Celtic gegen Juventus in der Champions League:Duell der gedemütigten Männer

Endlich beginnt das Achtelfinale: Beim Champions-League-Duell zwischen Celtic Glasgow und Juventus Turin haben die Trainer Neil Lennon und Antonio Conte alte Rechnungen zu begleichen. Beide Coaches verbindet die Erinnerung an ein früheres Aufeinandertreffen.

Von Birgit Schönau, Rom

Im Fußball werden ja dauernd alte Rechnungen beglichen, manchmal sogar im Achtelfinale der Champions League. Bei der Begegnung Celtic Glasgow gegen Juventus Turin sind es die Trainer, die jetzt mit verschiedenen Dingen quitt werden wollen. Juves Antonio Conte, 43, hat mit dem ganzen Turnier eine Rechnung offen.

Das einzige Mal, da er es als Spieler gewann - 1996 mit Juventus -, saß er heulend in der Kabine, "mit einem Oberschenkel wie eine Wassermelone": Verletzung in der 44. Minute, Auswechslung, Schmerzen statt Freudenfeier! 1997, beim nächsten, diesmal verlorenen Finale gegen Borussia Dortmund (1:3), trat Conte erst gar nicht an. Bei den verlorenen Finals 1998 und 2003 kam er erst spät ins Spiel.

In dieser Saison führte Conte die Juve als Trainer in die Königsklasse. Es ist nicht ganz der Durchmarsch, den die alte Signora in der italienischen Liga vollführt, wo sie am Wochenende ihren Vorsprung vor dem Zweitplatzierten SSC Neapel auf fünf Punkte ausbaute, mit einem abgebrühten 2:0 gegen Florenz. Aber immerhin schaffte Juve den Gruppensieg und warf den Titelverteidiger FC Chelsea raus. Nur: Conte war wieder nur Zuschauer, wie schon als Spieler.

Wegen einer von ihm nicht angezeigten, geplanten Spielmanipulation seiner damaligen Mannschaft AC Siena wurde der Coach vom Verband für vier Monate gesperrt. An diesem Dienstag wird er endlich auf der Bank sitzen - um "der Welt zu zeigen, dass Juventus wieder Juventus ist", wie er gewohnt markig angekündigt hat.

Schwalbe oder nicht?

Juve soll wieder Juve sein? Ach, bitte nicht. Das würde nämlich Neil Lennon, Contes Gegenpart bei Celtic Glasgow, ganz ordentlich die Laune verhageln. Nicht, dass der Nordire Lennon, 41, keinen schrägen Humor hätte, erst kürzlich brachte er wieder alle zum Lachen, als er sich bei einer Pressekonferenz das Handy eines Reporters griff und dessen Ehefrau zurückrief. Aber wenn es um Juve geht, dann hört für Lennon der Spaß auf. Dann wird er ungeduldig und will nur noch: abrechnen.

Es geschah 2001, in der Champions-League-Gruppenphase. Conte war Mittelfeldspieler bei Juve, Lennon war Mittelfeldspieler bei Celtic. Seine Mannschaft hatte im Turiner Alpenstadion ein 2:2 erkämpft - bis die 90. Minute kam und mit ihr eine Strafraumschwalbe des Italieners Nicola Amoruso. Der verwandelte den gerade ergatterten Elfmeter höchstselbst zum 3:2.

Auf dem Platz brach ein Inferno los - und der mittelmäßige Stürmer Amoruso avancierte flugs zum neuen schottischen Nationalfeind, da halfen auch keine Entschuldigungen. "Ich verstehe das gar nicht", soll Amoruso später mal gestanden haben, "ich war doch nicht der erste Stürmer, der eine Schwalbe gemacht hat."

Sein damaliger Trainer Marcello Lippi sagte gar nichts zu Amorusos Tor, weder Lob, noch Tadel. Jede Menge sagte dafür Neil Lennon. Der konnte sich gar nicht mehr einkriegen über die italienische Perfidie, und als Lippi 2012 einen Vortrag vor der versammelten schottischen Trainerschaft hielt, knöpfte Lennon sich den Italiener vor: "September 2001, Juventus - Celtic. Amoruso fällt im Strafraum, war das Elfmeter oder Schwalbe?" Lippi gab schlagfertig zurück: "Kommt darauf an. Für den Trainer von Celtic war's eine Schwalbe, für den Juve-Coach ein Elfmeter."

Man kann sich vorstellen, wie Lennon am Dienstag den würdigen Nachfolger des unwürdigen Amoruso bewachen lassen wird: von Mirko Vucinic aus Montenegro. Der Mann spielt so nonchalant, als habe er Pantoffeln an und zeigt in Strafraumnähe, sagen wir, eine gewisse Hinfälligkeit. Er trifft aber auch, zuletzt gegen Florenz. Vucinic wird in Glasgow als agent provocateur versuchen, die Schotten aus der Reserve zu locken und Lennons Rechnung mit der alten Juve noch etwas aufzublähen.

Der Rest von Contes Gruppe spielt, abgesehen vom Feinpinsler Andrea Pirlo, sowieso wie die Schotten: Sie sind laufstark und ruppig und freuen sich auf das, was ihr Trainer gern "una partita maschia" nennt, eine männliche Partie. Schließlich ist Celtic auch ein Durchmarsch-Spezialist - vor dem Zweiten der schottischen Liga, Inverness Caledonian Thistle, hat man 15 Punkte Vorsprung. Es könnte also wirklich rundgehen bei der Abrechnung im Celtic Park.

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