Lewis Hamilton in der Formel 1:Ein böser Bube kämpft um seinen Ruf

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Obwohl er nach einer starken Leistung auf Platz zwei fuhr, wirkte Formel-1-Pilot Lewis Hamilton auch in Südkorea unglücklich. Das befeuert Gerüchte: Leidet der 26-Jährige unter der Kritik an seiner offensiven Fahrweise? Oder hat er private Probleme?

Elmar Brümmer

Bernie Ecclestone, der Vermarkter einer entschiedenen Formel-1-Weltmeisterschaft, spielt den Sorglosen. Drei Rennen noch dauert die Saison, aber Sebastian Vettel und Red Bull Racing sind in den WM-Wertungen nach dem Großen Preis von Korea nicht mehr einzuholen. Eine beinahe geschäftsschädigende Situation verglichen mit dem Showdown der Vorsaison.

"Der Beste der Verlierer zu sein, ist momentan nicht die schlechteste Position": Lewis Hamilton, beim Großen Preis von Korea Zweiter hinter Sebastian Vettel. (Foto: dpa)

Doch der Brite beteuert: "Die Menschen werden kommen, um Vettel siegen zu sehen. Oder um zu erleben, wie er geschlagen wird." Schön, aber wenn es wirklich noch einen weiteren Anreiz gibt, Rennen zu gucken, dann ist es Lewis Hamilton. Vettel ist der gute Bube, Hamilton der böse Bube. Die einfachen Geschichten sind oft die besten, auch in der Renn-Welt.

Fernando Alonso, Vettels Vorgänger als jüngster Titelverteidiger der Formel-1-Geschichte, hat seinen Stolz mit der aktuellen Situation abgeglichen und ist zu dem Schluss gekommen: "Platz zwei interessiert mich nicht." Am Ende des 16. von 19 WM-Läufen, an Position fünf liegend, funkte der Spanier am Sonntag an die Box: "Ich gebe auf, ich gebe auf!" Ein Missverständnis, klärte Ferrari nachher auf, Alonso habe nur keine Chance mehr gesehen, Jenson Button noch einzuholen.

Ein Alonso, der kleinbeigibt, das illustriert ganz gut, welchen Charakter die Formel 1 auf der Zielgeraden der Saison durch die Über-Überlegenheit von Red Bull bekommen hat. Dabei ist das Rennen um den imaginären Titel des Vize-Weltmeisters noch offen: Button ist mit 222 Punkten erster Anwärter, gefolgt von Alonso (212), Mark Webber (209) und Hamilton (196). Letzterer scheint der einzige des Quartetts zu sein, der im Punktesammeln noch einen richtigen Mehr-Wert für sich sieht. Er fährt weiter um seinen Ruf.

Lewis Hamilton, auf und neben der Rennstrecke eine zuverlässige Offensivkraft, hat beim Grand Prix von Korea in Demut gemacht. Da schnappt er Sebastian Vettel die Pole-Position weg, als erster Nicht-Red-Bull-Pilot in diesem Jahr - und er wirkt wie ein Junge, der das Lächeln verlernt hat. Nicht mal ein Jubelschrei über Boxenfunk.

Dann fährt er 22 Runden lang eine Verteidigungslinie, um mit seinem McLaren den zweiten Platz gegen Webber zu verteidigen, und seine Tonlage kommt wieder nicht aus dem Moll heraus. Da mag Genugtuung mitspielen, der Trotz, es den vielen Kritikern gezeigt zu haben, die ihn schon als ewigen Renn-Rüpel abstempeln, der seinen Kredit und sein Talent durch eine zu emotionale Fahrweise verspiele.

Zehn Zylinder der Formel 1
:"Idiot, du hast es geschafft"

Mit neuem Helm fährt Weltmeister Sebastian Vettel schneller als die Teamleitung erlaubt. Im 700. Rennen des McLaren-Rennstalls in der Formel 1 spricht Lewis Hamilton hauptsächlich von Problemen, Fernando Alonso fingiert eine Aufgabe - und Michael Schumacher kommt auf einem Moped ins Ziel.

Sebastian Gierke

Aber die neuerdings stillen Stunden nach den Rennen bewirken genau das Gegenteil. Das Fahrerlager ist ein idealer Nährboden für Gerüchte, und die Gefühlsdeutungen reichen bei Hamilton von Beziehungsproblemen mit Showbiz-Freundin Nicole Scherzinger über ein Zerwürfnis mit dem McLaren-Team bis hin zur Scientology-Nähe. Hamilton zeigt auch nach dem großen Kampf vom Sonntag kaum jenes Lächeln, das beim Gewinn des Weltmeistertitels 2008 noch Vettel-Breite hatte. Stattdessen sagt er sarkastisch: "Ich habe es diesmal geschafft, das Auto auf der Strecke zu halten und nicht bei den Rennkommissaren erscheinen zu müssen."

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Teamchef Martin Whitmarsh glaubt sogar, dass das 120 Rennkilometer andauernde Duell mit Webber eines der "ganz großen" Rennen Hamiltons gewesen sei. Für 2012 hat McLaren vorsichtshalber dennoch einen eigenen Fahrerbetreuer verpflichtet: Sam Michael, der schon bei BMW-Williams den von den Emotionen her in der Hamilton-Liga beheimateten Kolumbianer Juan-Pablo Montoya in Richtung Erfolg einordnen konnte.

Hamilton ist ein netter Bursche, mit 26 immer noch cool, und die Läuterung mag nicht zu ihm passen, auch wenn sie für dieses eine Mal den Erfolg ausgemacht hat: "In den letzten Rennen war ich nicht einmal annähernd in dieser Position. Deshalb ist dieser zweite Platz ein Ergebnis, auf dem ich aufbauen muss. Ich habe es geschafft, gelassen zu bleiben."

Schon bei der ersten Frage in der Pressekonferenz wird diese Geduld auf die Probe gestellt: Ob er in den letzten Wochen, als er häufig mit dem Ferrari von Felipe Massa kollidierte und dafür ebenso regelmäßig von den Rennkommissaren bestraft wurde, an sich selbst gezweifelt habe? Für einen Moment wird das Lächeln wieder so überlegen, wie es mal war: "Ich habe schon immer auf mich selbst vertrauen können, egal, wie negativ über mich gesprochen wurde." Seit seinem Sieg auf dem Nürburgring im Juli war Hamilton nicht über Platz vier hinausgekommen.

"Kopf runter und durch", das sei seine neue Taktik. Webber hatte das schnellere Auto, und er durfte die Flügel in den Überholzonen schräg stellen. Hamilton hatte vor allem eins dagegen zu setzen: sich. Aber die dunklen Wolken um Hamilton kann nicht einmal der redegewandte Whitmarsh ganz vertreiben.

Warum sein Fahrer nicht richtig glücklich wirke? "Professionell betrachtet ist er glücklich." Das eröffnet neue Spekulationen um private Probleme. Die Zweifel bleiben jedenfalls, auch wenn Hamilton nach dem Rennen um Nachsicht bat: "Ich bin nicht ekstatisch, denn ich habe ja nicht gewonnen. Ich bin zufrieden, doch das muss man nicht feiern." Dann besann er sich: "Der Beste der Verlierer zu sein, ist momentan nicht die schlechteste Position."

© SZ vom 18.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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