FC Bayern ist Herbstmeister:Zwischenzeugnis: Zwei plus

So schnell wie der FC Bayern ist noch kein Bundesligist Herbstmeister geworden. Vor dem Vergleich mit dem amtierenden Meister Borussia Dortmund lobt Trainer Jupp Heynckes sein Team für eine "gute bis sehr gute Saison". Doch wieder gibt einer den Mahner: Diesmal ist es Thomas Müller.

Von Maik Rosner, Freiburg

Bayern Munich's Tymoshchuk celebrates with team mate Thomas Mueller and Rafinha after scoring during their German first division Bundesliga soccer match against SC Freiburg in Freiburg

Jubel in Freiburg: die Bayern-Angestellten Müller, Timoschtschuk und Rafinha (von links).

(Foto: REUTERS)

Jupp Heynckes hat kurz gelächelt und dann ein bisschen ungläubig herübergeschaut. Sein Trainerkollege Christian Streich redete sich gerade wieder in Rage, so wie er es zuvor bereits vor dem TV-Mikrofon getan hatte. "Dann spielt eben ein anderer Innenverteidiger, dann nehmen wir eben einen Stürmer", sagte Streich, sein Puls schien nun wieder eine bedrohliche Schlagzahl zu erreichen. Das rührte daher, dass Fallou Diagne zuvor die rote Karte gesehen hatte und nun auch noch Daniel Caligiuri wegen seiner fünften Verwarnung für ein Spiel aussetzen muss.

Vor allem aber lag es wohl an der Enttäuschung, dass nach einem Strafstoß und einem Platzverweis bereits nach 20 Minuten nicht mehr viel übrig geblieben war von Streichs Hoffnung, mit dem SC Freiburg gegen den scheinbar übermächtigen FC Bayern für eine Überraschung sorgen zu können. "Ich hatte das Gefühl, es könnte ein außergewöhnlicher Tag werden. Es war alles vorbereitet dafür", sagte er. "Es ist dann leider anders gekommen. Es war relativ langweilig." Streich sah geknickt aus.

Heynckes hingegen lächelte. Der Gedanke hatte ihn amüsiert. Wie es wohl in seiner eigenen Mannschaft wäre? Ein Stürmer - sagen wir Mario Gomez - direkt neben Dante in der Innenverteidigung? Immerhin zeigt diese Erkenntnis, dass längst nicht alles möglich ist bei den Bayern. Allein dies blieb der Liga als gute Nachricht nach dem 14. Spieltag.

Doch sonst? 2:0 (1:0) hatten die Münchner gewonnen bei den bisher so kecken Kickern aus dem Breisgau, von denen es zuvor ja geheißen hatte, diese könnten den Tabellenführer wirklich ernsthaft herausfordern, ja möglicherweise gar straucheln lassen drei Tage vor dem Vergleich mit dem amtierenden Meister Borussia Dortmund. Und dann würde es vielleicht wieder richtig spannend werden.

Doch nach den Toren von Thomas Müller in der 12. Minute per Handelfmeter und Anatoli Timoschtschuk in der 79. Minute sowie nun zehn Punkten Vorsprung auf den ersten Verfolger Bayer Leverkusen und deren elf auf Dortmund konnte Heynckes dem ersten Adventwochenende ziemlich zufrieden und gelassen entgegenblicken. Dann nämlich empfängt der FC Bayern als schnellster Herbstmeister in der Geschichte der Bundesliga den BVB.

Was das bedeute? Heynckes hatte jetzt viel zu erzählen, mit Bestimmheit zählte er auf: "Das bedeutet, dass wir eine gute bis sehr gute Saison spielen. Und das bedeutet, dass wir eine große Distanz zu den nächsten Plätzen haben. Und dass sich die Mannschaft auf den Punkt konzentrieren kann." Ende der Eloge. Zwischenzeugnis: Zwei plus. Mindestens.

