1860 gewinnt gegen Duisburg:Hoch gesiegt, schlecht gelaunt

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Euphorie sieht anders aus: Nach einem deutlichen Sieg gegen Duisburg mag sich 1860 München nicht so richtig freuen. Für getrübte Stimmung sorgen aber weder Schiedsrichter noch Gegner - sondern die eigene verhaltene Spielweise.

von Philipp Schneider

Der knuffige Löwe gab jetzt wirklich alles, er stand vor der Fankurve, er riss seine dicken Plüscharme in die Höhe, dann hüpfte er ein bisschen, und als er merkte, dass so gar keine tolle Stimmung mehr aufkommen sollte, da lief er von Spieler zu Spieler, er rannte zu Benny Lauth und Moritz Stoppelkamp, die ja als Torschützen so etwas wie die Helden dieses deutlichen Sieges gegen den MSV Duisburg waren. Doch der Plüschlöwe, als Maskottchen von Berufswegen zu guter Laune verpflichtet, er merkte irgendwann, dass er an diesem kuriosen Freitagabend alleine war mit seinen gespielten Emotionen. Dann ließ er sich auf den Boden plumpsen.

Trotz zweier Tore unzufrieden: Münchens Benjamin Lauth. (Foto: dapd)

Da hatte der Zweitligist TSV 1860 München 3:0 gewonnen, da war Sechzig nach vier Spieltagen noch immer ungeschlagen. Doch selbst Benny Lauth, der zwei Tore geschossen und eines vorbereitet hatte, er sagte: "Der Gegner war schon sehr verunsichert, das hat man gemerkt. Und wir hatten heute nach der frühen Führung Angst, in Konter zu laufen, anstatt mutig nach vorne zu spielen. Das war unser Fehler."

Selbst Trainer Reiner Maurer war nicht angetan von einer Partie, in der 1860 wieder einmal einen kreativen Einbruch erlebte, nachdem es zuletzt in Kaiserslautern eine Halbzeit lang so vortrefflich kombiniert hatte. "Ganz schön angesäuert" sei er lange Zeit gewesen, sagte er, "das 3:0 entspricht sicher nicht unserer Leistung." Oh Wunder, was war bloß geschehen?

Vor der Partie hatte die größte Sorge noch Sechzigs Abwehr gegolten, nachdem sich Necat Aygün am Sprunggelenk verletzt hatte. Maurer hatte zeitweise sogar eine umfassende Rochade erwogen, mit Arne Feick auf der linken und Moritz Volz auf der rechten Abwehrseite. Zumindest dieses Experiment blieb den Fans erspart. Denn der Trainer wagte dann doch nur einen minimal-invasiven Eingriff am Mannschaftsgefüge und brachte Schindler für Aygün.

Es ging auch gleich gut los: Nach einer Minute und zwanzig Sekunden brachte Tomasov einen Eckball flach ins Spiel, Wojtkowiak leitete ihn im Dickicht der Duisburger Abwehr weiter zu Lauth - der das Spielgerät dann über die Linie schob. Im Stadion erhoben sich die Menschen bereits zu frühzeitigen Ovationen, und MSV-Sportdirektor Ivica Grlic, der nach der Entlassung von Trainer Oliver Reck nach drei sieglosen Partien als Interimslösung aushalf, schloss bereits in dieser Sekunde mit der Partie ab: "Wie soll man aus einer gesicherten Defensive spielen, was unsere Idee war, wenn man so früh zurückliegt?", fragte er später. Gutes Argument.

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Sein Glück war allenfalls, dass auch bei Sechzig über 55 Minuten das Passspiel nicht funktionierte, und auch "die Raumaufteilung nicht stimmte", wie Maurer zugab. Das Spiel erinnerte an den Saison-Auftakt gegen Regensburg, als 1860 ebenfalls früh in Führung gegangen war, spielerisch aber nicht viel Kreatives folgen ließ: Einmal kam Tomasov etwas zu spät nach einer Flanke (23.), wenig später vergab Bierofka per Seitfallzieher. Reiner Maurer tigerte schon längst in nervöser Geste außerhalb seiner Coaching-Zone, von dort sah er noch an, wie Lauth nach Hereingabe von Halfar knapp am Tor vorbei köpfte (30.).

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Sechzig zog sich oft weit zurück und verwaltete die Partie im vermeintlich sicheren Wissen, dass der kriselnde MSV auch heute sicher nichts zu Stande bringen würde; in die tranceartige Langeweile des Spiels brach das Wummern eines Lattentreffers von Duisburgs Flamur Kastrati (35.) als mahnendes Erweckungserlebnis. Es blieb die letzte Chance für Duisburg. Dann begleiteten verhaltene Pfiffe das Heimteam auf dem Weg in die Kabine.

Selbst die Tore, die danach noch fielen, waren singuläre Höhepunkte: Einmal trieb Verteidiger Vallori den Ball nach vorne und passte auf Tomasov auf rechts. Der wackelte kurz seinen Gegenspieler aus und flankte vor das Tor - diesmal köpfte Lauth ein (56.). Die Duisburger gaben sich nun verloren; und als später auch noch eine Abseitsfalle misslang, konnte Lauth Moritz Stoppelkamp freispielen, der vollkommen unbedrängt zum 3:0 einschoss (85.). Ein klarer Sieg, gefolgt von schlechter Stimmung: Ist die Geschichte des Vereins an der Grünwalder Straße nun um ein Kuriosum reicher? "Nein", sagt Maurer. "Letzte Saison haben wir doch mal 3:0 gegen Braunschweig gewonnen. Danach war ich ähnlich schlecht drauf." Besser als gut gelaunt zu verlieren.

© SZ vom 01.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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