Doping-Prozess gegen Fuentes:"Totale Lachnummer"

Muss der Sport zittern vor Eufemiano Fuentes? Am Dienstag muss der spanische Arzt vor Gericht aussagen - immerhin sollen Fußballer spanischer Topklubs unter seinen Kunden gewesen sein. Doch Fuentes kündigt zum Prozessauftakt an, dass von ihm keine Details zum großen Betrug zu erwarten sind.

Von Andreas Burkert, Madrid

Als sich nach drei Stunden die Türen wieder öffnen, eilt Eufemiano Fuentes heraus aus dem Gerichtssaal, die Anstrengung eines zehrenden wie vermutlich wegweisenden Vorgeplänkels ist ihm aus dem Gesicht zu lesen. Seine grünen Augen sind gerötet. Aber am Eingang erwartet ihn seine Mutter Josefa, küsst ihn, bevor er kurz aufs WC verschwindet. Das muss ihm gut tun, denn sie liebt ihren Sohn, hat sie morgens erzählt. "Wenn es sein muss", sagte sie da, "gehe ich mit ihm in die Hölle."

So schlimm wird es aber bestimmt nicht kommen. Viel erwartet die Sportwelt ja ohnehin nicht von diesem Verfahren gegen Fuentes und vier weitere Angeklagte, die sich fast sieben Jahre nach der Operación Puerto der spanischen Guardia Civil vor Gericht zu verantworten haben. Aber nicht wegen Dopings, denn das war 2006 in Spanien noch nicht strafbar. Sondern wegen mutmaßlicher "Verstöße gegen die Öffentliche Gesundheit". Im dritten Anlauf ist Klage erhoben worden gegen den früheren Gynäkologen aus Gran Canaria, der rund 200 Sportler mit Bluttransfusionen und verbotenen Substanzen gedopt haben soll. Sieben Jahre des Wartens auf allenfalls ein bisschen Wahrheit - da tut ein weiterer Tag auch nichts mehr zur Sache: Fuentes' für Montag angesetzte Vernehmung wird nach dreistündiger Vorbesprechung von Staatsanwälten und Verteidigern mit der Richterin auf Dienstagmorgen vertagt.

Die öffentliche Verkündung dieser Verzögerung verzögert sich dann allerdings ebenfalls: Als Fuentes zurückkehrt in den Saal, möchte die Richterin den formalen Akt erledigen. Aber Yolanda Fuentes, seine Schwester und Mitangeklagte, ist nicht aufzufinden. Sie erfrischt sich mit der Mamma an einer Bar.

Es ist nicht ganz klar, weshalb die morgendliche Erörterung von Anträgen und Eingaben so lange dauert, dass rasch der Verdacht von Mauschelei entsteht. Doch am Trend dieses Verfahrens, auf das nicht nur ganz Spanien schaut, würde wohl auch etwas mehr Tempo wenig ändern. Wer alles noch bei ihm gedopt hat neben den 58 identifizierten Radprofis, das würde nicht nur die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) ganz gerne wissen. Fußballer spanischer Topklubs sollen darunter gewesen sein, dazu Leichtathleten, Schwimmer, Handballer. Ob der Sport zittern muss vor Fuentes?

Morgens um halb zehn ist der 58-Jährige angekommen, kurz nach dem früheren Liberty-Teamchef Manolo Saiz, mit dem er am 23. Mai 2006 in Madrid beim Blutbeutel-Austausch festgenommen worden war. Sehr gestresst ist er da nicht, man kann ihn im Foyer ansprechen. Wird also seine Aussage spektakulär? Seine Frau Cristiana Perez, eine selbst einst positiv getestete Leichtathletin, hat ja schon 2008 gesagt, das Schaffen und Wissen ihres Gatten berge Unheilvolles "wie eine Büchse der Pandora - und wenn die sich eines Tages öffnet, wird sie den Sport zerstören". Fuentes, das muss man wissen, war auch Chefarzt von Spaniens Olympiateam, bei den Spielen 1984 und 1992.

"Spanien ist doch in der Krise", beginnt Fuentes am Montagmorgen zu plaudern, "und jetzt verliert es wieder viel Geld, weil ich ja offenbar hier sein muss". Er arbeitet in einem öffentlichen Krankenhaus auf Gran Canaria, "und meine Patienten bräuchten mich eigentlich", witzelt er.

Ja gut, und seine Aussage?

Fuentes lächelt

Fuentes lächelt, "keine Namen", werde er nennen, "ich werde nur auf Fragen des Gerichts antworten, und das sind keine Fragen zum Doping, sondern zur öffentlichen Gesundheit." Und dann lächelt er und fragt rhetorisch: "Hat denn Lance Armstrong alles ausgesagt?"

Das hat er nicht, und so will es demnach auch Fuentes halten: den größten Teil der Wahrheit für sich behalten. Keine Details zu handfesten Gerüchte über Profis des FC Barcelona oder Real Madrids, die er vor Jahren selbst geschürt hatte, oder über Asse anderer Sparten. Im Prozess will Fuentes nur die Anklage widerlegen, er habe die Gesundheit von Rad-Klienten wie Alberto Contador, Jan Ullrich oder Ivan Basso gefährdet - als die in Madrid in seinem Appartement oder in der Klinik des mitangeklagten Laborchefs José Ignacio Labarta den Arm zum Blutaustausch hinhielten.

Wer wie die Wada an umfassender Aufklärung des Sportskandals interessiert ist, dürfte wenig Hoffnung haben, dass jemand dem Gericht entscheidende Stichworte liefert. Der frühere Radprofi Jésus Manzano, der einst beim Team Kelme von Fuentes manipuliert wurde, könnte so einer sein; er hat vor Jahren erzählt, ihm seien bei Fuentes "bekannte Fußballer" begegnet. Manzano ist für 11. Februar als Zeuge geladen, wie der deutsche Kronzeuge und frühere Saiz-Fahrer Jörg Jaksche. Der 36-Jährige ist sicher, dass Fuentes nicht nur Radler dopte. "Aber ich bin kein Fußballfan, ich hätte damals keinen erkannt."

Jaksche ist jahrelang in Spanien Profi gewesen, und nach dem Auftakt des Prozesses hat sich seine Meinung verfestigt: "Ich glaube, das wird die totale Lachnummer."

Die ersten Impressionen aus dem Juzgado de lo Penal No 21 haben diese Befürchtung verstärkt. Da war ja nicht nur das Sicherheitspersonal, überfordert mit der Hundertschaft Medienvertreter, die völlig überraschend zu einem Prozess von weltweitem Interesse erschienen war: Nachdem Yolanda Fuentes die Theke wieder verlassen hatte, mussten die fünf Angeklagten stehend ertragen, wie sie die Fotografen in zwei Gruppen nacheinander "abschießen" durften. Dann flüchtete Fuentes, umringt von vielen Kamera- und Mikrofonträgern, über die Calle Julian Camarillo ins Taxi. Dienstag geht es richtig los für ihn. Aber irgendwie wirkte es schon am Montag so, als habe er das Schlimmste überstanden. Als die Türen noch geschlossen waren.

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