"Bei uns immer Elfmeter, weil wir sind klein“

Es ist ganz offensichtlich, dass es die Bayern gerade sehr eilig haben damit, manch Schmach der Vergangenheit zu tilgen. Fünfmal hatten die Münchner zuletzt ja in der Liga und im DFB-Pokal gegen die Dortmunder verloren, die überdies zweimal deutscher Meister und einmal Cupsieger wurden. Sportlich kam das einem nationalen Rollenwechsel gleich, für die stolzen Münchner mit dem sonst so unerschütterlichen Selbstverständnis blieb nur noch das Etikett wirtschaftlicher Branchenführer, was ihnen in den Momenten der Enttäuschung ungefähr so viel Trost spendete wie einem gehörnten Millionär der Blick aufs Bankkonto.

Noch einmal, das ist bisher die Botschaft dieser Saison, wollen sich die Bayern nicht belächeln lassen von der Konkurrenz. Dafür haben sie vor Saisonbeginn rund 70 Millionen Euro in die Mannschaft investiert, obendrein den hauptamtlichen Partyschreck Matthias Sammer als Sportvorstand verpflichtet und insgesamt offenbar keinerlei Interesse daran, durch verfrühte Jubelstimmung die eigenen Ziele zu gefährden. Auch das ist keine gute Nachricht für die Liga.

"Letztes Jahr waren wir in Katar im Trainingslager und wir haben eine Woche nur das Gesülze gehört, dass wir jetzt Herbstmeister sind mit drei Punkten Vorsprung und wie wir feiern im Mai", erinnerte beispielsweise Müller, auch, weil sich die elf Bayern gegen die zehn Freiburger in der zweiten Halbzeit nicht mehr so souverän angestellt hatten. Müller mahnte zur Vorsicht: "Man braucht aber immer noch eine Rückrunde". Und in diesem besonderen Fall der Leiden gegen den BVB aus Bayern-Sicht am besten auch: einen Erfolg am Sonnabend.

Heynckes drückte es so aus: "Rekorde und diese Dinge, das interessiert mich überhaupt nicht. Wir müssen weitermachen wie bisher. Am Ende der Saison kann man vielleicht sagen: Das war klasse, das war super, das war toll." Die inoffizielle Herbstmeisterschaft? "Bedeutet mir nicht allzu viel."

Wie es ist, wenn es die Bayern eilig haben, war im Freiburger Dauerregen gut zu beobachten. Und in ähnlicher Geschwindigkeit, wie sie sich zum Rekordherbstmeister gekrönt hatten, verließen sie das Stadion. Nur 30 Minuten nach dem Abpfiff um 22:18 Uhr setzte sich der Mannschaftbus in Bewegung. Einmal kurz freuen, dann abhaken und weitermachen, so ungefähr sah das aus.

Zurück blieb der SC Freiburg und sein besonders enttäuschter Trainer. Als er noch nicht neben Heynckes gesessen hatte, hatte er sich beim Bezahlfernsehsender Sky ganz fürchterlich aufgeregt, als es um den frühen Elfmeter nach dem Handspiel von Oliver Sorg und einen möglichen, aber nicht gegebenen Elfmeter nach einem Handspiel von Bayerns Javier Martínez ging. "Alle zwei Wochen werde ich zu den kniffligen Szenen gefragt. Und immer kann, kann, kann. Bei uns immer Elfmeter, weil wir sind klein", schimpfte Streich im Stakkato. Er schnappte nach Luft und übertrieb ein bisschen: "Ich muss mir alle zwei Wochen das Zeugs anschauen, da geht es immer in die Richtung. (...) Wollen wir doch mal schauen, ob wir in die zweite Liga absteigen. Gelbe Karte, rote Karte - wissen Sie, was mit uns hier passiert ist heute?"

In erster Linie, das musste Streich dann doch anerkennen, hatten sie gegen den Herbstmeister verloren. Aber zwei gute Nachrichten für die Liga wohnten seiner Tirade ja irgendwie doch inne. Die Nachrichten lauteten: Es hätte ein bisschen anders laufen können. Und vor allem: Borussia Dortmund ist nicht klein.

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