Deutscher Erfolg im Test gegen Frankreich:Gewinner aus der zweiten Reihe

Das 2:1 der DFB-Elf gegen Frankreich bringt dem Bundestrainer wichtige Erkenntnisse: Im Tor festigt René Adler seine Rolle als Nummer zwei, im Sturm und auf der linken Abwehrseite scheint es Probleme zu geben. Vor allem aber glänzt Ilkay Gündogan als Ersatz für den verletzten Schweinsteiger.

Von Thomas Hummel, Paris

Ilkay Gündogan beendete seine Betriebsfahrt in das Stade de France wie sie auf dem Platz begonnen hatte: Alles drehte sich um ihn. Ein DFB-Mitarbeiter musste das letzte Interview des Dortmunders abbrechen, weil es kurz vor Mitternacht langsam Zeit wurde, zum Mannschaftsbus zu gehen. Gündogan ist zwar kein Mann großer Worte, er spricht mit wohliger Zurückhaltung. Und dennoch kam der Eindruck auf, er wäre gerne noch ein wenig geblieben in diesem Stadion von Paris. Dieser Ort könnte ihm einmal in Erinnerung bleiben, wenn er einst an seine Karriere im deutschen Nationaltrikot zurückdenkt.

Ein paar Minuten zuvor war er noch ein wenig verlegen gewesen. Er hatte die Frage gehört, ob er glaube, an diesem Abend ein perfektes Spiel gezeigt zu haben. "Das ist ein tolles Kompliment", antwortete der 22-jährige Mittelfeldspieler, "da muss ich mich erst mal bedanken." Gündogan lächelte dabei, erinnerte sich aber sogleich an die Dortmunder Schule, nach der ein Fußballer nie, nie, nie perfekt sein könne.

"Perfekt würde ich nicht sagen, da ist noch vieles ausbaufähig. Eine perfekte Leistung will man auch nie bringen, weil man sonst keine Ziele mehr hat." Immerhin rang sich Gündogan dazu durch, seine Vorstellung mit der Note "ordentlich" zu bewerten.

Alle Bälle zu mir

Sein Kommentar wird zwar seinen Klubtrainer Jürgen Klopp freuen, der auf lernwillige, wissbegierige Profis steht. Doch auch Klopp muss nach dem 2:1-Sieg der deutschen Nationalmannschaft in Frankreich zugeben, dass er seinem Spieler Ilkay Gündogan ziemlich viel beigebracht hat. So viel, dass Gündogan von der ersten Minute an eine Ausstrahlung mit über den Platz trug, als wäre er seit Jahren der Chef dieser DFB-Elf: Alle Bälle zu mir, ich verteile sie weiter kreuz und quer über den Platz. Die Franzosen attackieren im Mittelfeld aggressiv? Mir doch egal.

Gündogan war die Drehscheibe im deutschen Spiel. Wenn sich Bundestrainer Joachim Löw darüber freute, dass seine Mannschaft ihre Angriffe flach und kontrolliert vorgetragen habe, dann war das vor allem ein Verdienst des Dortmunders. Den Ausgleich leitete er mit einem Ballgewinn in der gegnerischen Hälfte und einem Pass auf den Torschützen Thomas Müller ein. "Er war sehr gut, er hat mir klasse gefallen", lobte Löw. Torwart René Adler fiel von hinten auf: "Was Ilkay Gündogan heute gezeigt hat, ich muss sagen, das war aller Ehren wert."

Argument gegen sich selbst

Dabei stand selbst nach der Absage von Bastian Schweinsteiger längst nicht fest, dass Gündogan den frei werdenden Posten im defensiven Mittelfeld neben Sami Khedira bekommen würde. Noch vor kurzem wäre dort Toni Kroos als erster Ersatz aufgelaufen. Mit Kroos steht die deutsche Mannschaft allerdings arg offensiv auf dem Platz, das Erlebnis gegen Schweden mit vier Gegentoren in einer halben Stunde könnte beim Bundestrainer und seinem Team nun zu einem strategischen Umdenken geführt haben: Lieber noch einen echten Sechser zur Absicherung als noch einmal so ins Verderben laufen.

Länderspiel Frankreich - Deutschland

Ilkay Gündogan (li.) zeigte gegen Frankreich eine starke Vorstellung. 

(Foto: dpa)

Zudem hat sich Gündogan bei der Borussia zu einem stabilen Faktor im Spielzentrum entwickelt. Defensiv stark, viele Kilometer unterwegs, eine (fast) perfekte Technik und dazu die Vorzüge der Dortmunder Taktikschule - der 22-Jährige hat sich rasant entwickelt im vergangenen Jahr. "Ich bin als Persönlichkeit gereift in Dortmund, auch durch die Meisterschaft und den Pokal-Sieg. Das prägt einen charakterlich", erklärte er. In Paris zeigte er nun in seinem fünften Länderspiel seine beste Leistung.

Im Tor nichts Neues

Ob sie ihm allerdings helfen wird, die Platzhalter Khedira oder Schweinsteiger dauerhaft den Kampf anzusagen? Löw sprach zuletzt zwar häufig von einem neuen Konkurrenzkampf um die Plätze, doch so ganz glauben wollen ihm das viele nicht. Zu sehr hielt der Bundestrainer in den vergangenen Jahren an bewährten Kräften fest, denen er vertraut und die ihm schon einige Freude bereitet haben.

So hat sich an den Kräfteverhältnissen im deutschen Tor durch den Test in Paris sicher nichts verändert, der starke René Adler hat lediglich seine Position zwei hinter Manuel Neuer gefestigt. Mario Gomez machte wenig Werbung für sich, weder im Kampf gegen Miroslav Klose noch gegen Mario Mandzukic beim FC Bayern.

Der inzwischen hinter den diesmal fehlenden Marco Reus und Mario Götze zurückgefallene Lukas Podolski konnte bis auf emsige Defensivarbeit keine Argumente für sich sammeln. Und ob Benedikt Höwedes noch einmal in seinem Leben Linksverteidiger spielen wird? Bleibt als Gewinner aus der zweiten Reihe vor allem Ilkay Gündogan.

Wird der Bundestrainer ihn im nächsten Spiel dennoch wieder auf die Ersatzbank setzen, gab ihm der Spieler gleich selbst eine mögliche Begründung an die Hand. Wo sich denn Ilkay Gündogan noch verbessern könne? "In puncto Torgefährlichkeit" antwortete Gündogan. Das sage ihm auch Jürgen Klopp häufiger. Sein Ziel sei, mal sechs bis acht Tore in der Saison zu schießen. Ein Dortmunder kann eben nie, nie, nie perfekt genug sein.

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