Schwedens Stürmer Ibrahimovic:König Zlatan regiert weiter

Zlatan Ibrahimovic hat die Attitüde eines Regenten, sein Auftreten pendelt zwischen Gangsterboss und Primadonna. Selbst Cristiano Ronaldo polarisiert bei weitem nicht so stark. Nun ist er mit Schweden ausgeschieden, das Land darf aber weiterhin auf seinen Zlatan hoffen. Oder mit ihm untergehen.

Thomas Hummel

Zlatan Ibrahimovic ging spazieren. Er schlenderte über den schönen Rasen und es fehlten nur ein paar Flipflops, eine Sonnenbrille und ein Handtuch über den Schultern und er wäre der perfekte Wochenend-Flaneur am Comer See gewesen. Doch hier war das Stadion Olimpiyskyi in Kiew, hier war EM, doch Ibrahimovic schlenderte.

Euro 2012: Schweden - England

Polarisierender Typ: Schwedens Zlatan Ibrahimovic.

(Foto: dapd)

Vorne im Ecke hatte er einen Zweikampf verloren, er war dabei hingefallen. Bis er aufstand, lief der Konter der Engländer, doch das sollten die anderen regeln. Waren ja noch zehn Schweden auf dem Platz, die würden das schon schaffen. Und die anderen Schweden schafften das auch, stoppten den Gegner und wollten nun selbst wieder nach vorne.

Kim Källström führte den Ball durchs Mittelfeld auf der Suche nach einer Anspielstation vorne. Ah ja, da ist er ja, Zlatan Ibrahimovic, unser Bester. Doch der bummelte immer noch 20 Meter im Abseits herum, Ibrahimovic nahm nicht mehr am Spiel teil. Der 30-Jährige aus dem Stadtteil Rosengard in Malmö ist der seltsamste Spieler dieser Europameisterschaft.

Sein Spiel hat die Attitüde eines Königs, sein Auftreten pendelt zwischen Gangsterboss und Primadonna. Selbst ein Cristiano Ronaldo polarisiert bei weitem nicht so stark wie dieser große Kerl aus Schweden mit dem schwarzen Zopf, dem Kinnbärtchen und den riesigen Tätowierungen auf dem Rücken.

Er hat die feinsten Füße, die ein Mensch von 1,95 Meter Größe jemals gehabt hat, dazu den mächtigsten Oberkörper des Turniers. Auf dem Feld ist der schwedische Stürmer der beste Teilzeitarbeiter Europas, rammt zwei Gegenspieler auf dem Weg und donnert den Ball auf das Tor, um sich danach minutenlang im Abseits zu entspannen. Während die Mitspieler hinten den Dreck wegräumen.

Das Kuriose dabei ist: Die Schweden nehmen das hin, finden ihren Zlatan gut. "Er hat heute wirklich gut gespielt. Ich bin sehr zufrieden mit der Leistung, die er in den zwei Spielen gebracht hat", sagte Trainer Erik Hamrén nach dem 2:3 gegen England und dem Aus bei diesem Turnier.

Zwei Rücktritte und ein Ziel

Auch die schwedischen Journalisten fanden nichts Betrübliches am Auftritt des Stürmers vom AC Mailand. Das Land hat sich offenbar damit abgefunden, mit diesem enfant terrible zu leben. Denn wenn Ibrahimovic in den Partien gegen die Ukraine (1:2) und England mal Lust hatte, dann bemerkte jeder den riesengroßen Unterschied zum Rest der Mannschaft. Ibrahimovic wirkte dann wie ein Schwergewichtsboxer, der sich in einem Haufen Mittelgewichtler verirrt hatte. Diesen Eindruck musste er auch selbst haben. Weshalb er zu dem Ergebnis kam, es reiche, wenn er pro Spiel zweimal ordentlich hinhaut.

Dieser Ibrahimovic war bereits zweimal zurückgetreten aus der Nationalmannschaft, die Aussichten auf einen annehmbaren Erfolg waren einfach zu klein. Erst Trainer Hamrén rief ihn zurück und gab ihm sogleich die Kapitänsbinde. Nach dem Motto: Entweder hebt Zlatan uns alleine auf ein neues Niveau oder wir gehen mit ihm unter.

Dieser Zlatan nahm dann auch während des Turniers Einfluss auf die Mannschaftsaufstellung. Nach dem ersten Spiel gegen die Ukraine kritisierte er öffentlich den Bremer Stürmer Marcus Rosenberg und forderte dessen Kontrahenten Johan Elmander von Galatasaray Istanbul.

Es soll gar zu einem Streit mit Rosenberg gekommen sein samt Handgreiflichkeiten in der Kabine, berichteten schwedische Medien. Am Ende setzte sich Ibrahimovic durch, gegen England begann Elmander. Trainer Hamrén wich dem nur halbherzig aus: "Ich bin der Coach, ich stelle das Team zusammen, aber natürlich spreche ich mit dem Kapitän."

Was dann Elmander und die anderen so trieben auf dem Feld, das beobachtete er mit sichtbarem Missmut. Und wenn er den Ball hatte, nutzte er jede Möglichkeit, die Dinge ganz alleine zu regeln. Mochten sich die anderen noch so eifrig freilaufen - sie sollten hauptsächlich aus dem Weg gehen. Schweden ging dann mit seinem Zlatan unter, auch mehr als 20.000 Schweden im Stadion konnten die Niederlage gegen England nicht verhindern.

Danach stand Ibrahimovic umringt von Mikrofonen in den Katakomben des Stadions, 20 Augenpaaren starrten ihn an. Während er sprach, blickte Ibrahimovic demonstrativ zur Seite, auf den Boden, zur anderen Seite.

Er trug die nassen Haare offen, legte die Stirn in tiefe Falten. Würde er in dieser Nacht wieder zurücktreten? Dieses Schauspiel mit den zehn schwedischen Mittelgewichtlern beenden? Nein, er bereite sich nun vor auf das letzte Gruppenspiel gegen Frankreich und dann auf die Qualifikation zur WM in Brasilien 2014. Schweden darf also weiterhin auf seinen Zlatan hoffen. Oder mit ihm untergehen.

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