des neuen Skis ja schon in Schladming im März angeschnallt, beim Weltcup-Finale. Im ersten Durchgang war ihm ein Fehler unterlaufen, dessentwegen er ohnehin keine Siegchance mehr gehabt hätte, also entschied er kurzerhand, das neue Material gleich im Wettkampf zu testen. Im zweiten Durchgang fuhr mit den damals noch nicht regelkonformen Brettern. Er fuhr Laufbestzeit.

Die Österreicher haben das registriert damals, sie haben auch viel trainiert im Sommer, haben sich auf die Materialumstellung vorbereitet, weshalb es nun um so ärgerlicher ist für sie, dass Ligety im Riesenslalom erneut der ist, der voran fährt. Ausgerechnet in diesem Winter, der im Zeichen der WM in Schladming steht; Schladming soll Maßstäbe setzen, sie bauen dort eine Tribüne für fast 30.000 Fans, sie wollen, dass die Welt Schladming nicht mehr vergisst. Wie aber soll die WM ein Erfolg für die Österreicher werden, wenn ihnen ein Amerikaner die Show stiehlt?

So weit allerdings ist es ja noch nicht. Noch sind vier Monate Zeit bis zur WM, und Mathias Berthold, der österreichische Cheftrainer, geht nicht davon aus, dass das mit Ligety jetzt ewig so weitergeht. "Das relativiert sich wieder", sagt Berthold. Außerdem hofft er, dass "die Jammerei" wegen der neuen Skier aufhört, Ligety habe doch bewiesen, dass man mit den neuen Skiern auch schnell fahren kann.

Zumindest, wenn man Ted Ligety ist.

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