Red Bull bei der Formel 1:Der Anti-Räikkönen liegt in Führung

F1 Young Driver Tests - Silverstone: Day Two

Die logische Wahl: Daniel Ricciardo, 24, aus Perth in Australien, gilt als Sunnyboy, der auch noch schnell Autofahren kann.

(Foto: Mark Thompson/Getty Images)

Wer wird Vettels neuer Teamkollege? Nach dem Rennen in Ungarn will Red Bull verkünden, wer den freien Platz im Cockpit bekommt. Vieles deutet darauf hin, dass es nicht Kimi Räikkönen wird, sondern Daniel Ricciardo. Die Entscheidung hat auch eine innenpolitische Dimension.

Von Michael Neudecker, Budapest

Daniel Ricciardo hat da so eine Vorstellung: Er, am Strand liegend, ein kühles Bier in der Hand, die Sonne scheint, und dann klingelt das Telefon. Wenn es so käme, "dann wäre das perfekt", sagt Ricciardo, und es ist nicht auszuschließen, dass es tatsächlich so kommt. Die Konstellation jedenfalls ist günstig: Nach dem Rennen in Budapest an diesem Sonntag macht die Formel 1 vier Wochen Pause, drei Wochen davon darf nicht geschraubt oder sonstwie gearbeitet werden, der Australier Daniel Ricciardo wird diesen Zwangsurlaub während der Formel-1-Saison sehr wahrscheinlich am Strand verbringen. Und Christian Horner, der Teamchef von Red Bull, hat seine Telefonnummer.

Christian Horner wird auch Urlaub machen ab kommender Woche, aber er wird die Zeit auch nutzen, eine wichtige Entscheidung für die Zukunft seines Teams zu fixieren; jedenfalls, wenn man den Worten von Red-Bull-Eigentümer Dietrich Mateschitz glauben darf.

Nur noch zwei Kandidaten

Mateschitz hat dieser Tage gesagt, nach dem Rennen von Budapest werde man die Entscheidung bekannt geben, wer kommende Saison Teamkollege von Sebastian Vettel wird, und sollte es also tatsächlich so kommen, dass an irgendeinem Strand das Handy des extrem entspannt herumliegenden Daniel Ricciardo klingelt und Christian Horner dran ist, dann wäre auch ein wochenlanges Spekulieren zu Ende. Seitdem Mark Webber vor rund einem Monat die Öffentlichkeit informierte, die Formel 1 am Saisonende zu verlassen, hängt über der Rennserie ja diese eine Frage: Wer wird Vettels Neuer?

Die Kandidatenliste hat Red Bull früh umrissen, auf ungewöhnliche Weise. Eine Woche nach Webbers Abschiedsverkündung startete der Konzern auf seiner Facebook-Seite eine Umfrage, wer Vettels neuer Teamkollege werden solle, mit drei möglichen Antworten: Kimi Räikkönen, Daniel Ricciardo und Jean-Eric Vergne. Rund 23.000 Fans nahmen bisher teil, die Mehrzahl votierte für Räikkönen, und es ist natürlich auch nicht auszuschließen, dass bald an irgendeinem Strand das Handy des von Natur aus extrem entspannten Kimi Räikkönen klingelt. Aber es sieht so aus, als tendiere Red Bull zu Ricciardo.

Der 24-jährige Australier Ricciardo und der 23-jährige Franzose Vergne fahren derzeit im zweiten Jahr für das Red-Bull-Zweitteam Toro Rosso, beide stammen aus dem Nachwuchsprogramm der Österreicher, aber Ricciardo fuhr davor schon ein halbes Jahr für das HRT-Team. Vergne spiele zwar "noch immer eine Rolle in unseren Überlegungen", sagte kürzlich Horner, aber er liege "etwas hinter Daniel zurück", wegen Ricciardos Erfahrungsvorsprungs. Da waren es nur noch zwei Kandidaten, weshalb Vergne kurz darauf mitteilte, er finde, "mein Teamkollege sollte den Job bekommen, nicht Kimi Räikkönen". Ricciardos Beförderung wäre ein Signal an das Nachwuchsprogramm, so sieht es Vergne.

Starke Konkurrenz birgt Risiken

Helmut Marko sieht es auch so, er ist der Motorsportberater bei Red Bull, zudem ist er der Verantwortliche für das Nachwuchsprogramm, und weil Christian Horner offenbar Räikkönen bevorzugt, hat die Entscheidung auch eine gewisse innenpolitische Dimension. Christian Horner, 39, ist Brite und seit acht Jahren Teamchef von Red Bull, aber Helmut Marko, 70, ist Österreicher wie Mateschitz, er ist schon länger im Geschäft als Horner auf der Welt. Er hat sich schon oft durchgesetzt.

Vettel und Räikkönen in einem Team, zwei Protagonisten im gleichen Auto, gewiss wäre das interessant, aber derart starke Konkurrenz in einem Team birgt Risiken; nicht nur deshalb gilt Ricciardo inzwischen als die logischere Wahl. Red Bull ist einer der größten Motoren der Vermarktungsmaschine Formel 1, die Fahrer sind die Kolben dieses Motors, wichtig für die Funktionsweise, das schon, aber fest verschraubt. Räikkönen ist Vermarktung zuwider, er hasst Vermarktung, er hat den Spitznamen Iceman, weil er sich so kühl gibt, so unnahbar. Ricciardo ist eine Art Anti-Räikkönen, Typ Sunnyboy, er lacht viel, erzählt gerne, und dass er zudem kostengünstiger wäre als der frühere Weltmeister Räikkönen, versteht sich von selbst.

Als Ricciardo nun im Motorhome von Red Bull sitzt, wo auch Toro Rosso beheimatet ist, sagt er, er habe schon zu Saisonbeginn gewusst, "dass sich eine Gelegenheit ergeben könnte", das habe er "immer im Hinterkopf behalten" und habe "versucht, so schnell wie möglich dazuzulernen". Vor zwei Wochen dann ließen sie ihn bei den Testfahrten in Silverstone in Vettels Auto steigen, Ricciardo zeigte gute Leistungen, fuhr konstant schnelle Rundenzeiten, "exzellente Arbeit" habe er geliefert, sagt Mateschitz. Danach wurde Ricciardo gefragt, wie seine erste Fahrt im RB9 gewesen sei, da schwärmte er: "Es fühlt sich gut an, wenn man einsteigt."

Komisch sei in Silverstone eigentlich nur eines gewesen, sagt Daniel Ricciardo: "Ich habe nie so viele Journalisten gesehen, die auf mich warten und an meinen Lippen hängen." Er wird sich schon daran gewöhnen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: