DFB-Elf gegen Paraguay:Eklatante Fehler schocken Löw

Germany v Paraguay - International Friendly

"Ich darf mir den Ball nicht in den Rücken spielen lassen": Mats Hummels bekam nach dem Spiel gegen Paraguay viel Kritik ab.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Nach dem turbulenten 3:3 gegen Paraguay zeigt sich Bundestrainer Joachim Löw ernüchtert über die Probleme im deutschen Abwehrverbund. Zehn Monate vor der WM wirkt die Defensive alles andere als stabil - manchem Spieler wirft Löw sogar Anfängerfehler vor.

Von Carsten Eberts, Kaiserslautern

Selten wohl hätte sich eine Extra-Kamera, die nur auf den Bundestrainer gerichtet ist, so gelohnt wie in den ersten 45 Minuten dieses Länderspielabends im Fritz-Walter-Stadion. Der Kameramann hätte einen verzweifelten Joachim Löw eingefangen, der dirigierte und haderte, der schimpfte und Grimassen zog. Der sich an der äußersten Ecke seiner Coaching Zone aufbaute, um näher an seinen Spielern zu sein. Und doch selten einen erreichte.

Drei Gegentreffer musste Löw in diesen ersten 45 Minuten des Testspiels ertragen, wohlgemerkt gegen Paraguay, den Letzten der südamerikanischen WM-Qualifikationsgruppe, die Nummer 44 der Welt. Gegen ein Team, die sich im Umbruch befindet, das zuvor die lange Flugreise bis nach Deutschland auf sich nehmen musste.

Am Ende stand es 3:3. Drei Gegentore. Viel zu viele.

Es war ein kurioses Spiel in Kaiserslautern. Nicht ganz so schwindelerregend wie das 4:4 im vergangenen Jahr gegen die Schweden, weil auf niedrigerem Niveau, jedoch mit reichlich Potenzial zum Kopfschütteln.

"Das wird nicht in diesem Maße so weitergehen"

Begünstigt von schweren Abwehrfehlern brachten José Nunez (9. Minute) und Wilson Pittori (13.) Paraguay schnell in Führung, auch Miguel Samudio (45.) traf. "Es ist eine Freude, gegen eine der großen Nationen drei Tore zu schießen", urteilte Coach Victor Genes am Rande der Rührung. Ilkay Gündogan (18.), Thomas Müller (31.) und Lars Bender (75.) retteten immerhin das Unentschieden.

Nach Spielschluss hatte sich Löw wieder beruhigt, er saß nun konzentriert auf dem Pressepodium. Sein Team habe die zweite Halbzeit dominiert, stellte Löw positiv heraus, hätte im Grunde auch viel mehr als drei Treffer erzielen müssen (was auch stimmte).

Doch diese Abwehr? "Das wird nicht in diesem Maße so weitergehen", kündigte Löw in feinstem Bundestrainer-Deutsch an, "wir werden uns die nächsten Spiele stabiler zeigen." Seine Sätze sagten auch: An diesem Abend, zehn Monate vor der WM in Brasilien, hat fast nichts gepasst. Nichts war stabil.

Der defensive Plan wird den Bundestrainer in den kommenden Wochen beschäftigen. Von seinen Hoffnungen ("defensiv sensationell gut stehen, ohne Catenaccio zu spielen") war kaum etwas übrig geblieben. Löw hatte geahnt, dass seine Mannschaft wenig eingespielt zusammenfinden würde. Die Bundesliga ist gerade einen Spieltag alt, viele Nationalspieler, die in Spanien, Italien oder England ihr Geld verdienen, sind noch nicht wieder in ihren Ligabetrieb eingestiegen. Die Innenverteidigung aus Mats Hummels und Per Mertesacker hatte ein halbes Jahr nicht mehr zusammen gespielt. Auch die Verbindung nach vorne, insbesondere zu Sami Khedira, passte selten.

Jeder wusste, Hummels ist gemeint

Aber diese Fehler, in dieser Regelmäßigkeit. Löw zeigte sich schockiert. Er entschied sich für offene Worte - und wenn nicht offen, dann allerhöchstens leicht verklausuliert. Er hatte "eklatante Fehler" gesehen, zwei, drei Dinge im taktischen Bereich, die sein Team grundfalsch gemacht habe. Löw konkretisierte: "Ich muss erkennen, wann ein langer Ball gespielt wird und darf ihn mir nicht in den Rücken spielen lassen." Das sind Sätze aus dem Beginn einer Fußballer-Ausbildung, wenn Abwehrspieler lernen, auf immer wiederkehrende Spielsituationen zu reagieren.

Den zugehörigen Namen nannte Löw nicht, doch jeder wusste, dass Mats Hummels gemeint war. Der Dortmunder sah vor dem ersten und dritten Gegentor schlecht aus, agierte auch ansonsten wenig souverän. Wie schon öfters gesehen in der Nationalelf, wenn Hummels nicht die Selbstverständlichkeit mitzubringen scheint, die ihn beim BVB zumeist auszeichnet. Das Verhältnis zwischen Löw und Hummels war nie ganz spannungsfrei, nach dieser deutlichen Kritik könnte es womöglich auf eine neue Probe gestellt werden.

Neuer tobte

Auch andere Protagonisten sparten nicht mit ernsten Worten. Etwa Manuel Neuer, der Torwart, der selten von einer seiner Hintermannschaften ansatzlos vor derart schwierige Aufgaben gestellt wurde. Als es nach 13 Minuten 0:2 stand, tobte Neuer, zur Halbzeit verließ er gestikulierend das Spielfeld. Kann doch alles nicht wahr sein, stand in seinen Augen.

Eine halbe Stunde nach Schlusspfiff hatte sich Neuer wieder gefangen. In ruhigem Ton analysierte der Keeper die Partie, doch seine Worte waren alles andere als milde. "Wir haben Paraguay auf die leichte Schulter genommen", klagte Neuer, was ebenfalls ein deutlicher Vorwurf an manchen Mitspieler war. Mertesacker, der in der Innenverteidigung maßgeblich am Chaos der ersten 45 Minuten beteiligt war, sah eher fachliche Probleme als Mängel an der Einstellung: "Wir müssen im Verbund an einigen Dingen noch arbeiten. Es geht darum, die Balance zu finden."

Neuer äußerte immerhin erleichtert, dass sich diese Leistung im Testspiel gegen Paraguay ereignete, und nicht in der WM-Qualifikation, die das Team im September wieder fordert, wenn es gegen Österreich (6. September) und die Färöer (10. September) geht. Und schon gar nicht bei der WM 2014 in Brasilien, die das DFB-Team mutmaßlich erreichen wird. "Das war ein Warnschuss", mahnte Neuer, "wir sollten nun daran arbeiten, die Defensive zu stabilisieren."

Hinter ihm huschten nacheinander Khedira, Hummels, Özil, Gomez und Schmelzer vorbei, ab hinter die Stellwand, raus aus den Katakomben. Keiner von ihnen wollte die Leistung kommentieren. Es hätten ziemlich unangenehme Fragen kommen können.

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