Biathlon-WM:Verloren am Schießstand

IBU Biathlon World Championships - Mixed Relay

Miriam Gössner: Probleme am Schießstand.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Die Deutschen kassieren in der Mixed-Staffel zum Auftakt der Biathlon-WM eine krasse Niederlage. Das Quarett hat in der Loipe Probleme - und am Schießstand große Probleme. Weltmeister wird Norwegen vor Frankreich. Tschechien holt bei der Heim-WM überraschend Bronze.

Von Volker Kreisl, Nove Mesto

Als dann Schlussläufer Andreas Birnbacher sein Glück versuchte, waren die Deutschen schon verschluckt. Die Stadionregie, zuständig für die Monitoranzeige, konnte bei Wechseln und Zwischenzeiten nicht mehr warten, bis die Biathleten des Deutschen Skiverbandes des Weges kamen, zu groß war der Abstand zur Spitze, zu der wieder umgeschaltet werden musste. Denn da tobte ja der Kampf um den Sieg und um Platz drei bei dieser Mixed-Staffel.

Irgendwo wischte dann noch mal Birnbachers blaue Mütze durchs Bild, doch mit zweieinhalb Minuten Rückstand war sein Beitrag zu diesem ersten WM-Rennen in Nove Mesto nun unerheblich. Für sein Team war dies nicht nur ein Fehlstart, es war die krasseste Niederlage, die eine deutsche Biathlonstaffel je bei einer WM kassierte. Ja, für die feiernden Partygäste war dies sogar gar keine Niederlage mehr - die Deutschen waren ja nicht mehr zu sehen, schlicht herausgefallen aus dem Bewusstsein des Publikums.

Das konnte sein Glück kaum fassen an diesem Abend. Die tschechischen Veran-stalter hatten mit einigem Bangen dem ersten Rennen entgegengesehen, sie hoffen ja auf einen Biathlon-Aufschwung in ihrem Land. Dann kamen trotz eines bitterkalten Abends 27 000 Zuschauer, veranstalteten einen Krach, als träten da unten nicht konzentrierte Sportler in Aktion, sondern die Rolling Stones.

Immer lauter wurde es auch deshalb, weil sich Tschechiens Biathleten anstecken ließen und Schlussläufer Ondrej Morasev im Stehen auch noch schoss wie ein Rockstar: schnell, rhythmisch, mitreißend. Er führte sein Team zum Bronzeplatz hinter den Norwegern und den zweitplatzierten Franzosen.

Das deutsche Trauerspiel hatte da längst seinen Lauf genommen. Platz 13, dazu gerötete, versteinerte und weinende Athletengesichter bildeten einen bizarren Festtagskontrast. Dabei sind Andrea Henkel, Miriam Gössner, Simon Schempp und Birnbacher erfahrene Athleten, zu deren Alltag in einem Nervensport auch saftige Niederlagen zählen. Heftig war ihre Reaktion auch deshalb, weil sie von Beginn an zur Zweitklassigkeit bestimmt waren, und offenbar nichts dagegen tun konnten.

Wie immer galt es am Ende, das Wort nicht offen gegen die Kollegen von der Wachs-Abteilung zu erheben, ein Gebot der Solidarität. Andererseits sprachen die Abstände und die Einzelresultate Bände. Als Henkel loslief, hatte sie schon Mühe den Anschluss an die Spitze zu halten.

Am Schießstand erlaubte sie sich dann je einen Fehler, der kostet normalerweise zehn Sekunden, ihr Rückstand auf die Spitze betrug aber am Ende 45 Sekunden. Macht nichts, dachten sich dann manche deutschen Zuschauer, denn jetzt kam ja die schnelle Gössner, die das mit ihrem energischen, vornüber gebeugten Laufstil schon wieder aufholen würde. Doch für Gössner wurde es besonders unangenehm.

"Einfach ein schlechtes Rennen"

"Es ist einfach ein schlechtes Rennen gewesen", sagte sie, nachdem sie wieder halbwegs beruhigt hatte, "ich habe von Anfang an gemerkt, dass nichts geht." Statt zu schmelzen wuchs ihr Rückstand stetig an. "Am Ende hatte ich sogar Mühe, im Windschatten noch den Anschluss zu halten." Gössner überstand das erste Schießen mit einem Nachlader halbwegs schadlos, dann rieb sie sich offensichtlich auf.

Mit mehr als einer Minute Rückstand erreichte sie den Stehendanschlag, traf zweimal, geriet sie aus dem Rhythmus und verlor die Ruhe fürs Schießen. Fünf Fehler bedeuteten eine Strafrunde, und schließlich knapp zwei Minuten Rückstand. Für die nachfolgenden Schempp und Birnbacher war klar: Nichts ging mehr im Kampf um einen Podiumsplatz, bei der Klasse, die die Mixed-Besetzungen der Konkurrenz mittlerweile haben - war allenfalls eine persönliche annehmbare Leistung fürs WM-Selbstbewusstsein noch drin. Aber auch Schempp und Birnbacher liefen, als hätten sie einen Tempoma eingeschaltet.

Wäre man gehässig, könnte man vermuten, dass Kollege Arnd Peiffer, der das Ganze wegen mangelhafter Schieß- und Laufleistungen von außen verfolgte, an diesem Abend der glücklichste Deutsche war. Wie manch anderer prominenterer internationaler Kollege wurde der Weltmeister von 2011 von aktuellen Form-Besseren verdrängt.

Gefehlt hatten an diesem Abend auch Simon Fourcade aus Frankreich, WM-Silbergewinner 2012, oder der Russe Jewgeni Ustjugow, derzeit Dritter im Gesamtweltcup. Wie diese Kollegen braucht auch Peiffer frisches Selbstvertrauen. Dass er für eine Mixed-Staffel nicht nominiert wurde, war für ihn aber okay: "Ich habe mir das in diesem Jahr einfach nicht verdient." Zweimal hatte er ja in der Saison alle Scheiben verfehlt, außerdem nciht seine Laufdynamik zeigen können. Ein Abend wie dieser hätte ihn zurückgeworfen.

Mitgelitten dürfte er dennoch haben, bei den spärlichen Bildern, die die im Off laufenden Deutschen noch zeigten. Und vermutlich hätte er ähnlich wie die Geschlagenen damit gerungen, von der eigenen Fehlleistung nicht abzulenken, aber dann doch ein bisschen von dem herauszulassen, was man so denkt. Andrea Henkel hatte dann doch gesagt, dass die Ski "diesmal nicht ganz so optimal" waren. Und Gössner meinte an einer Stelle: "Ich bin noch nie so schlecht gelaufen!" Und an einer anderen: "Um meine Form mache ich mir grundsätzlich keine Sorgen."

Wer genau hinschaute, der bekam dann doch noch etwas von Andreas Birnbacher mit. Irgendwie war er mit dem Schlussläufer der Schweiz ins Stadion gekommen, und auch wenn es nur noch um Platz zwölf ging , hatte ihn der Ehrgeiz gepackt. Birnbacher riss die Augen auf und setzte zum Sprint an, aber Benjamin Weger hielt dagegen. Knapp war es, und das Resultat - eine letzte Ohrfeige - nicht sofort ersichtlich.

Zwölfter oder Dreizehnter?

Dreizehnter.

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