FC Bayern verliert in Basel:"Ihr müsst wach werden, ihr müsst böse werden"

Nach dem 0:1 beim FC Basel im Achtelfinale der Champions League wird es beim FC Bayern laut: Die Spieler schreien sich angeblich in der Kabine wegen des Gegentors an, Vorstand Rummenigge spricht auf dem Bankett deutliche Worte, Uli Hoeneß schon zuvor im Stadion. Allein Trainer Heynckes verweist ruhig auf das Rückspiel.

Jürgen Schmieder, Basel

Am 18. November vergangenen Jahres saßen Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge auf dem Podium in der Rudi-Sedlmayer-Halle, sie sahen recht zufrieden aus. Auf der Jahreshauptversammlung des FC Bayern hielten beide launige Reden, sie machten Witze übereinander, Hoeneß nannte den Verein gar einen "Hort der Glückseligkeit".

Exakt 98 Tage später, nach diesem 0:1 beim FC Basel im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League, da saßen Hoeneß und Rummenigge beim Bankett im Saal Sidney des Mannschaftshotels, sie sahen ganz und gar nicht zufrieden aus. Ein Hort der Glückseligkeit ist der Verein derzeit gewiss nicht, es herrscht eher mordsmäßig miese Laune.

"Was ist eigentlich passiert zwischen Weihnachten und heute?", fragte Rummenigge bei seiner Rede. Tja, was ist eigentlich passiert? Drei Punkte Vorsprung hatten die Münchner in der Liga gehabt und die Gruppenphase der Champions League locker gemeistert. Hoeneß hatte bei der Jahreshauptversammlung angegeben, süchtig nach den Spielen des FC Bayern zu sein.

Mittlerweile hat der FC Bayern vier Punkte Rückstand auf Borussia Dortmund - und in der Königsklasse droht nach der Niederlage in Basel das frühe Ausscheiden. "Wir haben am 19. Mai das Finale, ich glaube, man kann sich dann nicht im Achtelfinale einfach so verabschieden", warnte Rummenigge, "ihr müsst wach werden, ihr müsst böse werden. Wir müssen gemeinsam und hart arbeiten, um aus der Scheiße, in die wir uns leider in den letzten Wochen hineingespielt haben, rauszukommen."

Uli Hoeneß hatte sich schon zuvor im Stadion echauffiert, als er auf die Auswechslung von Franck Ribéry angesprochen wurde und den Verzicht des Franzosen, Trainer Jupp Heynckes bei seiner Auswechslung die Hand zu geben. "Jedes Mal dieser Handschlag. Es ist doch egal. Wenn ich auf mich, aufs Spiel sauer bin, dann gebe ich halt mal keinen Handschlag. Sind wir denn hier im Mädchenpensionat? Die regen sich halt auch auf."

Es soll auch in der Kabine nach dem Spiel recht laut geworden sein, auch wenn Heynckes versicherte, dass Hoeneß und Rummenigge nichts gesagt hatten: "Das hätten Sie wohl gerne. Die kommen nach jedem Spiel in die Kabine, ob auswärts oder zu Hause, das ist selbstverständlich. Aber die Herren sagen nach Spielen in der Kabine nichts." Offenbar diskutierten die Spieler untereinander über den Gegentreffer.

240 Minuten ohne Tor

Heynckes war auch derjenige, der nüchterner mit der Niederlage umging als seine Vorgesetzten - und gar positive Nuancen erkannt haben wollte. Den Optimismus indes begründete er nicht nur mit der aktuellen Arbeit seiner Elf ("Sie trainiert gut, sie hat engagiert gespielt, es fehlt die Sicherheit im Abschluss."), sondern vor allem mit seiner reichen Erfahrung als Trainer: "Ich habe nun schon einiges erlebt, um zu wissen, dass es im Europapokal ein Hin- und ein Rückspiel gibt."

Das Hinspiel absolvierte der FC Bayern jedoch recht eindimensional, die Statistik verdeutlicht das Schema, nach dem die Münchner ihre Angriffe inszenieren: Rafinha spielte auf Ribéry (22 Zuspiele), oder Lahm spielte auf Robben (21), bisweilen passten auch Timoschtschuk (18) oder Kroos (15) nach außen. Dann warteten alle, was die beiden Flügelspieler mit dem Spielgerät anfangen würden. So erspielte sich die Elf trotz 57 Prozent Ballbesitz gerade mal eine Handvoll schöner Gelegenheiten. Ribéry scheiterte zwei Mal freistehend, Mario Gomez ein Mal, dazu gab es jeweils zwei sehenswerte Fernschüsse von Philipp Lahm und David Alaba und zwei weniger sehenswerte Fernschüsse von Arjen Robben.

240 Minuten sind die Münchner nun ohne Pflichtspieltor - bei einem einzelnen Stürmer würde man wohl noch nicht beginnen, die Minuten zählen. Aber bei einer ganzen Mannschaft?

Die Defensive agierte sicher und souverän, solange die Basler ihre Angriffe in überschaubarem Tempo inszenierten. Wenn es jedoch schnell und überraschend wurde, dann wirkte die Münchner Abwehr doch arg hektisch und desorientiert. Die Viererkette verschob nur missmutig, die defensiven Mittelfeldspieler Alaba und Timoschtschuk eilten ihren Kollegen zu spät zu Hilfe. So hatte der FC Basel einen Lattenschuss und einen Kopfball an den Pfosten, dazu musste Manuel Neuer zwei Mal überaus schnell reagieren, um einen früheren Rückstand zu vermeiden.

Den Gegentreffer in der 86. Spielminute konnte Neuer nicht verhindern, weil zuerst Jacques Zoua laut Heynckes "20 Meter am Strafraum laufen durfte" und Torschütze Valentin Stocker von Rafinha komplett unbewacht geblieben war.

"Es hat keinen Sinn, Zirkus zu machen", sagte Rummenigge in seiner Rede auf dem Bankett, warnte aber auch: "Es ist ein wichtiger Moment in der Saison des FC Bayern München." Danach forderte er die Mannschaft auf, sich an die Worte von Sepp Herberger zu erinnern: "Einer für alle, alle für einen." Auch Hoeneß verwies auf die Partie in drei Wochen in München: "0:1, das ist doch ein Ergebnis, das fürs Rückspiel alle Chancen offenlässt."

Auf der Jahreshauptversammlung am 18. November hatte Rummenigge gesagt: "Leider können wir Ihnen in diesem Jahr keine Trophäen präsentieren. Da müssen wir nur ein Jahr mit leben. Die Mannschaft ist in der Lage, in dieser Spielzeit Großes zu leisten." Sie ist aber - das haben die Spiele in Freiburg und Basel gezeigt - derzeit auch in der Lage, nicht so Großes zu zeigen. Und das beunruhigt die Verantwortlichen zu Recht.

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