BVB holt Unentschieden in Madrid:Früh geglänzt, spät entzaubert

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Reus überzeugt, Götze entzückt und dann kommt Mesut Özil: Nach einer überragenden ersten Halbzeit muss sich Borussia Dortmund in Madrid mit einem 2:2 begnügen. Ärgerlich ist für Jürgen Klopps Team vor allem der Zeitpunkt des Real-Ausgleiches - ein Freistoß rettet letztlich die Spanier.

Wenn deutsche Mannschaften in der Königsklasse zu Real Madrid reisen, gibt es gewöhnlich zwei Konstanten: Die Bundesliga-Teams nehmen sich viel vor, doch dann sind sie zumeist schnell schwer vom Ambiente beeindruckt und werden mit oft deftigen Niederlagen nach Hause geschickt. Deutsche Klubs hatten 23 Mal ihr Glück im Estadio Santiago Bernabéu versuchen dürfen - erfolgreich waren nur zwei Ausflüge: Bayern München gewann in den Jahren 2000 (4:2, allerdings in der damaligen Zwischenrunde) und 2001 (1:0 im Halbfinale - auf dem Weg zum Titel).

Beinahe hätte sich Borussia Dortmund am Dienstag in die kurze Siegerliste eingetragen, doch nach einer überragenden ersten und einer schwächeren zweiten Halbzeit sprang am Ende ein spektakuläres 2:2 heraus. "Das hat Spaß gemacht", sagte Dortmunds Trainer Jürgen Klopp, "es war ein Spiel zweier Teams, die mal so richtig Gas gegeben haben."

Die Partie fing für die Gäste mit einem Schreckmoment an: Nach 77 Sekunden bediente Özil mit einem perfekten 40-Meter-Steilpass zwischen die Dortmunder Innenverteidiger den Ersatzstürmer Higuaín. Der brachte den Ball aber nicht unter Kontrolle, weshalb ihm Weidenfeller mit einer wagemutigen Flugeinlage zuvorkommen konnte. Dortmund war fortan darum bemüht, so oft es ging mit fünf bis sechs Spielern in der gegnerischen Hälfte zu stehen und Real beim Spielaufbau zu stören. Innenverteidiger Neven Subotic hatte vorher als Losung ausgegeben: "Unser Job ist es, sie nicht so gut spielen zu lassen, wie sie spielen können."

Das gelang sehr schnell sehr gut, von Verschüchterung war nichts zu spüren. Mit enormer Passsicherheit und mit dem Gewinn der meisten - und vor allem der wichtigen - Zweikämpfe bekamen die Gäste das Spiel bald in den Griff und erspielten sich Chancen. Das begann in der 9. Minute, als Marcel Schmelzer von links in den Strafraum eindrang. Sein Schuss aus zwölf Metern, der neben das Tor gegangen wäre, wurde von Casillas mit dem Fuß in die Mitte des Feldes abgewehrt, doch Robert Lewandowski brauchte zu lange, um den Nachschuss auf den Weg zu bringen.

Gerne eröffneten die Gäste ihre Konter mit langen Pässen, die dann mit feinen, flinken Ballkontakten zielstrebig Richtung Real-Tor getrieben wurden. In der 14. Minute fand so ein Steilpass von Gündogan den umtriebigen Götze, der nach einem guten Dribbling an der Seitenlinie noch besser durchsteckte auf Großkreutz, dessen Flatterball Casillas Probleme bereitete.

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Real agierte danach sichtlich mit Respekt und bekam auch einfach nicht den Raum, um konstruktiv anzugreifen. Fast zwangsläufig fiel in der 28. Minute das 0:1: Lewandowski legte einen 30-Meter-Pass von Piszczek mit dem Kopf in den Lauf von Reus, dessen Rechtsschuss aus vierzehn Metern über die Faust des unglücklich aussehenden Welttorhüters Iker Casillas zur Dortmunder Führung ins Netz rauschte.

Real reagierte wütend und energisch. In der 34. Minute hatte Pepe nach einer hohen Flanke des bis dahin unauffälligen Mesut Özil kein Problem, das Kopfballduell mit Marcel Schmelzer vor dem Tor zu gewinnen und aus fünf Metern das 1:1 zu erzielen. Bezeichnend: Vor dem Tor hatte Sebastian Kehl, der mit angebrochener Nase und Gesichtsmaske spielte, erstmals einen wichtigen Zweikampf 20 Meter vor dem eigenen Tor verloren.

Als müssten sie erst einmal reflektieren, was bis dahin geschehen war, legten beide Klubs danach eine kurze Pause ein. Es waren überraschenderweise die Dortmunder, die als erstes Team wieder gefährlich wurden. Und zwar erneut nach dem Muster des ersten Tores: Weidenfellers langen Abschlag verlängerte Lewandowski in den Lauf von Großkreutz, der am Strafraum einen Madrilenen überlupfte und auf Götze passte.

Der nahm den Ball fast unmerklich mit dem Oberarm mit, behauptete sich gegen Arbeloa, der erst im letzten Moment seinen Fuß dazwischen brachte - den Ball aber aus spanischer Sicht unglücklich über Casillas ins Madrider Tor lupfte. Es gab allerdings nichts daran zu deuteln, dass die 2:1-Pausenführung der Gäste absolut verdient war.

Die zweite Halbzeit begann Real ohne den Stoßstürmer Higuaín, aber sein Ersatzmann José Callejón stürmte schon nach wenigen Sekunden allein auf Weidenfeller zu. Er traf auch ins Tor, wurde aber wegen Abseits zurückgepfiffen - eine Millimeter-Entscheidung. Madrid spielte in der Offensive nun fast wie die spanische Nationalmannschaft ohne erkennbaren Stoßstürmer.

Aber weil Real die Passfrequenz erhöhte, genauer spielte und in der Spitze mehr rochierte, wurden die Gastgeber immer gefährlicher. Die besten Gelegenheiten boten sich immer wieder Callejón. In der 49. Minute drehte er sich geschickt am Sechzehner, schoss aber knapp daneben; elf Minuten später tauchte er frei vor Weidenfeller auf, der aber schnell den Winkel verkürzte und parieren konnte.

Ohne zu eigenen Chancen zu kommen, gelang es Dortmund, das Spiel etwas zu beruhigen. Real lief oft ins Abseits, kam lange nicht mehr vors Borussen-Tor. Erst in der 79. Minute wurde es wieder gefährlich, als di Maria am Fünfmeterraum Ronaldo fand, doch dessen Flachschuss parierte Weidenfeller glänzend. In Manchester hatten die Dortmunder spät ihre Führung verspielt, die Geschichte wiederholte sich in Madrid.

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Großkreutz rettete bei einem Schuss von Callejón zwar noch auf der Linie (85.), aber Dortmund verursachte zu viele Freistöße. Ronaldo scheiterte, aber Özils Zauberball vom Strafraumeck (89.) schlug neben dem Pfosten ein. Und wie beim 1:1 in Manchester musste sich die Borussia über ein Unentschieden ärgern, das sie vor Spielbeginn liebend gerne angenommen hätte.

© SZ vom 07.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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