Mark Webbers Abschied aus Formel 1:Vettels Schattenmann hat genug

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In Abneigung vereint: Mark Webber (links) und Sebastian Vettel vor wenigen Monaten beim Grand Prix in Malaysia. (Foto: dpa)

Mark Webber verlässt die Formel 1 und wechselt zu Porsche - damit bekommt Weltmeister Sebastian Vettel bald einen neuen Teamkollegen. Richtig traurig ist Red Bull über Webbers Entscheidung nicht. Das Fahrerkarussell nimmt plötzlich Fahrt auf.

Von Elmar Brümmer, Silverstone

Der Treibstoff des Fahrerlagers in der Formel 1 sind das Misstrauen, der Neid und die Spekulation. Selbst dann, wenn Fakten geschaffen worden sind. Im aktuellen Fall geht es darum, dass Sebastian Vettel und der Red-Bull-Rennstall zum Saisonende von ihrem Schattenmann Mark Webber verlassen werden.

Am Donnerstag hat der 36 Jahre alte Australier vor dem Großen Preis von Großbritannien (Sonntag, 14 Uhr) publikumswirksam verkündet, seine Zeit in der Formel-1-Serie bald zu beenden und 2014 mit einem neuen Sportprototypen für das Porsche-Werksteam bei der Langstrecken-WM sowie bei den 24 Stunden von Le Mans zu starten - und seitdem wird gemunkelt: Hat die von seinem Teamkollegen Sebastian Vettel missachtete Stallorder in Malaysia und damit der Frustfaktor den Ausschlag für Webbers Entschluss gegeben? Hat sich der Heppenheimer, der gerade erst seinen Vertrag mit dem derzeit führenden Team bis Ende 2015 verlängert hat, einen angenehmeren Kollegen gewünscht? Will Red Bull Ruhe im Rennstall haben, neue positive Schlagzeilen und einen frischeren Herausforderer?

Alles scheint denkbar zu sein, nachdem Webber für sich den "perfekten Moment, noch einmal etwas Neues zu beginnen" definiert hat. Seine Unzufriedenheit bei Red Bull währt schon lange. Sie begann mit Vettels Ankunft 2009 und setzte sich über den verlorenen WM-Kampf 2010, eine Kollision beim Rennen in der Türkei sowie der offenen Klage über seinen Nummer-Zwei-Status fort.

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Der Australier bestätigt monatelange Gerüchte und wechselt nach der Saison zu Porsche. Für die Stuttgarter soll er beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans antreten. Ein Kandidat für seine Nachfolge bei Red Bull könnte Kimi Räikkönen sein.

Den Draht zu Porsche gibt es schon länger: Dort ist ein alter Vertrauter von Webber, der ehemalige Formel-1-Einsatzleiter von BMW, Fritz Enzinger, für das Projekt verantwortlich. "Die Ereignisse von Malaysia haben nichts mit meiner Entscheidung zu tun", behauptet der Australier, "ich hatte eine persönlichen Plan, und bei dem bin ich geblieben. Die Formel 1 war für 2014 nicht auf meinem Radar."

Red-Bull-Teamchef Christian Horner war zwar nicht wegen der Entscheidung als solcher, aber wegen des Zeitpunktes der Verkündung sauer. "Eine Stunde Vorwarnung ist ein bisschen wenig", sagte er: "Ich bin mir sicher, dass Mark sich das lange und gründlich überlegt hat, es war bestimmt eine schwierige Entscheidung. Wir stehen hinter ihm, er war seit 2007 eine wertvolle Ergänzung für unser Team."

Zwischen den Zeilen gelesen bedeutet das: Aber so richtig traurig sind wir auch nicht, dass er geht. Webber musste seinen Kontrakt Jahr für Jahr im Gespräch mit Ober-Bulle Dietrich Mateschitz verlängern, das war auch für August angedacht. "Ich habe das Team nicht nach einem Job gefragt", sagt Webber; aktiv angeboten wurde ihm ein Vertrag auch nicht, wenngleich er mit Vettel trotz des zerrütteten Verhältnisses zuletzt ganz ordentlich auskam - die Fronten waren ja geklärt. "Wir sind nie die besten Freunde gewesen", sagte Vettel, "auf der Strecke haben wir uns immer respektiert. Was neben der Strecke passiert ist, steht auf einem anderen Blatt."

Mit der Bestätigung des seit Wochen wabernden Gerüchtes nimmt das Fahrerkarussell der Formel 1 plötzlich Fahrt auf. Neben dem nun freien Platz bei Red Bull laufen auch die Verträge von Felipe Massa (Ferrari) sowie der beiden Lotus-Piloten Kimi Räikkönen und Romain Grosjean aus. Die Red-Bull-Junioren Jean-Eric Vergne (Frankreich) und Daniel Ricciardo (Australien) sollten offiziell als Favoriten auf die Nachfolge von Webber gelten; beide fahren im hauseigenen Junior-Rennstall Toro Rosso.

Doch vom Image, vom Können und der Vettel-Verträglichkeit her würde sich viel eher das Alpha-Tier Kimi Räikkönen (Spitzname: Iceman) anbieten. Der Finne und der Hesse bezeichnen sich seit gelegentlichen Badminton-Partien in der Schweiz als "Freunde", sind aber auch auf der Strecke noch nie im direkten Zweikampf aneinander geraten. Beide sind pure Rennfahrer - und genervt vom immensen Rummel um die Formel 1.

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Erst gewinnt Sebastian Vettel den Großen Preis von Kanada, dann trällern auch noch die leibhaftigen Rolling Stones für ihn. Der Österreicher Toto Wolff weigert sich, im Flugzeug neben Landsmann Helmut Marko zu sitzen. Nur von den Reifen spricht in Montréal plötzlich niemand mehr. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer, Montréal

Der 32 Jahre alte Räikkönen, Weltmeister von 2007, will einen Wechsel nicht ausschließen, erbittet sich aber Bedenkzeit: "Ich möchte das Richtige für mich tun." Vettel hatte schon vor Webbers Entscheidung erklärt: "Niemand kann ein Problem mit Kimi als Teamkollegen haben." Zwar sagt er, unterm Strich sei die Fahrerfrage nicht seine Entscheidung.

Aber angesichts seiner drei WM-Titel in Serie und seiner Klassementführung in der aktuellen Saison hat er sich eine Stellung erarbeitet, dass er durchaus ein Mitspracherecht hat. Das will abgewägt sein: "Nach der langen und erfolgreichen Zeit mit Mark ist es schwer vorherzusagen, wie sich die Dinge verändern werden." Red Bull will sich erst spät in der Saison entscheiden.

Fast deckungsgleich mit den Ansichten Räikkönens ist Vettels Einschätzung, wie wichtig oder unwichtig ein Teamkollege in der Formel 1 ist: "Am Ende des Tages willst Du Dich immer selbst herausfordern. Deshalb ist es mir egal, wer kommt. Ich respektiere alle Fahrer - und ganz bestimmt respektiere ich Kimi."

© SZ vom 28.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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