Der HSV im Abstiegskampf:Relegation oder nix

Hamburger SV players react after their German first division Bundesliga soccer match against Augsburg in Augsburg

Verloren und verschämt: Die HSV-Spieler schleichen in Augsburg vom Feld.

(Foto: REUTERS)

Der Hamburger SV wirkt im Abstiegskampf zunehmend hilflos, Trainer Mirko Slomka ist verärgert über das schwache Auftreten seiner Mannschaft. Nach der Pleite in Augsburg ist klar: Selbst wenn es mit der Relegation klappt, ist der HSV längst nicht gerettet.

Von Kathrin Steinbichler

Tomas Rincon fuhr sich noch mal durch seine regennassen Haare, von vorne, von hinten, dann strich er den Kurzhaarschnitt quer über den Kopf und fing wieder von vorne an. Der Mittelfeldspieler des Hamburger SV gewann mit jeder Bewegung Zeit, um nach diesem 1:3 (1:3) in Augsburg nach einer Antwort zu suchen, doch so wirklich wollte ihm keine einfallen.

Weshalb er glaube, dass der HSV es noch schaffen werde, in den verbleibenden zwei Ligaspielen irgendwie wenigstens noch den Relegationsplatz zu behalten? Nach einem Moment riss der Mann aus Venezuela die Augen auf, er hatte offenbar eine Antwort gefunden: "Wir müssen es irgendwie schaffen. Wenn wir selbst nicht bis zum Ende glauben, dass wir es schaffen, wird es schwer."

Wer den Spielern des HSV nach der nun achten Auswärtsniederlage unter Trainer Mirko Slomka zuhörte, musste sich denken: Es wird sehr schwer für den HSV.

Wobei man schon sehr genau hinhören musste, um die Hamburger Profis überhaupt zu verstehen. Wie kleine Jungs, die nach einem missglückten Streich einfach nur wegwollen vom Ort des Geschehens, schlichen die Spieler nach dem Abpfiff durch den Kabinengang der Augsburger Arena. Wer sich stark genug fühlte, sich den Medien zu stellen, ließ oft kaum mehr vernehmen als ein Flüstern.

Die wutverzerrten Gesichter der mitgereisten Fans und ihre lautstarke Unmutsbekundung nach dem Schlusspfiff wirkten offenbar nach. "Wir ham die Schnauze voll", skandierten die HSV-Anhänger, als ihnen die Mannschaft nach der neuerlichen Niederlage auf dem Rasen entgegentrat. "Ich kann unsere Fans verstehen, dass sie maßlos enttäuscht sind", sagte Slomka. "Sie nehmen wieder solche Reisestrapazen auf sich und erleben dann eine solche Leistung."

Für seine Spieler brachte Slomka da weitaus weniger Verständnis auf. Fast distanziert klang es, als er in der Pressekonferenz die "schwerwiegenden taktischen Fehler" bemängelte, die zu den ersten beiden Gegentreffern durch den jeweils frei stehenden Halil Altintop geführt hatten (6., 32.).

Zuordnungen seien nicht eingehalten und Mitspieler im Stich gelassen worden, daneben habe seine Mannschaft "kaum Durchschlagskraft", konstatierte Slomka, mehr noch: "Wir strahlen überhaupt keine Torgefahr aus, egal mit welchem Stürmer. Wenn unsere Torschützen immer nur Hakan Calhanoglu und Heiko Westermann heißen, ist das zu wenig."

Nur Westermann und Calhanoglu zeigen sich

Innenverteidiger Westermann war es, der kurz vor der Pause einen Freistoß von Calhanoglu per Schulter ins Augsburger Tor verlängerte (44.). Zuvor hatte HSV-Torhüter René Adler dafür gesorgt, dass André Hahn das Spiel mit dem 3:0 entscheiden und dem Heimpublikum ein Abschiedsgeschenk machen durfte, ehe er am Saisonende nach Mönchengladbach wechselt. Adler war zwar mit beiden Fäusten dran an Hahns Weitschuss, boxte sich den Ball im Torwarteck aber selbst in die Maschen (42.). "Manchmal glaube ich, das muss ein Fluch sein", murmelte der nach diesem Patzer sichtlich geknickte Adler.

Um solche dunklen Gedanken an die Unausweichlichkeit des Schicksals zu vertreiben, hatte Slomka vor dem Augsburg-Spiel einen zusätzlichen Mann ins Betreuerteam geholt. Einen "Mentaltrainer" und "Geistheiler" hat ihn der Hamburger Boulevard genannt, aber "das stimmt nicht", beschied Slomka auf der Pressekonferenz sichtlich gereizt: "Er ist Bio-Energetiker."

Joseph Kuhnert aus Nürnberg firmiert im Internet tatsächlich als Bio-Energetiker und "metaphysischer Geistheiler", doch was er macht, wollte Slomka zunehmend verärgert nicht erklären: "Sie lassen sich ja auch nicht die Arbeit eines Physiotherapeuten erklären", sagte Slomka und ergänzte: "Wir haben jemanden im medizinischen Bereich dazugeholt. Es geht weniger um mentale Dinge." Aha.

Mittelfeldspieler Tolgay Arslan wusste zu berichten, dass zwar nicht alle, aber doch einige Spieler bereits eine Einzelsitzung mit dem neuen Mann gehabt hätten, der das Spiel auf einem Tribünensitz hinter der Trainerbank verfolgt hatte. Auch er selbst sei bei ihm gewesen: "Er schickt dir positive Energie und hypnotisiert dich, er macht dich ruhig und unternimmt Gedankenreisen, solche Sachen", schilderte Arslan seine Erfahrung einem Reporter.

Ob der Bio-Energetiker im Hamburger Betreuerstab hilft oder nicht, werden nur Slomka und die Spieler beantworten können. Nur eines stand für Marcell Jansen, der die schlechte Defensivarbeit der gesamten Mannschaft bemängelte, fest: "Wir müssen begreifen, dass es um den 16. Platz geht, um nichts anderes." Oder wie Slomka meinte: "Für uns zählt die Relegation, sonst nix."

Fünf Punkte fehlen dem HSV vor dem Heimspiel gegen Bayern München und dem letzten Ligaspiel in Mainz auf den ersten Nichtabstiegsplatz, auf die beiden Direktabstiegsplätze mit derzeit Nürnberg und Braunschweig haben die Hanseaten nur einen bzw. zwei Punkte Vorsprung. "Diesen 16. Platz gilt es jetzt mit allem, was wir haben, zu verteidigen", sagte Jansen, "dann haben wir hoffentlich noch zwei Spiele." Wie das gelingen soll, wusste keiner der HSV-Profis so recht, aber "resignieren ist überhaupt nicht mein Thema", sagte Slomka.

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