DFB-Elf spielt Remis in Holland:Fades Gegenteil von 4:4

Gemächlich, träge, torlos: Mit einem müden 0:0 in Amsterdam konterkariert die deutsche Nationalmannschaft ein turbulentes Länderspieljahr. Den einzigen Aufreger bildet an einem seltsam uninspirierten Abend Joachim Löws Aufstellung - er schickt Mittelfeldmann Mario Götze in den Sturm.

Niederlande - Deutschland

Lars Bender (re.) und der Niederländer Rafael van der Vaart hielten brav Abstand: Allzu weh wollte sich an diesem Abend keiner tun.

(Foto: dapd)

Es gebe im Sturm drei Varianten, hatte Joachim Löw am Tag vor dem Spiel gegen die Niederlande gesagt. Er könne mit Marco Reus im Sturm antreten oder mit Lukas Podolski, aber den dritten Namen hat er nicht verraten. Weil Löw die Leute gern überrascht, gab es kaum einen Namen, mit dem vor dem Spiel nicht spekuliert wurde. Thomas Müller? André Schürrle? Manuel Neuer? Uwe Seeler? Es wurde: Mario Götze - und so hatte Löw am Ende dieses Länderspieljahres ein Zeichen gesetzt, das ihm sicher sehr gefiel.

Nach dem 4:4 gegen Schweden war ja ausgiebig diskutiert worden, ob der Bundestrainer weniger dem Vorbild Spanien huldigen und statt dessen mehr den guten, alten Tugenden vertrauen sollte. Und dann spielte er gegen die Niederlande spanischer denn je: Löw nutzte die Absenz der Stürmer Gomez und Klose zur Erprobung jenes Modells, das der spanische Kollege del Bosque mit Vorliebe praktizieren lässt.

Löw spielte ohne Mittelstürmer, die Position neun war zwar immer besetzt, aber nicht immer vom selben Profi. Meist stand Götze dort, mitunter tauchten auch Müller oder Reus auf. Es lag aber an keinem der drei, dass es kein spanischer Abend wurde: Mit einem weitgehend ereignislosen 0:0 gegen ultradefensive Holländer konterkarierten die Deutschen ein turbulentes Länderspieljahr. "Für mich war dieses Spiel positiv", sagte Löw, "wir haben gute Defensivarbeit verrichtet, das war wichtig nach dem Erlebnis gegen Schweden."

Die letzten Spiele eines Jahres werden ja gern in übergeordnete Pflichten genommen, an ihnen will die Öffentlichkeit immer ablesen, was im neuen Jahr zu erwarten ist. Dieses letzte Spiel schien zunächst noch überladener zu sein, denn erstmals in der Ära Löw ging es auch um atmosphärische Schadensbegrenzung. Der Plan war, im alten Jahr noch mal schnell Eindruck zu schinden und mit einem guten Gefühl hinüberzurutschen ins Jahr 2013.

Aber je näher die Partie rückte, desto kleiner wurde sie: Mit jeder Absage, die sich Löw einfing, entfernte er sich weiter von einer aussagekräftigen Elf - und so wird man nie erfahren, ob der Bundestrainer nach der traumatischen Erfahrung des Schweden-Spiels eine defensivere Mittelfeldzentrale berufen oder trotzig auf Toni Kroos vertraut hätte. Kroos fehlte aber ebenso wie Schweinsteiger, Khedira, Özil, Klose, Badstuber, Boateng und Schmelzer.

Bei den Holländern fehlten unter anderem Robin van Persie und Wesley Snejider, und als hätten sich die Trainer abgesprochen, so verzichtete auch Louis van Gaal auf einen zentralen Stürmer. Den Schalker Huntelaar deponierte er auf der Bank, in die Mitte rückte Kuyt, im normalen Leben Flügelstürmer. Diese Versuchsanordnung ermöglichte es Löw, dieses Testspiel tatsächlich als Test zu deklarieren. Zum großen, politischen Jahresabschluss taugte es kaum mehr.

Van Gaals Respekt

Dennoch war die DFB-Elf immer noch gut genug besetzt, um van Gaal Respekt einzuflößen. Oder war das eine List, die wieder mal niemand verstand, außer dem selbsternannten besten Trainer der Welt? Jedenfalls begannen seine Niederländer keinesfalls wie eine Van-Gaal-Elf, sie standen tief, von Dominanz waren sie so weit entfernt wie van Gaal von einer Freundschaft mit Uli Hoeneß.

Das führte dazu, dass die deutsche Elf in den ersten 20 Minuten eine unfreiwillige Van-Gaal-Persiflage aufführte: Sie spielte kreuz und quer, wie van Gaals FC Bayern an den langweiligeren Tagen. Immerhin hatte die zuletzt vom Schweden-Schwindel befallene Defensive keinerlei Probleme, und Löw konnte erfreut registrieren, dass bald auch seine Offensive besser ins Spiel fand.

Es dauerte 21 Minuten bis zum ersten deutschen Torschuss, aber er zeigte, dass auch im neuen System Potential steckt. Götze, der versehentliche Mittelstürmer, wurde von Höwedes freigespielt, er drehte sich auf engem Raum zu flink für den schwerfälligen Heitinga, schoss aber den Holländer an. Damit hatte die erste Hälfte ihr Muster gefunden: Die Deutschen waren beweglicher, sie kombinierten sich einige Male hübsch durch die Defensive der Mannschaft des weltbesten Trainer, aber kurz vor der Vollendung kamen entweder Pech oder ein holländisches Abwehrbein dazwischen oder beides.

Es war immer noch kein temperamentvolles Spiel, aber wenigstens hatten die Deutschen ein paar Hyperaktive in ihren Reihen, die von der dezenten Spielführung der Gastgeber genervt wirkten. Thomas Müller war so einer, er mag langweiligen Fußball nicht und sauste eine Weile munter durch die Gegend; das galt auch für Götze und Reus, die zwei gute Chancen hatten (22., 39.).

In der zweiten Halbzeit dauerte es nur 20 Minuten bis zum ersten deutschen Torschuss, aber sonst änderte sich wenig. Die Holländer hielten ihre offensiven Talente noch strenger verborgen als zuvor, und den Deutschen fehlten die Mittel und wohl auch der letzte Antrieb, um van Gaals Elf auseinanderzuspielen. Nach 70 Minuten hatte Mertesacker schon über 100 Balkontakte, so oft ging's hinten rum. Die Holländer nutzten das für ein, zwei überraschende Vorstöße, Neuer musste gegen Janmaat sogar einen Rückstand verhindern (82.).

Immerhin schafften die Deutschen noch zwei kleine Aufreger: Es gab einen Zwillingswechsel (Sven für Lars Bender) zu bestaunen und das Debüt des Schalker Mittelfeldspielers Roman Neustädter. Aber unterm Strich folgte der Abend dann doch dem Motto des zweitgrößten holländischen Trainers Huub Stevens: Die Null stand, und zwar überall.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: