Bundesliga: Sonntagsspiele:Heiß und kalt

Werder Bremen hadert nach dem 91. Nordderby mit der Latte und der eigenen Einstellung - Club-Trainer Michael Oenning steht nach dem Spiel in Köln zur Disposition

Hamburger SV - Werder Bremen 2:1 (2:0)

Bremens Naldo und Hamburgs Marcell Jansen

Bremens Naldo und Hamburgs Marcell Jansen kämpfen um den Ball.

(Foto: Foto: AP)

Der Hamburger SV gewinnt das 91. Nordderby gegen Werder Bremen 2:1 und rückt vor auf Platz vier. Bremen trifft drei Mal die Latte und hadert mit der eigenen Einstellung.

Von Ralf Wiegand, Hamburg

Die eigentliche Überraschung in der Hamburger Arena war nicht, dass der HSV dieses Spiel gewann, mit 2:1 (2:0) Toren gegen Werder Bremen. Die Hamburger hatten zuletzt in der Bundesliga einen leichten Aufwärts-, die Bremer einen deutlichen Abwärtstrend. Ein Sieg für die Heimmannschaft lag in diesem 91. Nordderby im Bereich des Möglichen, er lässt dem HSV realistische, dem SV Werder nur noch vage Chancen auf die deutsche Meisterschaft.

Überraschend war aber doch, wie packend, ja beinahe gut diese Partie war, denn sie fand auf einem Rasen statt, der so hart gefroren war, dass die Helfer in der Halbzeit die roten Kreidelinien mit einem handelsüblichen Kehrbesen freifegen konnten. Denn zu der Kälte schneite es auch noch stark und ausdauernd. Aber es kann wahrscheinlich gar nicht kalt genug sein, als dass sich diese beiden Mannschaften nicht eine sehr, sehr heiße Partie liefern würden.

Es hätte zur Pause schon 3:0 für die Hamburger stehen können, denn Sekunden vor dem Halbzeitpfiff verpasste Joris Matthijsen nur knapp den Ball und ein sicheres Tor. Zu diesem Zeitpunkt erlebte das Spiel seinen Höhepunkt, schien von einer Minute auf die andere auf beiden Seiten alles möglich - und das, wo doch schon so viel passiert war. Beispielsweise ein frühes Tor für den HSV in einer Phase, in der beide Mannschaften noch Vertrauen suchten in den ungewohnten Untergrund, der sowohl Klimawandel als auch Rasenheizung trotzend schön durchgefroren war.

Viele Spieler balgten sich auf wenig Raum und versuchten, mit kurzen Pässen den Ball laufen zu lassen, anstatt sich selbst der Rutschgefahr auszusetzen. Folgerichtig bedurfte es eines ruhenden Balles, es war die erste Ecke für den HSV, die der holländische Innenverteidiger Matthijsen - neben dem Bremer Naldo und HSV-Heißdüse Jerome Boateng einer von drei Spielern, die mit kurzen Ärmeln spielten - per Kopf ins Tor bugsierte (10. Minute).

Fortan bewegten sich die Bremer, deren textile Winterausrüstung exakt die gleiche Farbe hatte wie der neon-orange Ball, gezwungenermaßen etwas zielstrebiger über den Platz. Marin, Özil, Hunt, die an guten Tagen ohnehin über den Platz zu schweben scheinen, setzten ihre Gewichtsvorteile in schnelle Dribblings um.

Allerdings kam bis auf einen spektakulären Lattentreffer nach Fallrückzieher von Naldo (27.) nichts weiter dabei heraus als eine rote Karte für den Gegner. Die kassierte (besagte Heißdüse) Boateng nach etwas mehr als einer halben Stunde, weil er den solo aufs Tor eilenden Bremer Marin eher zart aus dem Takt rempelte, nach Ansicht von Schiedsrichter Florian Meyer als letzter Mann.

In dieser Phase sah es nicht gut aus für die Hamburger, denn Werder hatte schon elf Gegner minutenlang in die eigene Hälfte gedrängt. Doch mit dem personellen Vorteil im Rücken fielen die Bremer wieder in das verhängnisvolle Verhaltensmuster der letzten Saison und warfen, als wäre jede Sekunde Schluss in der Arena, schon zehn Minuten vor der Pause alles nach vorne. Der HSV brauchte nur einen Konter, den Marcell Jansen gegen den übermütig herausstürmenden Keeper Wiese mit einem Flachschuss ins leere Tor abschloss, um die Partie viel zu früh zu entscheiden (36. Minute).

