Fußball in Osteuropa:Wie in der Sowjetunion

BATE Borisov's Hleb fights for the ball with Bayern Munich's Gustavo during their Champion's League Group F soccer match in Minsk's Dinamo Stadium

In Weißrussland konkurrenzlos, doch die wenigen Abende in der Champions League reichen nicht, um Spieler zu locken: Aleksandr Hleb von Bate Borissow sieht sich bereits nach neuen Klubs um.

(Foto: REUTERS)

Bate Borissow, Gegner des FC Bayern am Mittwoch, dominiert die ansonsten bescheidene Liga in Weißrussland. Das ist ein Problem - denn nur wegen den wenigen Champions-League-Abenden wechselt kein hochklassiger Spieler nach Minsk. Deswegen mehren sich die Stimmen für nur eine Fußball-Liga: mit den Spitzenklubs aus Russland, der Ukraine und kleineren Staaten.

Von Johannes Aumüller

Niemand kann es den Verantwortlichen von Bate Borissow verdenken, dass sie sich mal für etwas Neues interessieren. Seit Jahren dominiert ihre Mannschaft die bescheidene Liga in Weißrussland, kürzlich sicherte sie sich den siebten Titel in Serie, aber genauso regelmäßig wie der sportliche Erfolg ist der Verlust wichtiger Spieler zum Saisonende.

Aktuell hat bereits der Brasilianer Bressan seinen bevorstehenden Wechsel nach Wladikawkas verkündet, der in Deutschland bestens bekannte Aliaksandr Hleb schaut sich ebenfalls um. Da scheint es überlegenswert zu sein, es einmal in einem neuen, qualitativ hochwertigeren Umfeld zu versuchen. Ganz in diesem Sinne liest sich das Statement, das die Bate-Verantwortlichen wenige Tage vor ihrem Champions-League-Spiel beim FC Bayern an diesem Mittwoch formulierten: Sie befürworten eine nähere Prüfung der Idee, dass Klubs aus diversen Nachfolgestaaten der Sowjetunion bald eine gemeinsame Fußball-Liga bilden.

Das mag ein wenig absurd klingen, und doch steckt dahinter mehr als eine Einzelstimme aus der weißrussischen Provinz. Denn in ihrem Anliegen beziehen sich die Vertreter von Bate auf ein interessantes Interview, das Alexej Miller kürzlich gab - der Vorstandsvorsitzende des einflussreichen Energie-Konzerns Gazprom, der seit 2006 Haupteigentümer von Zenit St. Petersburg ist. "Viele glauben, dass wir eine Meisterschaft der GUS-Länder (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, d. Red.) ausspielen könnten, und ich bin ein großer Befürworter dieser Idee", sagte Miller auf der Vereins-Homepage von Zenit.

Eine ebenso heftige wie komplizierte Diskussion ist daraus entstanden, denn sie spielt sich auf diversen Ebenen ab. Zum einen ist Millers Aussage im Zuge einer aktuellen sportgerichtlichen Auseinandersetzung zu sehen. Vor gut zwei Wochen war das russische Ligaspiel zwischen Dynamo Moskau und Zenit abgebrochen worden, nachdem der Torwart der Gastgeber von einem Böller aus der Petersburger Fankurve im Gesicht getroffen worden war.

Erstinstanzlich wurde Zenit mit einer Niederlage und zwei Heimspielen unter Ausschluss des Publikums sanktioniert, doch der Klub kämpft gegen das Urteil an. Zudem gärt im russischen Verband ein Machtkampf, seit sich bei den Präsidentschaftswahlen im Sommer etwas überraschend Nikolaj Tolstych durchsetzte - die großen Vereine wie St. Petersburg oder ZSKA Moskau hatten einen anderen Kandidaten unterstützt. Da wäre eine unabhängige, länderübergreifende Liga eine gute Möglichkeit, um sich dem Einfluss von Tolstych zu entziehen.

Andererseits taucht die Debatte um eine solche Liga immer mal wieder und von vielen Seiten auf. Meinungsmacher im osteuropäischen Fußball stören sich an dem großen qualitativen Gefälle, das in den Parade-Ligen in Russland und der Ukraine existiert. Sie meinen, dies ausmerzen zu können, indem sie die besten sieben, acht russischen Mannschaften mit den vier ukrainischen Vorzeigeteams (Donezk, Kiew, Charkow, Dnjepropetrowsk) sowie diversen erfolgreicheren Phänomenen wie Borissow zusammenführen.

Vor allem verschiedene Oligarchen, die sich im Fußball engagieren, plädieren für eine solche Lösung, weil sie ihnen wirtschaftlich reizvoll erscheint. Eine gemeinsame Fußball-Liga ließe sich zudem als ein Beleg für eine politische engere Kooperation zwischen den Ländern deuten, die manche anstreben.

Die Befürworter der Idee verweisen gerne auf Beispiele aus anderen Sportarten. So treten etwa in der Eishockey-Liga KHL neben zahlreichen russischen Mannschaften auch Teams aus sechs weiteren Ländern an. Auch im Fußball sind länderübergreifende Modelle grundsätzlich denkbar. Das zeigen beispielsweise Vereine wie Swansea City (Wales) oder der FC Vaduz (Liechtenstein), die mangels ernsthafter nationaler Konkurrenz in den Ligen der Nachbarländer England respektive Schweiz antreten. Noch weiter geht ein Experiment im Frauenfußball, wo sich dieses Jahr eine transnationale belgisch-holländische Liga konstituiert hat.

Konkrete Details einer Liga der Sowjet-Nachfolgestaaten - wie Teilnehmerzahl oder Auswirkungen für die Europapokal-Startplätze - liegen bisher noch nicht vor. Die Europäische Fußball-Union Uefa betont prophylaktisch, dass eine solche Idee nur mit Zustimmung des Exekutiv-Komitees möglich ist. Doch dieses Problem ließe sich wohl lösen: Die Lobby der osteuropäischen Vertreter dort ist groß - nicht zuletzt Uefa-Chef Michel Platini gilt als ihr enger Bündnispartner.

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