FC Bayern vor dem Spiel gegen Manchester:Guardiolas radikales Bekenntnis

FC Augsburg v FC Bayern Muenchen - Bundesliga

Der kleine Mario Götze soll sich gegen die Hünen aus Manchester durchsetzen: Trainer Pep Guardiola gibt die Anweisung dazu

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Das schöne Spiel ist wichtig, aber viel wichtiger ist der Sieg - in allen drei Wettbewerben: Pep Guardiola ist ein Trainer, den sie in München schon heiligsprechen, aber der Trainer weiß genau, dass er gegen die Vorsaison ancoachen muss.

Von Christof Kneer

Ein prächtiger britischer Regen hing am Dienstag über München, und um den Regen im fremden Land nicht so alleine zu lassen, gesellte sich noch ein seriöser Wind hinzu. Manchester United hatte sich sein eigenes Wetter mitgebracht, als es in München landete, aber leider war dieser Trick nur noch halb-originell. Im Hinspiel, beim 1:1 in Manchester, hatte Münchner Biergartenwetter geherrscht.

Manchester United sollte sich besser nicht darauf verlassen, den FC Bayern im Rückspiel des Champions-League-Viertelfinales zu überlisten. "Ich weiß natürlich nicht, mit welcher Taktik Manchester spielen wird", sagte Pep Guardiola am Dienstag vor der deutschen und englischen Presse, korrigierte sich aber sofort. "Doch, ich glaube, ich weiß es schon: Sie werden zurück gehen, weit zurück, mit acht, neun Mann am eigenen Strafraum, sie werden warten, dass wir Fehler machen, und sie werden kontern. Das haben sie zu Hause gemacht, sie werden das auch bei uns so machen."

Die Botschaft war klar: Ein 1:1 ist ein gefährliches Ergebnis, aber keine Angst, Pep kennt sich aus. Er weiß zwar manchmal nicht, in welcher Sprache er gerade steckt, manchmal platziert er das schöne Wort "Ballbesitz" in einer englischen Antwort, und wenn er einem deutschen Kollegen antwortet, kann es sein, dass er "a hundred percent" sagt. Aber ansonsten: keine Chance. Guardiola weiß alles.

Wayne Rooney werde mit Sicherheit spielen, "a hundred percent", sagte Guardiola, als er die Folgen eines möglichen Ausfalls des angeschlagenen Stürmers einschätzen sollte. "Große Spieler spielen in solchen Spielen immer", sagte er und wettete mit dem englischen Reporter um ein "big, big glass of beer".

Das ist das, was Guardiola in München vom ersten Tag an ausgestrahlt hat: Souveränität. Die Kunst besteht darin, Souveränität auszustrahlen, auch wenn man sich selbst gar nicht immer sicher ist. Guardiola hat Bayern viel beigebracht, aber er hat auch viel lernen müssen (zum Beispiel den Wert von langen Bällen und langen Mittelstürmern), aber man hat ihn bisher bei keinem großen Fehler erwischt. Verkorkste Wechsel, vercoachte Spiele? Fallen einem keine ein.

Manchmal ist es mit ihm durchgegangen, er hat dann zum Beispiel mal Arjen Robben auf die Position Zehn gestellt, aber er hat das immer selbst korrigiert, bevor der Irrtum zum Fehler wurde.

Vorwurf "Geringschätzung des Geschichtsbuchs"

Seit dem Wochenende aber muss sich Pep Guardiola rechtfertigen. Bei der Niederlage in Augsburg hat er zum Beispiel Mitchell Weiser eingesetzt, zu dem viele Patrick Weiser sagen (das war der Vater, einst ein bekannter Bundesligaspieler). Er hat auch Ylli Sallahi eingesetzt, den kein Rechtschreibprogramm kennt und selbst Experten "Yli Salahi" schreiben. Der Vorwurf lautet "Geringschätzung des Geschichtsbuchs". Guardiola, heißt es, habe ohne Not eine Siegesserie geopfert, auf die man noch in vielen Jahren stolz gewesen wäre.

"Für mich ist das nicht wichtig", hat Guardiola am Dienstag in verblüffender Deutlichkeit gesagt, "ob wir mehr Tore schießen als letzte Saison, ob wir weniger Tore kassieren als letzte Saison oder ob wir eine ganze Saison ohne Niederlage schaffen: Für so etwas bin ich nicht hier."

