Debatte um Bayern-Stürmer:Hausmitteilung gegen Gomez

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Die Spitzen von Uli Hoeneß gegen Mario Gomez sollen den Nationalstürmer nur anstacheln. Gomez müsse "ein gewisses Phlegma" ausgetrieben werden, sagt Hoeneß. Wenn das nicht klappt, könnte Gomez bald durch Robert Lewandowski oder Edin Dzeko ersetzt werden.

Andreas Burkert und Christof Kneer

Die genauen Gründe für den grußlosen Abschied von Sportdirektor Christian Nerlinger beim FC Bayern werden wohl unter Verschluss bleiben, "nicht ein schlechtes Wort" werde es "über den Christian geben", das hatte ja Präsident Uli Hoeneß bei der Präsentation des neuen Sportvorstands Matthias Sammer vor knapp einem Monat verfügt.

Soll durch Hoeneß' Kritik über die Medien nur zu höherer Leistung angestachelt werden: Stürmer Mario Gomez. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Unabhängig von diversen Nachlässigkeiten, die Sammers Vorgänger angelastet wurden, hat vielleicht auch einfach jemand schuld sein müssen an zwei Spielzeiten ohne Titel und an der größten sportlichen Enttäuschung, die Hoeneß zu verdauen hat: die Heimniederlage im Champions-League-Finale gegen Chelsea. Inzwischen hat man aber den Eindruck, mit einem einzigen Schuldigen sei es nicht getan im Königlich Bayerischen Amtsgericht. Mario Gomez, 27, dürfte diesen Eindruck jedenfalls haben. Über ihn hat Hoeneß zu Wochenbeginn gesagt: "Wenn er sehr gut wäre, wären wir jetzt Champions-League-Sieger."

Hoeneß, 60, sagt, was er denkt, anders als die meisten im selten authentischen Fußballbetrieb. Dass er einen seiner Profis aber öffentlich und fortgesetzt kritisiert, ist ungewöhnlich. Weil sich die Frage stellt, wieso er das Kapital des Klubs schwächt und nebenbei das Gemüt des Profis, der mit den Zukäufen Mario Mandzukic und Claudio Pizarro schon genug Misstrauen ausgesprochen bekam - trotz 41 Pflichtspieltoren in der Vorsaison, darunter 17 Mal der jeweils erste Münchner Treffer.

Dass der eher eindimensionale Nationalstürmertyp Gomez den früheren Nationalstürmer Hoeneß nicht grenzenlos begeistert, das hatte der Klubpatron schon Frühjahr geäußert, als Meister Dortmund davonzog. Gomez bewege sich zu wenig, kritisierte Hoeneß - eine Ansicht, die der mit ihm freundschaftlich verbundene Amateur-Trainer Mehmet Scholl während der EM als TV-Experte ("wundgelegen") praktischerweise zuspitzte. Die neue Debatte begann nun am Wochenende, als Hoeneß, wie er selbst sagt, "in einem Bierzelt bei einem Fantreffen im bayerischen Wald" über Gomez urteilte, dieser sei "gut, aber nicht sehr gut". Tags darauf hat der Präsident zielsicher nachgelegt, als er Gomez die Niederlage gegen Chelsea zuschanzte.

Die Aufregung ist jetzt groß, nicht nur bei Gomez, dem sich der Eindruck aufdrängt, man wolle ihn loswerden. Er bekommt ja über den Flurfunk des Fußballs sowieso mit, wie massiv sein Arbeitgeber weiterhin am Dortmunder Robert Lewandowski interessiert ist, dem angeblich ein Bayern-Angebot über mehr als sieben Millionen Euro Jahresgehalt vorlag; die Dortmunder haben das abgelehnt, sie gehen aber davon aus, dass die Münchner Offerte wohl auch nächsten Sommer gilt.

