Interview mit DFL-Chef Seifert:"Manchmal steht sich die Liga selbst im Weg"

DFL-Chef Christian Seifert äußert sich im SZ-Interview über den Streit mit dem Bundeskartellamt, die Haltung zur Zentralvermarktung und die Besonderheiten des Bundesliga-Marktes.

Interview: Christopher Keil

SZ: Herr Seifert, dem jüngsten Geschäftsbericht der DFL zufolge liegt die Eigenkapitalquote der 18 Bundesligisten bei durchschnittlich 36,2 Prozent - höher als bei vielen Dax-Unternehmen. Die Verbindlichkeiten sind gesunken, der Umsatz gestiegen. Ist die Bundesliga wirtschaftlich ein starker Wettbewerb?

Interview mit DFL-Chef Seifert: Die Bundesliga, im Bild eine Szene aus dem Spiel Bayern gegen Karlsruhe, ist für ihre Funktionäre ein ganz besonderes Produkt.

Die Bundesliga, im Bild eine Szene aus dem Spiel Bayern gegen Karlsruhe, ist für ihre Funktionäre ein ganz besonderes Produkt.

(Foto: Foto: Getty)

Christian Seifert: Die Bundesliga ist als Produkt-Markt, sportlicher Wettbewerb und Solidargemeinschaft intakt. Die Zahlen spiegeln die wirtschaftliche Leistung, aber auch die Vernunft der deutschen Proficlubs. Das ist nicht nur für die Bundesliga relevant, sondern auch für Sponsoren, die sicher sein können, in der ersten Bundesliga und zweiten Bundesliga professionelle und stabile Partner zu haben.

SZ: Im Mittel verkauften die 18 Bundesligisten fast 38.000 Tickets pro Spiel: Das ist der europäische Spitzenwert.

Seifert: In der Bundesliga findet man die komfortabelsten Stadien, wir haben die höchste Sicherheit in den Stadien in Europa, und wir haben die moderatesten Eintrittspreise. Während der Fan in der Bundesliga im Durchschnitt 19 Euro pro Ticket zahlt, sind es in Spanien 33 Euro, in England 51 Euro. Außerdem haben wir den spannendsten Wettbewerb von allen, was auch an der sehr solidarischen Verteilung der Fernsehgelder liegt.

SZ: Heißt solidarisch nicht auch ein Stück weit Mittelmäßigkeit? Der aktuelle Champions-League-Sieg des FC Bayern liegt bereits sieben Jahre zurück.

Seifert: Wenn deutsche Clubs bereit wären, wie andere sogenannte europäische Top-Clubs jedes Jahr dreistellige Millionenverluste zu schreiben, hätten wir vielleicht bessere Chancen in der Champions League. Ich finde diese Entwicklung bedenklich, und ich hoffe, die Uefa auch.

SZ: Wie erklären Sie sich das Missverhältnis von Zuschauerzuspruch und Erlösen aus der Fernsehrechte-Vermarktung?

Seifert: Jeder Markt hat seine Kaufkraft, und das gilt auch für Medienmärkte. Deutschland hat den stärksten Free-TV-Markt in Europa, jeder Haushalt kann fast 40 Sender frei empfangen. Die großen medialen Geldgeber aller Ligen kommen aber aus dem Pay-TV. Das Verhältnis der Zahlungen von Pay- zu Free-TV liegt in Frankreich bei 30:1, in Italien bei 10:1, in England bei 8:1 und in Deutschland bei 2:1. Genau deshalb wollen wir ja gemeinsam mit Sirius Markteintrittsbarrieren senken, um neue Anbieter im Pay-TV-Bereich zu gewinnen.

SZ: Wie viele dezentral vermarktete Ligen gibt es derzeit in Europa?

Seifert: Von den Top 5 Ligen vermarkten drei die Fernsehrechte zentral: England, Frankreich, Deutschland. Spanien vermarktet dezentral, auch Italien, allerdings wird man in Italien auf Intervention der Politik zur zentralen Vermarktung übergehen. Damit werden dann 18 von 20 Ligen der EPFL (Vereinigung der europäischen Fußball-Ligen) zentral vermarkten. Die Bundesliga hat dabei über Jahre hinweg wesentlich mehr Geld aus der Vermarktung der Medienrechte erlöst als zum Beispiel die spanische Liga. Doch in Spanien erhalten die ersten beiden Klubs 50 Prozent dieser Gelder, in Deutschland sind es etwa elf Prozent. Man kann die Märkte nur sehr bedingt vergleichen, wir werden gezwungen, es zu tun, weil es internationale Fußballwettbewerbe gibt. Das einzige, was diese allerdings gemeinsam haben, ist die Sportart. TV-Märkte, Finanzgebaren und selbst die Besteuerung von Spielergehältern unterscheiden sich grundlegend.

SZ: Dafür nehmen die Bundesligisten 400 Millionen Euro Sponsorengelder ein, mehr als in jeder anderen Liga. Ist das kein Ausgleich?

Seifert: Im Prinzip ja. Dem Gesamtumsatz nach gehört die Bundesliga ja zu den Top 3-Ligen. Sponsoringumsätze lassen sich aber nur bedingt steigern. Es gibt nun mal nur einen Trikotsponsor und eine beschränkte Anzahl von Banden.

