Dopingvorwürfe gegen Lance Armstrong:Dreiste Märchen von 500 Tests

Er sei so häufig getestet worden, wie kaum ein anderer, behauptet Lance Armstrong. Stimmt nicht, ergeben einfache Rechnungen. Die Argumente des siebenfachen Siegers der Tour de France im Doping-Verfahren sacken in sich zusammen.

Thomas Kistner

Dem größten Rad-Heros der Geschichte droht der Absturz, Lance Armstrong weiß, er steckt tief in der Bredouille. Das zeigen seine massiven Rundumschläge gegen Fahrer, die im Verdacht stehen, dass sie bei der US-amerikanischen Anti-Doping-Agentur USADA gegen ihn ausgesagt haben. Lust auf Blutrache unterstellt er den Zeugen, doch führt schon die Motivforschung ins Leere: Rache wofür?

Dopingvorwürfe gegen Lance Armstrong: Zeugen belasten ihn - seine Dopingtests waren nicht so zahlreich wie er selbst behauptet: Lance Armstrong.

Zeugen belasten ihn - seine Dopingtests waren nicht so zahlreich wie er selbst behauptet: Lance Armstrong.

(Foto: AFP)

Sind die Kollegen nicht selbst stets gut gefahren mit ihm, dem ewigen Anführer, der sieben dick prämierte Tour-Titel einfuhr? Ebenso substanzlos ist das zweite Kernargument, das Armstrong und Mitstreiter nun ständig in die Debatte werfen: Mehr als 500 Dopingtests habe der Texaner in seiner Karriere absolviert - alle seien negativ gewesen.

Auf die Zeugenaussagen muss bis Prozessbeginn in den USA im Herbst gewartet werden. Doch die von Armstrong zum Mythos erhobene halbe Tausendschaft an Dopingtests lässt sich ohne Verfahren eruieren - wofür gibt es die Statistiken der USADA und des Radweltverbandes UCI?

Der erste Blick in die seit 2001 archivierten Individual-Daten der USADA zeigt: Hoppla, Armstrong zählt ja tatsächlich zu den am häufigsten untersuchten Sportlern Amerikas - zu Buche stehen 71 Kontrollen. Jedoch ist die Rede von Kristin Armstrong, die US-Radfahrerin holte Gold im Zeitfahren bei Olympia 2008 in Peking.

Der Blick auf Lance zeigt bescheidene 29 Kontrollen an; 19 mehr, als die Wasserballerin Elizabeth Armstrong aufweist. Da ist die Statistik von manchem Lance-Gegner weit imposanter. Bei Levi Leipheimer führt die USADA-Website 62 Kontrollen an, bei Georg Hincapie 60, bei David Zabriskie 47. Mehr Tests hatten sie auch im direkten Vergleichszeitraum: Leipheimer 40, Hincapie 38.

Sportjuristisch wurde die Akte geschlossen

Die Mär vom Saubermann mit 500 Tests sackt auch andernorts in sich zusammen. 2004, im Jahr vor Armstrongs letztem Tour-Sieg, publizierte die französische Sportzeitung L' Equipe die Testzahlen der UCI, Armstrong kam auf insgesamt 63 Kontrollen. L'Equipe gehört zum Pariser Amaury-Konzern, der über die Amaury Sport Organisation Veranstalter der Tour ist - da dürften die Zahlen korrekt sein. Macht im relevanten Bereich der UCI- und USADA-Dopingfahndung 92 Tests. Das ist weit entfernt von den 500, mit denen Armstrong gern hantiert. In Radsportforen braut sich anhand dieser Daten ein Proteststurm zusammen; Hilfestellungen für die Ankläger.

Ebenso entlarvend fällt die Überprüfung der Behauptung "negative Tests" aus. Da sind sechs positive Epo-Proben Armstrongs von der Tour 1999, deren wissenschaftliche Validität bestätigt ist. Sportjuristisch wurde die Akte geschlossen, weil die Befunde bei Nachtests ermittelt und dabei die Urinproben aufgebraucht wurden; B-Proben waren nicht mehr möglich. "Für mich steht außer Zweifel, dass Armstrong 1999 gedopt war", sagt der Pionier des Epo-Nachweises, Michael Ashenden. Den australischen Blutexperten hat Armstrong nie verklagt.

Dazu gesellt sich der Verdachtsfall bei der Tour de Suisse 2001, den das Lausanner Labor bestätigte, Kortison-Eskapaden in Armstrongs Anfängen, die drei frühe Kollegen mit bösen Erkrankungen in die Knie zwangen. Nur Lance kam nach einer Krebserkrankung ins Geschäft zurück, stärker denn je. Auch gibt es überhöhte Testosteronwerte, Zeugen sahen Spritzen und Rezepte. Und laut USADA sind auch Armstrongs Proben von 2009/10 nicht koscher.

Deshalb gewinnt ein anderer Verdacht Kontur. Jüngst berichtete der US-Sender ABC, mit dem Verfahren befasste USADA-Offizielle würden befürchten, Armstrong habe ihnen Privatdetektive an die Fersen gesetzt. Armstrongs Team, so ABC News weiter, habe auf Anfrage nicht reagiert. USADA-Vertreter sehen darin und in ähnlichen Vorgängen in der Vergangenheit die letzte Bestätigung für ihre Strategie, Zeugennamen und andere Beweise gegen Armstrong erst im letzten Moment auf den Tisch zu legen.

Wie weit der Arm des Texaners reicht, Freund ehemaliger Staatschefs von Washington bis Paris, könnte gerade die jüngste Detektiv-Story zeigen: Wer im USADA- Untersuchungsausschuss sitzt, soll eigentlich strikt geheim sein.

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