Das wusste zu diesem Zeitpunkt natürlich noch niemand, aber Werder sollte einfach kein Anschlusstor gelingen. Prödl verpasste mit einem Kopfball das Tor knapp, und nach dem Wechsel lieferten die Bremer den Ball zwar immer wieder zuverlässig in den HSV-Strafraum, dort aber geschah lange nichts Entscheidendes. Obwohl Pizarro wieder mitspielte und bald auch in Rosenberg (für Prödl) ein dritter Angreifer aufs Feld kam, erzwangen die Bremer zu spät Chancen durch Hunt (84.) und Marin (86.), die jeweils nur die Latte trafen. In der Nachspielzeit erzielte Naldo noch das 1:2, doch der kämpferische HSV feierte letztlich einen verdienten Sieg.

FC Köln - FC Nürnberg (1:0)

1. FC Köln - 1. FC Nürnberg 3:0 (1:0)

Bundesliga: Sonntagsspiele: Lukas Podolski im Schnee.

Lukas Podolski im Schnee.

(Foto: Foto: Getty)

Köln gewinnt verdient mit 3:0 gegen Nürnberg und schafft den Sprung auf Platz zwölf. In Nürnberg dagegen soll es in der Winterpause personelle Veränderungen geben.

Aufsteiger 1. FC Nürnberg überwintert nach einem 0:3 (0:1)-Debakel im Krisenduell beim 1. FC Köln auf einem Abstiegsplatz. Pedro Geromels Kopfballtreffer (37. Minute) und die Tore von Milivoje Novakovic (70./77.) bescherten dem Club am Sonntagabend die vierte Pleite nacheinander, Lukas Podolski & Co. dagegen verhinderten mit ihrem zweiten Heimsieg einen historischen Negativ-Rekord.

Geromel beendete nicht nur die 408-minütige Kölner Torflaute in der Fußball-Bundesliga; mit den Saisontreffern acht, neun und zehn blieb dem FC zudem die bislang schlechteste Bundesliga-Bilanz (sieben Tore nach 17 Spielen) erspart. Nürnbergs Juri Judt sah wegen wiederholten Foulspiels die Gelb-Rote Karte (84.).

Im rheinischen Schneetreiben kamen die Gastgeber mit den schwierigen Platzverhältnissen besser zurecht. Taner Yalcin (7.), Novakovic (9.) und Adil Chihi (17.) kamen zu den ersten Mini-Chancen, doch erst nach 37 Minuten war die traurige Torlos-Zeit für den FC beendet. Nach einem Eckball von Chihi köpfte Geromel das erste Kölner Heimtor seit dem 17. Oktober, als Novakovic zum 1:0-Siegtreffer gegen den FSV Mainz 05 getroffen hatte. Damit vermied der Club auch einen unfreiwilligen Eintrag in die Bundesliga-Geschichtsbücher.

Hätte Köln keinen Treffer erzielt, hätte der Geißbock-Club eine Tiefstmarke unterboten: Nur sieben Tore nach 17 Begegnungen hatte noch nie ein deutscher Erstligist. Tasmania 1900 Berlin (1965/66) und Eintracht Frankfurt (1988/89) halten bislang mit jeweils acht Treffern die Spitzenposition dieser Minus-Rangliste. Doch nach den 90 Minuten interessierten all die negativen Zahlenspielereien nicht mehr. Die FC-Fans unter den 44 500 Zuschauern feierten den höchsten Saisonsieg ihrer Mannschaft mit Sprechchören.

Dabei hatten sie vor allem in den ersten 45 Minuten keine gute Partie gesehen. Dafür waren die spielerischen Mittel auf beiden Seiten zu bescheiden. Vor allem den Nürnbergern merkte man nach zuletzt drei Niederlagen in Serie und 0:9 Toren die Verunsicherung an. Obwohl Nürnbergs Coach Michael Oenning in Juri Judt, Pascal Bieler, Marcel Risse und Isaac Boakye gleich vier Neue brachte, änderte sich am ideen- und planlosen Auftritt wenig - den Franken gelangen nur wenige ansehnliche Angriffe.

In Köln dagegen kann sich Trainer Zvonimir Soldo etwas beruhigter in die Winterpause verabschieden. Erfreulich aus Kölner Sicht war zudem, dass beim dritten Treffer das lange verhinderte Traum-Duo Novakovic/Podolski endlich harmonierte. Nach schöner Hereingabe von Lukas Podolski musste Novakovic nur noch einschieben.

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