Formel 1 in Melbourne:Räikkönen gewinnt den Reifenpoker

Australia Formula One Grand Prix

Kimi Räikkonen: Cool beim Pokerspiel von Melbourne.

(Foto: dpa)

Der erste Grand Prix der Formel-1-Saison wird aufgrund des Wetters und der unberechenbaren Reifen zum Pokerspiel. Kimi Räikkönen siegt vor Fernando Alonso und Sebastian Vettel. Adrian Sutil wird Siebter, Nico Rosberg scheidet aus - und Nico Hülkenberg darf erst gar nicht an den Start gehen.

Von Jürgen Schmieder

Für die Formel 1 ist das Auftaktwochenende das, was für kleine Kinder der Weihnachtstag ist. Da haben sie sich wochenlang perfekt benommen, haben selbst die endlos lange Wartezeit bis zum großen Tag überstanden - und nun möchten sie wissen: Was bekomme ich?

Das größte Geschenk im Albert Park von Melbourne erhielt Kimi Räikkönen, der Lotus-Pilot gewann den Großen Preis von Australien vor Fernando Alonso (Ferrari) und Sebastian Vettel (Red Bull). Freuen durfte sich auch Force-India-Fahrer Adrian Sutil: Er fuhr ein herausragendes Rennen, lieferte sich am Ende ein schönes Duell mit Lewis Hamilton (Mercedes) und wurde Siebter.

"Kimi hat einen fantastischen Job gemacht, er ist mit zwei Stopps durchgekommen - wir haben drei gebraucht", sagte Alsonso nach dem Rennen, "es war ein schönes Rennen, auch wenn ich am Ende gerne gewonnen hätte." Vettel sagte: "Ich war ein wenig überrascht, als da plötzlich Autos vor mir waren - aber wir können zufrieden sein. Es hat Spaß gemacht heute."

Räikkönen sagte: "Es fühlt sich zwar gut an, die WM nun anzuführen - aber es ist nur ein Rennen. Auf jeden Fall wissen wir nun, dass wir ein schnelles Auto haben." Ein schnelles Auto - aber auch eines, das schonend mit den Reifen umgeht. Die Konkurrenz war verblüfft, dass Räikkönen nur zwei Mal die Pneus wechseln musste - und am Ende gar noch die schnellste Rennrunde fahren konnte.

Das gesamte Wochenende wurde zu einem Pokerspiel: Das hatte sowohl beim Qualifying als auch während des Rennens vor allem mit dem Wetter und den Reifen zu tun - die Teams mussten ständig spekulieren, wie lange es trocken bleiben und wie lange die schwarzen Walzen halten würden. Das gipfelte in dem Dialog von Ferrari-Pilot Felipe Massa und seinen Ingenieuren während des Rennens. Massa: "Was soll ich nun tun?" Antwort: "Hm, schau mal, was geht."

Das Qualifying war verschoben worden, weil es am Samstag geregnet und die Autos von der Strecke gespült hatte. Es wurde dann am Sonntagvormittag ausgetragen - und die beiden Red-Bull-Piloten Sebastian Vettel und Mark Webber lagen vorne. Das war nicht unbedingt überraschend, erstaunlicher war vielmehr der deutliche Vorsprung vor Lewis Hamilton, Felipe Massa und Fernando Alonso.

Es war deshalb ein Rennen für die Denker und Tüftler der Teams: Würde es regnen, dann müsste man schnell reagieren - bliebe es trocken, dann würde entscheidend sein, wie die Fahrer mit ihren Pneus umgehen. "Es war ein bizarres Wochenende", sagte Lotus-Cheftüftler Eric Boullier, "unser Setup war gut und Kimi ist herausragend gefahren."

