Dopingprozess gegen Arzt Fuentes:Gericht bremst Aufklärer

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Der spanische Dopingarzt Eufemiano Fuentes soll mehr als 200 Sportler mit Bluttransfusionen und Substanzen wie Epo manipuliert haben. Doch der Prozess in Madrid gerät zur Farce, weil das Gericht sich in Technokratie verstrickt. So wird ein Freispruch für den Betrüger-Doktor immer wahrscheinlicher.

Von Andreas Burkert, Madrid

Spaniens Öffentlichkeit nimmt durchaus Anteil am Prozess zur Operación Puerto und erfasst auch den Kern der Sache. Am Mittwoch titelte etwa das konservative Qualitätsblatt ABC: "Eufemiano Fuentes betreute auch Fußballer und Tennisspieler".

Doch mehr Erhellendes zum ganzen Ausmaß des Sportskandals wird das Verfahren gegen den Dopingarzt aus Gran Canaria nicht zutage fördern, das wurde am dritten Verhandlungstag deutlich - dank Richterin Julia Patricia Santamaria, die in Madrid gerade ihren Ruf als formal-juristische Technokratin mehrt. Für den Anwalt des Olympischen Komitees Italiens (Coni), einen der Nebenkläger, geriet die Causa endgültig zur Farce. "Ich rechne jetzt am Ende mit der Einstellung des Verfahrens und Freispruch", sagte Ignacio Arroyo der SZ.

Fuentes soll mehr als 200 Sportler mit Bluttransfusionen und Substanzen wie Epo manipuliert haben. Bisher sind 58 Radprofis enttarnt, das Coni und auch die Welt-Anti-Doping-Agentur haben die Nutzung der seit 2006 in Barcelona lagernden, noch nicht zugeordneten rund 100 Blutkonserven sowie der anderen Beweise beantragt. Die Richterin will darüber noch befinden.

Am Mittwoch gab es die Chance, von Fuentes weitere Sportler-Namen zu erfahren - er bot seine Hilfe an. "Wenn mir jemand eine Liste vorlegte, könnte ich jeden Namen dazu noch heute nennen", sagte er. Zudem gebe es "mein Notizbuch mit allen Namen". Als Arroyo offensiv nach weiteren Namen fragte, verweigerte die Richterin, Fuentes hierzu einzuvernehmen.

Arroyo protestierte, später sagte er verärgert: "Das ist völlig ungewöhnlich, dass Nebenkläger keine Fragen stellen dürfen, obwohl Fuentes es anbot - das ist unglaublich! Die Richterin hat ja bereits die Untersuchung seines Computers abgelehnt - das hatte ich vor dem Prozess so nicht erwartet."

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Das Coni hat 2009 über jurististische Kniffe Spaniens Topfahrer Alejandro Valverde einen der vielen Blutbeutel aus Fuentes' Kühlregal zuordnen können; er ist der einzige Spanier, der auf diesem Weg gesperrt wurde in der Affäre, in der auch einstige Tour-Asse wie Jan Ullrich und Ivan Basso (Italien) sanktioniert wurden.

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In Madrid hatte das Coni zu Prozessbeginn eine Erweiterung der Anklagepunkte gegen Fuentes beantragt, der sich nur wegen Gesundheitsverstößen zu verantworten hat. "Die Bildung einer kriminellen Vereinigung, finanzielle Vergehen wie Steuerhinterziehung und Betrug müssten ebenso Prozessgegenstand sein", erklärt Arroyo.

Nach der Zurückweisung durch das Gericht strebt das Coni laut Arroyo nun eine Klage vor dem höchsten spanischen Gericht an. "Das Coni muss die Eingabe bis zum 7. Februar machen, ich schreibe schon daran", sagt Arroyo. Im Erfolgsfall würde die Causa Fuentes neu aufgerollt oder ein neuer Prozess angesetzt werden.

Einstweilen bleibt es dabei, dass Fuentes den Hygienestandard seiner Infusionen preisen darf und Epo-Spuren in Blutbeuteln mit der "früheren Einnahme dieses Mittels durch die Athleten" erklärt. Er habe nie gedopt, sondern Blut "nur aus therapeutischen Gründen zugeführt". Denn: "Spitzensport ist gesundheitsschädlich."

Über Nebenkläger Jésus Manzano, Ex-Kelme-Profi und seit 2004 Kronzeuge, weil er auf dem Rad fast gestorben wäre, sagte Fuentes, ihn habe er nicht behandelt, "weil er Kokain nahm". Ex-Profi Xavier Gómez sei dagegen ein zufriedener "Klient" gewesen - der Chef der Profi-Vereinigung trat sofort als Direktor einer Jugendstiftung zurück.

Von den vier Mitangeklagten sagten Fuentes' Schwester Yolanda, einst Ärztin beim Skandalteam Kelme, sowie Manager José Labarta aus. Meist lautete ihre Antwort: " Nunca!" Nie.

© SZ vom 31.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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