"Manchmal steht sich die Liga selbst im Weg"

SZ: Der deutsche Pay-TV-Markt kennt Premiere als einzigen Nachfrager von Fußball-Übertragungsrechten. 2005 vergab die DFL die Medienrechte überraschend an den unbekannten Sender Arena. Es sollte mehr Wettbewerb entstehen. Das neue Vermarktungsmodell der DFL mit dem Partner Kirch will mehr Marktteilnehmer mit Bundesligaspielen versorgen. Warum hat die DFL kartellrechtlich Probleme?

Interview mit DFL-Chef Seifert: DFL-Chef Christian Seifert sieht die Bundesliga auf einem guten Weg.

DFL-Chef Christian Seifert sieht die Bundesliga auf einem guten Weg.

(Foto: Foto: AP)

Seifert: Das Kartellamt hat sich entschlossen, die Zentralvermarktung im allgemeinen juristisch zu überprüfen. Faktisch ist die Zentralvermarktung unter gewissen Voraussetzungen zulässig, und die EU hat in Rat, Parlament und Kommission eine Zentralvermarktung unter Berücksichtigung gewisser Aspekte als absolut gangbaren Weg erklärt. Das hätte sie nicht getan, gingen damit unakzeptable Nachteile einher.

SZ: Grundsätzlich ist die Bundesliga aber eine Industrie wie jede andere - mit einem Umsatz von 1,75 Milliarden Euro.

Seifert: Natürlich. Der Bundesliga ist aber kein Markt wie jeder andere. Sie hat ihre Besonderheiten. Die bestehen etwa darin, dass Bayern München, Schalke oder Werder Bremen - nicht wie in anderen Industrien - nicht das Interesse haben, die anderen 15 Klubs aus der Bundesliga zu verdrängen, um 100 Prozent Marktanteile zu teilen, sondern im Gegenteil Interesse daran haben, dass ein Wettbewerb mit 17 sportlich ebenbürtigen Gegnern bestehen bleibt. Nur dann kommen die Zuschauer, die Sponsoren und TV-Sender. Und grundsätzlich ist der Profisport schwer mit anderen Industrien vergleichbar. Dass mehr als ein Drittel aller Deutschen die Bundesliga als wichtigen Bestandteil des öffentlichen Lebens sieht, der wichtig für die Gesellschaft ist, Menschen verbindet und den Gemeinsinn fördert, zeigt, dass man die Bundesliga nicht nur nach kommerziellen Kriterien erfassen kann. Der Sport ist speziell, wie die EU schon im Jahr 2000 in der Nizza-Erklärung festgestellt hat.

SZ: Die Liga spricht über den Vermarktungsdeal und die Kartellamtsuntersuchung mit erstaunlich vielen Zungen. Nun müssen alle Bundesligisten Fragen des Kartellamtes beantworten, in denen es um eine dezentrale Vermarktung geht. Am Ende kippen die Mitglieder der DFL die Zentralvermarktung selbst.

Seifert: Es ist sicher so, dass nicht immer der Eindruck vermittelt wird, als hätten die Klubs zusammen den Ligaverband gegründet und als hätte dieser Ligaverband nicht die DFL gegründet mit einer Satzung, die vorsieht, dass die DFL den Spielbetrieb organisieren und vermarkten soll. Die Liga steht sich manchmal selbst im Wege, weil sie nach außen kein geschlossenes Bild abgibt. Im Kern wissen jedoch alle, dass es ohne die anderen nicht geht.

SZ: Kippt die Zentralvermarktung?

Seifert: Diese Entscheidung liegt in der Verantwortung des Kartellamtes.

SZ: Gehen Sie wirklich davon aus, dass Infrastrukturanbieter, also Kabelnetzbetreiber oder auch Mobilfunkunternehmen, einen neuen Markt für bewegte Bilder aus der Fußball-Bundesliga öffnen? Nur wenn Sirius an viele verkaufen kann, rechnet sich das Garantiemodell.

Seifert: Nach den Gesprächen, die ich geführt habe, ist mein Eindruck, dass dafür ein Markt existiert. Die konkreten Verhandlungen wird Sirius führen. Wir haben bei Unitymedia (Arena-Betreiber) gesehen und finden das in der französischen Rechtevergabe an den Mobilfunkanbieter Orange bestätigt, dass Infrastrukturanbieter den strategischen Wert von Sportrechten erkannt haben.

SZ: Sie ringen ja noch in einer anderen Sache mit den Kartellwächtern: Was haben die Ermittlungen und Durchsuchungen des Kartellamtes gegen DFL und DFB bisher erbracht? Die Bonner Beamten vermuten, dass sich DFB und DFL bei Sponsoren absprechen.

Seifert: Der Ligaverband und seine 36 Mitglieder sind integraler Bestandteil des DFB und über den Grundlagenvertrag im Rahmen der gemeinsamen Organisation des Fußballs in Deutschland zwangsläufig eng miteinander verbunden. Das ist für Außenstehende nicht auf den ersten Blick erkennbar. Ansonsten ist das ein laufendes Verfahren, das wir nicht kommentieren.

SZ: Wie sehr wird sich die Ausschreibung durch die Prüfung des Kartellamtes verzögern? Sie hatten geplant, die Pakete Anfang Mai zu verschicken.

Seifert: Ich will da keine Aussage treffen. Dem Kartellamt ist klar, dass wir unter einem gewissen Zeitdruck stehen.

SZ: Also wird es Sommer werden?

Seifert: Je früher es Sommer wird, desto besser.

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