Hülkenberg durfte nicht starten

Gar nicht starten durfte Nico Hülkenberg, dem nicht wenige Experten einen Platz auf dem Podium zugetraut hatten. "Wir haben kurzfristig ein Problem im Benzinsystem festgestellt und mussten aus Sicherheitsgründen entscheiden, dass er nicht startet", sagte Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn. "Dieses Problem hatten wir noch nie, so ein Risiko wollten wir nicht auf uns nehmen. Das ist sehr schade." Hülkenberg sagte: "Das ist frustrierend - aber das Leben geht weiter."

Australian F1 Grand Prix - Qualifying

Nico Rosberg: erst ganz vorne, dann ausgeschieden.

(Foto: Getty Images)

Vettel verteidigte am Start seine Position - interessanter war zunächst deshalb, was dahinter passierte. Mark Webber träumte am Start offenbar von Geschenken unter dem Weihnachtsbaum und fiel auf den siebten Platz zurück. Felipe Massa drückte sich innen an Webber und Hamilton vorbei, Fernando Alonso außen.

Die beiden Ferrari-Piloten jagten Vettel, der in der vierten Runde dann den Ausfall der Telemetrie an seine Techniker meldete. Was die anderen Piloten an ihre Box funkten: enorme Reifenprobleme, vor der zehnten Runde bogen bereits 16 Piloten ab, um sich neue Walzen zu holen.

Das war ein Vorteil für die Mercedes-Piloten Hamilton und Rosberg, die lange auf der Strecke blieben und deshalb zeitweise führten. Offenbar hatte es der Rennstall geschafft, ein Problem der Vorsaison (Reifenverschleiß) in den Griff zu bekommen. In der 27. Runde musste Rosberg seinen Dienstwagen abstellen - offenbar hatte es der Rennstall nicht geschafft, ein Problem der Vorsaison (Zuverlässigkeit) in den Griff zu bekommen.

"Das Auto hat schon lange gestottert, wir hatten ein Elektronikproblem", sagte Rosberg danach, "es waren schwierige Bedingungen da draußen." Es war auch ein Vorteil für Adrian Sutil, der 21 Runden lang auf der Strecke blieb und deshalb einige Runden in Führung lag. Es war ein gutes Rennen für Sutil, der nur am Ende mit den Reifen zu kämpfen hatte und dann Siebter wurde.

Die Pokerei wurde dann von der 30. Runde an um ein paar Variablen erweitert, es begann ein wenig zu nieseln und die Teams mussten sich entscheiden, ob sie ihre Piloten auf der Strecke belassen oder zur Box beordern sollten, um sich Regenreifen abzuholen. Räikkönen etwa bekam gesagt: "Wir erwarten einen kurzen, leichten Regenschauer. Wäre gut, wenn wir draußen bleiben könnten."

Aufgrund der unterschiedlichen Strategien und zahlreichen Boxenstopps kam es nur zu wenigen interessanten Szene auf der Strecke. Überholmanöver gab es nur, wenn ein Fahrer mit neuen Reifen an einem mit abgefahrenen Pneus vorbeifuhr. Und nicht einmal die Fahrer selbst wussten, was sie mit diesem Grand Prix und ihrem aktuellen Rang anfangen sollten. "Das Rennen war ganz schwer zu lesen", sagte Rosberg danach.

Und so gewann dann einer, der nur wenige Führungsrunden aufweisen konnte: Kimi Räikkönen im Lotus fuhr ein unauffälliges Rennen, er hielt sich aus allen Scharmützeln heraus und kam deshalb zum überraschenden Sieg beim Auftaktrennen - und irgendwie passte es zu den Bedingungen, dass der Mensch mit dem Dauer-Pokerface diese Partie für sich entscheiden konnte. "Ich freue mich fürs Team, ich freue mich für mich", sagte Räikkönen danach - und verzog keine Miene.

Weihnachten ist also vorbei. Nun wissen alle, was sie bekommen haben und was sie im kommenden Jahr erwarten dürfen - zumindest bis zum nächsten Fest. Das findet bereits am nächsten Wochenende in Malaysia statt.

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