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Am Donnerstag war Hoeneß bemüht, die Aufregung zu dimmen. "Da war doch keine Beleidigung dabei, keine Diffamierung, natürlich will ich Mario damit nur reizen und kitzeln", sagte er der SZ. "Und ich wollte halt mal was relativieren" - jenes Loblied, das auch der gewesene Sportchef Nerlinger im April sang: Gomez sei "in den letzten Jahren zu einem der besten Torjäger Europas geworden". Anlass für die Hymne war übrigens die vom Aufsichtsrat Hoeneß goutierte Vertragsverlängerung von Gomez, den die Bayern zu großräumigen Bezügen bis 2016 an sich banden.

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Wie gesagt, das war im April, nach menschlichem Ermessen ist das erst vier Monate her. Nach unmenschlichem Ermessen kamen da aber zwei verlorene Spiele gegen Dortmund und ein verlorenes Champions-League-Finale dazwischen, was das Weltbild der Münchner erschüttert und sie in ihren Ansichten radikalisiert hat. Gomez müsse "ein gewisses Phlegma" ausgetrieben werden, sagt Hoeneß jetzt also trocken, und die Veröffentlichung dieser Hausmitteilung bezeichnet er als "die letzte Möglichkeit, dass es besser wird".

Hoeneß sagt, er habe im Fall Gomez den "Mechanismus der Medien bewusst genutzt". Er wolle Gomez anstacheln. Ein gewagter Weg, das räumt er ein, "das kann man nicht jeden Tag machen, vielleicht nur alle zwei Jahre mal. Aber wenn du so etwas machst, hast du ja noch die Hoffnung, dass sich etwas verändert". Ob das bei einem wie Gomez, der eher Rückhalt benötigt, funktioniert? "Ich bin nicht der Messias, der das vorher weiß", sagt der Präsident, "ob es richtig war, werden wir in drei Monaten sehen." Neu sei diese Art, Unzufriedenheit auszudrücken, aber nicht, betont er: "Das habe ich doch bei Bastian Schweinsteiger auch schon mal gemacht."

Im Grunde hoffen sie beim FC Bayern, dass es jetzt so kommt wie bei der EM. Hoeneß hat aus der Ferne vergnügt zur Kenntnis genommen, wie Gomez den Spott des Bayern-Angestellten Scholl zum Anlass nahm, im nächsten Spiel gegen die Niederlande mal eben zwei wunderschöne Tore zu schießen. Mit seiner Frontaloffensive gegen Gomez will Hoeneß den teuersten Transfer der Klubgeschichte auch zum besten Transfer der Klubgeschichte machen.

Gelingt es, werden sich die Bayern für ihre zünftige Art der Mitarbeitermotivation gratulieren lassen; gelingt es nicht, könnte es gut sein, dass Dortmund 2013 wieder vom FC Bayern kontaktiert wird. Lewandowski steht weiter auf Bayerns Agenda, ebenso wohl Edin Dzeko (Manchester City), den die Münchner zuletzt schon umgarnten. Nicht ausgeschlossen, dass Gomez nächsten Sommer von seinem Marktwert Gebrauch machen muss. In anderen Ländern sei sein Ansehen höher als in Deutschland, hat er zuletzt trotzig angemerkt.

"Das Wohlgefühlgehabe, das es bei uns ständig gab, ist nicht immer gut", sagt Uli Hoeneß, es könnte die zentrale Botschaft der Saison werden. Der Präsident scheint wild entschlossen zu sein, die Verpflichtung des Mentalitäts-Spezialisten Sammer zur Verschärfung des Tonfalls zu nutzen. Was Coach Jupp Heynckes vom Klimawandel hält? Er klingt weniger begeistert. "Manchmal gilt das Sprichwort: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold", sagt er im kicker zu Hoeneß' Spitzen gegen Gomez.

Matthias Sammer, der neue Sportvorstand, hält sich öffentlich noch bedeckt. Er ist kein ausgewiesener Gomez-Gegner, aber ein Befürworter seiner Spielweise ist er auch nicht. Als er in der Saison 2004/2005 Trainer beim VfB Stuttgart war, konnte er wenig anfangen mit dem damals 19-jährigen Gomez, der um ein Haar nach Leverkusen verkauft worden wäre. Aber dann wurde Sammer entlassen.

© SZ vom 03.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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