Wofür er dann da ist: um die Elf auf ein neues Niveau zu heben? Ja, klar, das auch. Vor allem aber: um erst mal Titel zu gewinnen. "Ich habe immer gesagt: Ich muss in der Lage sein, dieses Triple zu holen", sagt Guardiola, "ich akzeptiere das."

Pep Guardiola hat die vergangene Saison nicht vergessen. Er kann sich noch erinnern, dass es einen Vorgänger namens Jupp Heynckes gab, der a hundred percent aller Titel gewonnen hat, und er weiß, dass die Macht der Geschichte immer größer wird, je näher die Endspiele der aktuellen Saison rücken.

"Wenn wir in der Champions League nicht ins Halbfinale kommen, wäre das ein großer Mistake für den Trainer", sagte Guardiola, und jeder kann sich selbst aussuchen, ob er "Mistake" eher neutral mit "Misserfolg" oder eher persönlich mit "Fehler, Schuld" übersetzen möchte.

Guardiola ist ein Trainer, den sie auch in München schon lobpreisen, heiligsprechen und vergöttern, aber er selbst weiß genau, dass er in München gegen eine Vorsaison ancoachen muss. Er weiß, dass er für dauerhafte Investitionen in die Mannschaft erst Titel als Anschubfinanzierung braucht. Dafür nimmt er einiges in Kauf: dass ihm manche Wettbewerbsverzerrung in der Bundesliga vorwerfen, zum Beispiel. Guardiola registriert das, aber es kümmert ihn nicht. "Die Bundesliga ist vorbei, I'm sorry, und wir haben sie gewonnen", sagte er am Dienstag noch mal. Er hat dann die nächsten Gegner aufgezählt, Dortmund, Braunschweig, Bremen, Hamburg, Stuttgart, "das ist auch wichtig", sagte er, "aber das Wichtigste ist Champions League und Kaiserslautern".

Kaiserslautern ist nur ein Zweitligist, aber gegen Kaiserslautern werden am 16. April nicht Weiser, Sallahi oder Salahi spielen; es ist das DFB-Pokal-Halbfinale, und um auch diesen Titel zu gewinnen, muss man ins Finale kommen.

Fußball kommt später

Pep Guardiola hat am Dienstag ein radikales Bekenntnis abgelegt: Ja, er liebt das schöne Spiel, aber den Sieg liebt er noch viel mehr. Erst kommen die Titel, der Fußball kommt dann später. So gründlich hat er noch nie in seine Prioritätenliste schauen lassen, aber wer die letzten Spiele verfolgt hat, hat das immerhin erahnen können.

Wer bei Guardiola Fehler sucht, hat da vielleicht sogar welche finden können; von dem unwiderstehlichen, auf scharfem Gegenpressing erbauten Pep-Fußball des Herbstes war zuletzt nicht mehr viel zu entdecken, die ständigen Personalrochaden sind nicht spurlos an der Elf vorübergegangen. Wer Guardiola aber am Dienstag reden hörte, wird das für eine bewusste Entscheidung halten: Guardiola hat zuletzt vor allem atmosphärisch gecoacht, er hat nicht unbedingt an der bestmöglichen Startelf gearbeitet, eher am bestmöglichen Betriebsklima. Guardiola weiß, dass er für seine Ich-hole-alle-Heynckes-Titel-Mission eine intakte Gruppe braucht, und er weiß, dass die individuelle Qualität der Spieler groß genug ist, um das zu schaffen.

Gegen Manchester kann es sowieso keinen echten Pep-Fußball geben, dafür braucht Pep Mittelfeldspieler, Mittelfeldspieler, Mittelfeldspieler, aber Schweinsteiger und Martínez sind gesperrt, und Thiago fehlt bis Saisonende. "Ich habe nur noch Toni Kroos", sagt Guardiola, "und vielleicht Philipp Lahm." Für den Rest der Saison muss Pep Guardiola Pragmatiker sein, aber in Augsburg hat er gezeigt, dass er auch in dieser Rolle gnadenlos sein kann. "Ich bin mir sicher, dass wir ins Halbfinale gehen", hat er am Dienstag noch gesagt.

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