Schwuler Fußballspieler Robbie Rogers:"Ich wünschte, er würde weiter spielen"

US soccer player comes out as gay

"Es ist an der Zeit, aufzuhören und mich selbst abseits des Fußballs zu entdecken": Robbie Rogers (in der Luft) beendet seine Karriere als Profi.

(Foto: dpa)

Er spielte in England und in der US-Auswahl unter Jürgen Klinsmann: Doch mit nur 25 Jahren beendet US-Auswahlspieler Robbie Rogers seine Karriere, nachdem er sich zu seiner Homosexualität bekannt hatte. Viele Reaktionen sind positiv - und zeigen doch, dass es weiterhin nicht einfach ist, schwul und Profifußballer zu sein.

Von Jürgen Schmieder

Wer sich ein Haus in den Hügeln von Palos Verdes leisten kann, hat einen wunderbaren Blick auf den Pazifischen Ozean und kann bis zur Insel Santa Catalina schauen. Hier, im Süden von Los Angeles, wohnen die Menschen, die es nicht mehr nötig haben, sich am Strand von Malibu, in Venice oder in Hollywood zu präsentieren.

Menschen, die ihre Ruhe haben wollen, die sich auch mal verstecken möchten. An diesem Ort ist Robbie Rogers aufgewachsen, jener amerikanische Fußballer, der sich lange Zeit hatte verstecken müssen und der sich am Freitag in einem Blogeintrag zu seiner Homosexualität bekannte.

"In den vergangenen 25 Jahren hatte ich Angst", schrieb Rogers in seinem Eintrag, dem er die Überschrift "The Next Chapter" gab: "Angst davor zu zeigen, wer ich wirklich bin. Angst, dass mein Geheimnis mir im Weg stehen könnte, meine Träume zu verwirklichen. Träume, an einer Weltmeisterschaft teilzunehmen. Träume von den Olympischen Spielen. Träume davon, meine Familie stolz zu machen." Das sei nun vorbei: "Es ist nun ein Uhr morgens hier in London - und ich könnte nicht glücklicher sein mit meiner Entscheidung."

Einige seiner Träume konnte der 25 Jahre alte Rogers verwirklichen: Bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking war er Mitglied des US-Teams, ein Jahr später absolvierte er das erste von insgesamt 18 Länderspielen, beim ersten Spiel von Jürgen Klinsmann als Nationaltrainer der USA schoss er den Treffer zum 1:1-Endstand gegen Mexiko. Nur zur WM 2010 durfte er nicht - der damalige Trainer Bob Bradley hatte ihn überraschend nicht nominiert.

Zuletzt stand Rogers beim britischen Zweitligisten Leeds United unter Vertrag, aufgrund von Verletzungen wurde der Kontrakt vor einem Monat in beiderseitigem Einvernehmen aufgelöst - er hätte nun wieder in der amerikanischen Major League Soccer (MLS) spielen sollen, Chicago Fire hatte sich die Rechte am Mittelfeldspieler gesichert.

Doch dazu wird es erst einmal nicht kommen. In seinem Blog kündigte Rogers an, nicht mehr Fußball spielen zu wollen: "Jetzt ist der Schmerz endlich weg, ein so tiefes Geheimnis so lange geheim gehalten zu haben. Es ist an der Zeit, aufzuhören und mich selbst abseits des Fußballs zu entdecken." Ein Outing und die Fortsetzung der Karriere, das konnte sich Rogers offenbar nicht vorstellen.

Die Reaktionen auf das Outing sind deshalb ambivalent: Einerseits erntet Rogers Anerkennung und Unterstützung - vor allem von seinen Mitspielern, die zahlreiche Twitter-Einträge verfassten. Benny Feilhaber, Kollege bei den Olympischen Spielen 2008, schrieb etwa: "Ich bin stolz, dich meinen Freund nennen zu dürfen."

Eddie Pope, ehemaliger US-Nationalspieler, sagte: "Mutige Männer wie du sorgen dafür, dass es eines Tages gar kein Outing mehr braucht." Fifa-Chef Sepp Blatter schrieb: "Das ist 2013. Danke." Andererseits schwingt bei aller Begeisterung ein wehmütiger Unterton mit. Torwart Kasey Keller etwa twitterte: "Ich hoffe, dass er weiß, dass er nicht zurücktreten muss."

Vielleicht wollte er ohnehin aufhören

Rogers war in den vergangenen zwei Jahren oft verletzt. Seit einiger Zeit arbeitet er für die britische Ausgabe des Männermagazins Men's Health, er ist Mitbesitzer einer Bekleidungsfirma. Es scheint, dass Robbie Rogers ohnehin nicht mehr recht viel Lust auf Fußball hatte - und nun am Ende seiner Karriere verkündete, dass er homosexuell ist. Das macht sein Outing nicht weniger beeindruckend. Aber es ist nicht der ganz große Schritt, auf den in der Fußball-Branche offensichtlich viele warten.

"Zuerst einmal bin ich stolz auf Robbie", sagt David Testo, "doch tief im Inneren hatte ich gehofft, dass er weitermacht. Darauf warten wir alle!" Testo hatte sich im November 2011 zu seiner Homosexualität bekannt - zwei Wochen nach seinem Karriereende. Er habe sich gewünscht, dass endlich einer den Mut habe, auch nach dem Outing weiter professionell Fußball zu spielen.

Rogers' Outing kommt zu einer Zeit, in der Homophobie im Sport immer stärker verurteilt wird. Vor der Super Bowl, dem Endspiel der Footballliga NFL, sorgte Chris Culliver von den San Francisco 49ers für einen Skandal, als er sagte: "In unserem Team gibt es keine Schwulen - und falls ja, dann müssen sie raus. Mit diesen süßen Sachen kann ich nichts anfangen."

Einen Tag später entschuldigte sich Culliver nach zahlreichen entrüsteten Kommentaren kleinlaut, mehrere prominente Footballspieler erklärten sogleich, dass die sexuelle Neigung in dieser männlichsten aller Männersportarten überhaupt keine Rolle spielen würde.

Das Outing von Rogers ist ein wichtiger Schritt, noch wichtiger aber sind wohl die Reaktionen darauf - vor allem die vielen, die am Ende den Satz stehen haben: "Ich wünschte, er würde weiterspielen." Das zeigt, dass der Fußball endlich bereit sein könnte für den prominenten Profi, der inmitten seiner Karriere sagt: Ich bin schwul - und ich spiele weiter!

Robbie Rogers legt erst einmal eine Pause ein. Ob sein Rückzug endgültig ist, ließ er offen. Er selbst wollte sich nach seinem Blog-Eintrag auf Anfrage nicht mehr äußern. Sein Bruder Timothy dagegen schon: "Wir freuen uns über das, was Robbie für schwule Sportler getan hat. Homophobie im Sport ist nicht mehr cool!" Robbie Rogers hat sich mit seinem Outing noch einen Traum verwirklicht: Seine Familie in den Hügeln von Palos Verdes, die ist sehr stolz auf ihn.

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