Gladbach beim FC Bayern:"Normalerweise musst du hier drei, vier Tore machen"

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In Rage: Marc-André ter Stegen beschwert sich beim Linienrichter nach dem zweiten Elfmeter-Pfiff. Später wird er sich entschuldigen. (Foto: dpa)

Borussia Mönchengladbach traut sich zum Auftakt der Bundesliga-Saison, in München volles Risiko zu gehen. Erst zwei kuriose Handspiele von Álvaro Dominguez beenden die Hoffnung auf eine Überraschung. Das Wichtigste aber: Trainer Lucien Favre ist stolz und glücklich.

Aus dem Stadion von Thomas Hummel

Marc-André ter Stegen stand noch verschwitzt auf dem Spielfeld vor einem Mikrofon und prangerte diesen Tobias Welz an. Der Torwart von Borussia Mönchengladbach wirkte wütend und frustriert, weil der 36-jährige Schiedsrichter zuvor zweimal auf seinen Assistenten gehört und zweimal binnen zwei Minuten einen Handelfmeter gegen seine Mannschaft gegeben hatte. David Alaba hatte den zweiten Strafstoß für den FC Bayern München zum 3:1 verwandelt, die aufmüpfigen Gladbacher waren zum Auftakt dieser Bundesliga-Saison besiegt.

Ter Stegen legte gleich los. Den ersten Elfmeter von Thomas Müller hatte er ja noch wunderbar gehalten und wie frustrierend musste das sein, dass der Ball nur Sekunden später schon wieder auf dem Elfmeterpunkt lag. Vor allem dieses zweite Vergehen seines Verteidigers Álvaro Dominguez hielt er für frei erfunden.

Der Fernsehsender Sky allerdings spielte dem Torwart kurz die beiden Szenen vor und urplötzlich wirkte ter Stegen wie verwandelt. "Okay, dann tut's mir leid für den Schiedsrichter, dann habe ich falsch reagiert. Dann hatte er ja doch recht."

So schnell und aufrichtig dürfte sich in der nun 50-jährigen Bundesliga-Geschichte noch kein Spieler bei einem Unparteiischen öffentlich entschuldigt haben. Vor dem zweiten Handelfmeter in der 68. Minute bewegte Gladbachs Verteidiger seinen Arm deutlich zum Ball. Vielleicht war Dominguez der Meinung, dass ihm der Schiedsrichter das nicht antun und gleich wieder ein Handspiel von ihm ahnden werde. Doch Tobias Welz kannte keine Gnade.

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Alvaro Dominguez wechselt nach 67 Minuten die Sportart, Juan Arango ist die Eule unter Kolibris, Christoph Kramer überrascht sogar Franck Ribéry. Die Gladbacher beim 1:3 in München in der Einzelkritik.

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Wesentlich umstrittener müsste eigentlich das erste Handspiel von Dominguez sein. Der Spanier berührt zwar klar den Ball, allerdings ist ihm keineswegs Absicht zu unterstellen. "Lächerlich", teilte Dominguez später auf Twitter mit, "ich möchte nur sagen, dass beim ersten Elfmeter der Ball meinen Fuß getroffen hat, bevor er gegen meinen Arm prallte." Die Frage, wann eine Berührung von Hand und Ball einen Elfmeter nach sich zieht, wird den Fußball weiter beschäftigen.

Borussen-Trainer Lucien Favre hielt sich damit nicht lange auf. "Die Schiedsrichter können nichts machen", sagte der Schweizer, "für mich war es Hand." Ihn ärgerte vielmehr das Zustandekommen des 0:1, als ter Stegen den Ball schlecht ins Mittelfeld spielte. Oder das 0:2, als die gesamte Elf einen schnell ausgeführten Freistoß von Arjen Robben verpennte. Das müssten seine Spieler verbessern, das könne nicht so bleiben. Und sonst? Lag viel Stolz in seinen Worten.

Denn Borussia Mönchengladbach spielte an diesem Freitagabend keineswegs den bereitwilligen Sparringspartner für die Harlem-Globetrotter-Truppe aus München. Die Gäste attackierten so weit vorne, dass die Bayern häufig einen sehr ungeliebten weiten Ball schlagen mussten.

Nach Ballgewinn setzten sie regelmäßig empfindliche Konter und erspielten sich mehr Tormöglichkeiten als Barcelona, Juventus und Arsenal in der vergangenen Champions-League-Saison gegen die Münchner zusammen. Sie hatten sogar den Mut, selbst mit Flachpässen von hinten rauszuspielen und den Ballbesitz-Fußball von Trainer Pep Guardiola zu konterkarieren.

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Wohl noch nie spielte ein FC Bayern mit so vielen offensiv denkenden Spielern wie beim Bundesliga-Auftakt unter Pep Guardiola. Beim 3:1 gegen Mönchengladbach offenbart sich die Angriffswucht der Münchner, aber auch die Anfälligkeit in der Defensive. Der Trainer stellt Änderungen in Aussicht.

Aus dem Stadion von Thomas Hummel

"Wir haben viel Risiko genommen, das war am Limit", erklärte Favre, "aber wir wollten das." Das Konzept ging selbst nach dem schnellen 0:2-Rückstand nach 15 Minuten so hervorragend auf, dass sich später einige ärgerten, beim Triple-Sieger überhaupt verloren zu haben. "Normalerweise musst du hier drei, vier Tore machen, und dann schaut's anders aus", formulierte Stürmer Max Kruse forsch.

Diese Kritik war indes zuallererst eine Selbstkritik. In der ersten Halbzeit scheiterte er freistehend an Bayern-Torwart Manuel Neuer, nach der Pause vergab er das 2:2, als er statt ins Tor Mitspieler Raffael anschoss. Das gleiche Malheur unterlief nach einer Stunde Christoph Kramer, er zielte auf die Knöchel von Kamerad Patrick Herrmann.

Auch wenn am Ende die erwartete Niederlage stand, der Auftritt nährte bei der Borussia den Optimismus, vor einer schönen Saison zu stehen. Zugang Kramer gab einen forschen Bundesliga-Einstand im Mittelfeld, Zugang Kruse zeigte sich als ballsichere Anspielstation im Angriff. Die beiden immer leicht melancholisch wirkenden Raffael und Juan Arango stehen für Unberechenbarkeit. Die Abwehr stand immerhin so gut, dass die Borussia der Münchner Künstlerschar nicht chancenlos ausgeliefert war. Und ein paar Mal zeigte Torwart ter Stegen, warum er eben doch zu den besten Torhütern Deutschlands gehört.

"Es war wichtig, dass wir gewagt haben, hier mitzuspielen", sagte Favre. Das Wichtigste für die Borussia ist dabei der Umstand, dass der detailversessene und bisweilen hochkritische Trainer seiner eigenen Elf zutraute, in München mitzuspielen. Favre wirkte trotz der Niederlage glücklich und zufrieden. Und wenn Álvaro Dominguez noch seine Arme unter Kontrolle bringt, dann kann in Mönchengladbach eigentlich nichts mehr schiefgehen.

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