1860 München:Tag der Abrechnung bei den Löwen

TSV 1860 München hat neuen Geschäftsführer

Will sich am Sonntag von den 1860-Mitgliedern im Amt bestätigen lassen: Übergangspräsident Robert Reisinger (l.), hier mit Geschäftsführer Markus Fauser.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)
  • Der TSV 1860 hält am Sonntag im Münchner Zenith seine Mitgliederversammlung ab.
  • Der Antrag eines Mitglieds sieht vor, den Kooperationsvertrag zu beenden, den der Klub 2011 mit dem jordanischen Investor Hasan Ismaik ausgehandelt hat.
  • Auf der Tagesordnung stehen noch weitere Anträge, die dem Investor nicht gefallen können.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Die spektakulärste Stelle des komplizierten Kooperationsvertrags, den der damalige Fußball-Zweitligist TSV 1860 München im Jahre 2011 mit dem jordanischen Investor Hasan Ismaik ausgehandelt hat, findet sich auf Seite 21. "Sofern es rechtlich, insbesondere verbandsrechtlich, zulässig ist, wird die HAM 51 Prozent der Geschäftsanteile der GmbH zum Nennwert übernehmen", heißt es dort, "ein entsprechendes Optionsrecht wird zugunsten von HAM bereits heute vereinbart."

Die Geschäftsführungs-GmbH, um die es geht, ist dem Geschäftsführer der Profifußball-KGaA gegenüber weisungsbefugt. Derzeit gehört sie zu 100 Prozent dem e.V., und dies wird und muss auch so lange so bleiben, wie die 50+1-Regel im deutschen Fußball Bestand hat. Für den Fall, dass sie abgeschafft wird, allerdings ist die sofortige komplette Machtübernahme Ismaiks im Kooperationsvertrag in Stein gemeißelt. Und damit versteht sich fast von selbst, dass kein anderer Investor neben Ismaik in die KGaA investieren wird, so lange dieser Vertrag besteht - zumal Ismaik ja eine Beschwerde gegen 50+1 beim Bundeskartellamt eingelegt hat; Experten sehen spätestens beim Europäischen Gerichtshof gute Chancen, die Regel zu Fall zu bringen.

Es wird also am ganz großen Rad des Profifußballs gedreht beim mittlerweile in der Regionalliga spielenden TSV 1860. Wenn der Klub am Sonntag im Münchner Zenith seine Mitgliederversammlung abhält, wird es um diesen Kooperationsvertrag gehen - Mitglied Ulla Hoppen hat einen Antrag gestellt, ihn zu beenden.

Der TSV solle, heißt es darin wörtlich, "den Kooperationsvertrag mit HAM International Ltd. (...) unverzüglich nach dieser Mitgliederversammlung außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich kündigen" und dazu, sollte dies nötig sein, auch die Geschäftsführung der KGaA anweisen. Zudem solle der Beirat der Geschäftsführungs-GmbH "abgeschafft werden". Als Begründung führt Hoppen an: "Die HAM International hat die im Lizenzierungsverfahren zugesagte Zahlung für die Lizenzbedingungen der DFL nicht geleistet. Dies stellt eine Hauptpflichtverletzung dar."

Ob diese Argumentation juristisch haltbar ist, wird sich, notfalls vor Gerichten, weisen müssen. Die Abschaffung des paritätisch besetzten Beirats, in dem Verein und Ismaik jeweils zwei Sitze haben, ist streng genommen gar nicht erforderlich. Lässt sich doch dessen Kernkompetenz - die Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers - ohnehin notfalls vom Verein alleine durchsetzen. Wie es im Fall der Berufung von Geschäftsführer Markus Fauser auch geschehen ist.

Sollte Hoppens Antrag durchgehen, würde er Ismaik allerdings seine Ohnmacht im 50+1-Land Deutschland noch einmal deutlich vor Augen führen. Am Freitagnachmittag waren Mitglieder des Präsidiums und vor allem Geschäftsführer Fauser dem Vernehmen nach noch sehr bemüht, Hoppen zu einer kurzfristigen Abänderung ihres Antrags dahingehend zu bewegen, dass der Vollzug der Vertragsaufkündigung weniger bindend für die Ehrenamtler ist. Sie müssten nicht länger "unverzüglich" handeln, sondern hätten eher eine Empfehlung der Mitglieder erhalten. In der Theorie könnte Hoppen ihren Antrag auch erst mündlich abändern auf der Versammlung.

Anträge, die Ismaik nicht gefallen können

Die Gegner und die tatsächlich noch immer existierenden Befürworter des Investors werden sich erbittert gegenüber stehen, ebenso wie die Befürworter eines Arenaverbleibs und die Liebhaber des Grünwalder Stadions. Wobei die Schnittmenge zwischen Ismaikfreunden und Arenafreunden, insbesondere in der großen Fanorganisation Arge, zwar groß ist, die Gruppen aber nicht deckungsgleich sind. Zumal sich auch Ismaik für den Auszug ausgesprochen hatte.

Neben der Aufkündigung des Kooperationsvertrags stehen noch eine Reihe weiterer Anträge auf der Tagesordnung, die dem Investor nicht gefallen können. Herbert Bergmaier will sowohl die Gemeinnützigkeit als auch das Überleben des e.V. im Falle einer Insolvenz der KGaA sichern, in dem "das zumindest zum Teil mit e.V.-Geldern finanzierte Gebäude (Nachwuchsleistungszentrum incl. weiterer Räume) von der KGaA auf den e.V." übertragen wird.

Der Wert solle von einem Gutachter ermittelt werden, dann solle es zu "einer Verrechnung mit bestehenden sowie anfallenden Forderungen des e.V. an die KGaA aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag" kommen. Rund 500 000 Euro sind ohnehin aus der vergangenen Saison noch offen. Zusammen mit den übrigen rund 1,1 Millionen Euro aus der unter dem früheren Präsidenten Karl-Heinz Wildmoser vorgenommenen "Mietvorauszahlung" des e.V. an die KGaA, die zur Kapitalausstattung der Gesellschaft diente, könnte sich in etwa der Wert des Gebäudes ergeben.

Der Antrag sieht vor, dass das Präsidium durch die Mitgliederversammlung beauftragt werden soll, die Geschäftsführung anzuweisen, "den hierfür notwendigen notariellen Vertrag abzuschließen". Ob es allerdings juristisch möglich ist, eine solche Weisung zu erteilen, wenn sie den anderen Gesellschafter unmittelbar betrifft und sogar benachteiligt, ist fraglich.

Nach SZ-Informationen will das Präsidium am Sonntag einen Weg aufzeigen, wie das seit Jahren ungelöste Problem auch ohne Bergmaiers Antrag gelöst werden könnte: Die Eintragung einer Grundschuld soll demnach die Gemeinnützigkeit sichern und dem e.V. das Überleben nach einer Insolvenz der KGaA sichern. Ismaik soll dem Plan schon zugestimmt haben.

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