DFB-Pokal: Braunschweig - FC Bayern:"Reißt sie nieder, die Stadt, trinkt alles leer!"

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Torsten Lieberknecht will gegen den FC Bayern gewinnen. Der Trainer hat aus dem Zweitliga-Aufsteiger Eintracht Braunschweig das Überraschungsteam der bisherigen Saison geformt - und weiß, wie man Erfolge feiert. Vor dem Pokalspiel versucht er gar nicht erst, die Euphorie zu bremsen - ganz im Gegenteil.

Jörg Marwedel

Aus Umfragen kann man oft eine Menge herauslesen. Etwa zum Thema Tradition und Erwartungen. Studiert man die jüngste Erhebung unter den Fans von Eintracht Braunschweig, von denen angeblich 29 Prozent dem Zweitliga-Aufsteiger nach zwei Siegen zum Saisonauftakt sofort den Sprung in die erste Liga zutrauen, bedeutet dies indirekt: Dort gehört ihrer Meinung nach der deutsche Meister von 1967 auch hin, ähnlich wie zum Beispiel der Anhang des 1. FC Köln den einst ruhmreichen Klub weiterhin insgeheim als klaren Champions-League-Kandidaten einstuft.

100% Braunschweiger: Eintracht-Trainer Torsten Lieberknecht hat mit seinem Team ambitionierte Ziele - die erste Liga zählt zunächst noch nicht dazu. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Konfrontiert man Torsten Lieberknecht mit diesen jüngsten Zahlen, sagt er nur, an der Online-Befragung hätten sich gewiss auch argwöhnische Wolfsburger und Hannoveraner beteiligt. "Die wollen uns da hinein hieven", glaubt er. Nämlich in jene Lage zwischen überhöhtem Anspruch und Wirklichkeit, an der so viele abgestürzte Traditionsvereine scheitern.

Lieberknecht ist seit gut drei Jahren Trainer in Braunschweig. Sein Thema bei der Abschlussarbeit für die Fußballlehrer-Lizenz hieß: "Der schwierige Spagat zwischen Tradition und Zukunft bei Eintracht Braunschweig."

Sieht man, wie sich der einst von Altlasten ramponierte Klub unter ihm und neuer Führung entwickelt hat, glaubt man, dass er eine Formel gefunden haben könnte zum Ausstieg aus diesem Teufelskreis. Womöglich hat er die Fans, die zu überschwänglicher "Löwen"-Liebe neigen, bei vielen Treffen eingefangen und zu neuer "Nüchternheit" geführt, wie er selbst sagt.

Fragt man Lieberknecht nach seinen nächsten Zielen mit der Eintracht, sagt er nicht: Wir wollen wieder wie Hannover Dauermitglied der Bundesliga werden. Ein Vorbild sei eher Fürth, das auf Rang fünf in der "ewigen Tabelle" der zweiten Bundesliga steht - wegen der Kontinuität im Klub.

Lieberknecht vermeidet Vergleiche mit dem Gestern, obwohl er ahnt, dass die glorreiche Vergangenheit einen Teil jener Faszination ausmacht, von der die Eintracht lebt. Natürlich weiß er um die großen Zeiten, die in der Bundesliga 1985 endeten. Auch der 2:0-Sieg der Eintracht über den FC Bayern im Pokal 1982 (Tore: Worm, Hollmann) ist ihm ein Begriff.

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Doch wer vor dem erneuten Pokalduell an diesem Montagabend mit den Bayern glaubt, Lieberknecht sei zu bescheiden und zurückhaltend für noch größere Erfolge als den Zweitliga-Aufstieg, der könnte sich täuschen. Er habe sehr wohl "das Gefühl, dass wir dieses Spiel gewinnen können", sagt er. Und wer sich an die Aufstiegsfeier im Mai erinnert, der weiß, dass der Coach sogar enthemmt sein kann. Damals rief er den Braunschweigern zu: "Reißt sie nieder, die Stadt, trinkt alles leer, wir können dann eine Woche lang alles wieder aufbauen."

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Es ist eine ungewöhnliche Geschichte zwischen dem gebürtigen Pfälzer und dieser Stadt, in der auf den ersten Blick eine Mentalität den Ton angibt, die Lieberknecht so beschreibt: "Der Niedersachse wartet erst mal ab und fällt nicht mit der Tür ins Haus." Dennoch hat er hier Wurzeln geschlagen. "100 Prozent Braunschweig" sei Lieberknecht, sagt der Sportliche Leiter Marc Arnold.

Ein wenig fühlt man sich sogar an den Ur-Hamburger Holger Stanislawski bei St. Pauli erinnert. Denn wie Stanislawski übte Lieberknecht, früher Profi in Kaiserslautern und 2003 als Spieler zur Eintracht gekommen, schon diverse Funktionen im Klub aus. Er war Nachwuchs-Koordinator, A-Jugendtrainer, später "Sachverwalter Fußball" im Präsidium. Dann erst wurde er im Mai 2008 Trainer und rettete die Eintracht in der dritten Liga.

Seitdem ging es aufwärts, obwohl die Etats wegen der alten Schulden immer kleiner wurden. Man suchte meist ablösefreie junge Spieler, die wussten, "warum die Eintracht so geliebt wird und die eine hohe Identifikation aus dem Bauch heraus" mitbrachten. Lieberknecht hat offenbar ein Gespür für Menschen und er schafft es, die Spieler von einem System zu überzeugen, in dem "hohe Emotion, große Disziplin, aber auch der Witz" ihren festen Platz haben.

Inzwischen gibt es keine Bankschulden mehr, trotzdem ist die Eintracht ihren einst durch die Misere erzwungenen Weg weitergegangen. Sie holte nach dem Zweitliga-Aufstieg nur eine Handvoll neue Profis, meist aus der dritten Liga. Bislang haben besonders der Abwehrspieler Marcel Correia vom 1. FC Kaiserslautern II, der wohl Bayern-Stürmer Mario Gomez bewachen soll, und Nico Zimmermann im Mittelfeld, der laut Lieberknecht in Saarbrücken "einer der Besten der dritten Liga" war, eingeschlagen.

Und wenn das Gefühl des Trainers nicht trügt, dann könnte ihm das Team an seinem 38. Geburtstag sogar ein wunderbares Geschenk machen. Einen Pokalsieg gegen den FC Bayern.

© SZ vom 01.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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