Rassismus in Fußballstadien:Ab zum Idiotentest

Dresdens dunkelhäutiger Stürmer Mickaël Poté wurde im Chemnitzer Stadion mit Affenlauten provoziert - nun ermittelt der DFB. Für den Verband geht es darum, die Null-Toleranz-Linie gegen Rassimus zu definieren, allerdings muss auch die letzte Chance zum Dialog genutzt werden. Ein Idiotentest für Stadion-Stammgäste erscheint gar nicht so abwegig.

Klaus Hoeltzenbein

Adebowale Ogungbure, 31, spielt heute in Vietnam. Wer seiner Spur folgt, findet seinen Namen im Kader des dortigen Erstligisten XM The Vissai Ninh Binh. Drei Bundesliga-Spiele bestritt er in der Saison 2001/2002 beim 1. FC Nürnberg, ehe er weiterzog, immer angetrieben von dem Wunsch, doch noch einmal in der ersten Liga Fuß fassen zu können.

Chemnitzer FC - SG Dynamo Dresden

Ein Verein kann nicht für jeden Knallkopp im Stadion garantieren: Chemnitzer Fans.

(Foto: dapd)

Geboren in Lagos/Nigeria hat Ogungbure Deutschland stets seine zweite Heimat genannt, auch noch, nachdem er Ärger mit der Polizei und eine Strafanzeige bekam. Denn in seiner Verzweiflung hatte er 2006 zur verbotenen Geste gegriffen, hatte beim Oberliga-Spiel mit Sachsen Leipzig beim Halleschen FC den Hitler-Gruß gezeigt, nachdem er beleidigt und auf dem Weg in die Kabine beschimpft worden war.

Ein Dunkelhäutiger, der den rassistisch Wütenden den Hitler-Gruß zeigt, ist nicht nur Ausdruck von Fassungslosigkeit, sondern auch satirische Brechung der Geschichte - Harald Schmidt hatte Ähnliches immer mal im Late-Night-Programm. Der Mob im Stadion aber hat damals wie heute wenig Sinn für solche Erwägungen, wobei: Am Montagabend hatte man den Eindruck, dass die Reaktion des Dresdners Mickaël Poté eher eine testosteron-dämpfende Wirkung entwickelte.

Mit Affenlauten war Poté im DFB-Pokal in Chemnitz aus dem Hardcore-Block provoziert worden. Daraufhin warf er sich demonstrativ in Pose und kratzte sich unter den Achseln. "Schade, sehr schade" sei das alles, stellte er später traurig wie verärgert fest.

Auch für Poté gehört es, wie vor ihm schon für in Deutschland spielende Fußballer von Ogungbure, Kioyo, Asamoah, Sichone bis Owomoyela, zum Wettkampf, solche Beleidigungen ertragen, aushalten, ausblenden zu können, ohne den Fokus zu verlieren. Gelingt dies nicht, geht es sofort um die berufliche Existenz. Poté hat Montagabend noch ein Tor geschossen, und der DFB teilte am Dienstag mit, dass der Kontrollausschuss ermittelt. Dass Chemnitz eine Geldstrafe zu erwarten hat, ist folgerichtig; zwar kann ein Verein nicht für jeden Knallkopp im Stadion garantieren, aber wichtig ist, dass die Masse der Fans sich gegen Rassismus stellt. Auch im Wissen, dass dem eigenen Klub bei jedem Vorfall eine Eskalation der Strafen droht.

Für den DFB geht es darum, die Null-Toleranz-Linie zu definieren. Es geht aber auch darum, jede, auch die letzte Chance zum Dialog zu nutzen. Einen Vorschlag hatte einst Adebowale Ogungbure im Interview mit Sport-Bild hinterlassen: Anti-Rassismus-Kurse! Flächendeckend: "Den ganzen Idioten erklären, wie es auf der Welt funktioniert." Statt eines Profis mal 30 Lehrer und Sozialarbeiter einstellen. Ehe jetzt sofort wieder der Chor der Geht-nicht-Rufer anschwillt, sei auf die neuen, erheblich höheren Fernsehverträge verwiesen.

Da kommen frische Millionen rein, einige wird der Fußball, dieses Premium-Produkt, in die Arbeit mit der eigenen Kundschaft umleiten müssen. Womöglich gar in den verwegenen Gedanken einer Art Führerschein-Prüfung für den, der Stammgast im Stadion sein will. Wer auffällt, muss zum Idiotentest. Und wer durchfällt, darf so bald nicht wieder hinters Tor.

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