Berliner Derby zwischen Hertha und Union:Aufschwung mit Mattuuuuschka

1. FC Union Berlin - SV Sandhausen

Kultfigur: Torsten Mattuschka (rechts) von Union Berlin.

(Foto: dpa)

Das vierte Stadtderby zwischen Hertha BSC und Union Berlin ist das erste, das man ohne Scham als Spitzenspiel bezeichnen darf. Beide Teams können noch aufsteigen, vor allem Union Berlin hat sich im Saisonverlauf gesteigert. Das hat auch mit Kultfigur Torsten Mattuschka zu tun.

Von Boris Herrmann, Berlin

Derbys sind phantastisch. Und der 1. FC Union ist auch phantastisch. Sehr konstant, sehr stabil. Davor muss man Respekt haben. Union ist ganz klar ein Aufstiegskandidat.

Wer so redet, wohnt nicht selten im Berliner Stadtteil Köpenick.

Wer so redet, ist dagegen extrem selten Cheftrainer von Hertha BSC. Und deshalb hat die eingangs zitierte Laudatio des Hertha-Coaches Jos Luhukay durchaus Wellen geschlagen in Berlin, der Hauptstadt der zweiten Bundesliga. Sie gehen im Moment ja überhaupt auffällig höflich miteinander um, die Blauen und die Roten. Zu einem echten Derby, so meinen Traditionalisten, gehöre indes auch ein gesundes Maß an Abneigung. Angesichts der gespenstischen Harmonie vor der Spiel zwischen Hertha und Union am Montag ( 20.15 Uhr/Sport1) im Olympiastadion fragen sich deshalb schon die ersten: Macht es so eigentlich noch Spaß?

Unions Kapitän Torsten Mattuschka, 32, wäre der Letzte, der im Verdacht stünde, sich vor einer kleinen Provokation zu drücken. Schmeicheleien jeder Art sind ihm fremd. Andererseits fällt es auch ihm schwer, Luhukay der überschwänglichen Nettigkeit zu bezichtigen. Denn: Was hätte der höfliche Herthaner anderes sagen sollen angesichts der Tabelle? "Es geht mit Union bergauf, das ist nun mal Fakt", so sieht das auch Mattuschka.

Das vierte Berliner Stadtderby ist das erste, das man ohne Scham als Spitzenspiel bezeichnen darf. Hertha (45 Punkte) kann sich den Aufstieg vermutlich nur noch selbst verbocken (etwa durch die Verpflichtung von Rehhagel oder Skibbe). Und Union (30 Punkte) ist weiterhin im Relegations-Rennen. Das mit Hertha verwundert keinen, das mit Union durchaus. Schon nach dem Hinrunden-Derby (Endstand 1:2) standen die Köpenicker auf dem Relegationsplatz - allerdings auf dem unteren. Danach aber verloren sie nur noch drei von sechzehn Ligaspielen. Was ist seither passiert mit diesem Team, das nach Meinung unabhängiger Experten weder mit dem Abstieg noch mit dem Aufstieg zu tun haben dürfte? "Wir sind in der Krise abgewichster geworden", sagt Mattuschka.

Nicht immer jugendfrei

Was er von sich gibt, ist nicht immer jugendfrei. Aber die Union-Fans lieben ihren Kapitän auch deshalb, weil er sich nach all den Profijahren weiterhin so ausdrückt wie sie. Natürlich waren auch fünf Tore und fünf Vorlagen im Spätherbst und Frühwinter seinem Ruhm nicht abträglich. Mattuschkas Saison verlief bislang kongruent zur Formkurve der ganzen Mannschaft: mieser Start, glänzender Mittelteil, offenes Ende. "Ein bisschen gucken und die anderen ärgern", so sieht er die Rolle von Union im Schatten der Tabellenspitze.

Mattuschka mimt dabei gleichzeitig den Spielmacher und das Maskottchen. Der in seinen Huldigungen sehr bewusst abwägende Union-Anhang hat ihm gar ein eigenes Lied gewidmet. Sein Nachname klingt darin, den Zwängen der Melodieführung geschuldet, wie Matuuuuschka. Vor zwei Jahren beim Berlin-Derby im Olympiastadion war der rot-weiße Gästeblock mit seinem Gesang gerade irgendwo zwischen dem vierten und fünften U angelangt, als dieser Mattuuuuschka das Siegtor für Union erzielte. Muss man ein Wort darüber verlieren, was danach im Union-Block los war? Im Internet kursieren zahlreiche Videomitschnitte von diesem Moment. Wenn es Mattuschka schlecht geht, schaut er sich das manchmal an. Er findet es: "bewegend".

Mattuschka ist ein eiserner Überzeugungstäter. Rhetorisch, moralisch, sportlich. "Nur Schönspielerei geht nicht bei uns", sagt er. Das gilt auch und vor allem für ihn selbst. Mattuschkas größte Stärke ist, dass er weiß, wo seine Schwächen liegen. Er sagt: "Ich bin sicherlich nicht die Elfe, die über den Platz schwebt." Nee, sicherlich nicht. Und besonders schnell ist er eigentlich auch nicht. Standards und Zweikämpfe, das ist schon eher seine Welt. Oder, wie er es selbst ausdrückt: "Wenn es sein muss, kann ich auch mal dazwischenschroten." Mattuschka verkörpert nicht unbedingt die klassischen Tugenden eines modernen, zentralen, offensiven Mittelfeldspielers. Und vielleicht passt er gerade deshalb so gut zu Union. Weil man dort mit größter Sorgfalt daran arbeitet, niemals ein klassischer Verein zu werden.

Acht Jahre ist der gebürtige Cottbuser Torsten Mattuschka jetzt in Köpenick. Als er kam, war der Verein ganz unten. In der Oberliga Nordost, oder wie sie bei Union sagen: in der Hölle. In den Folgejahren ging Mattuschka mit seinem Klub dann durch alle Instanzen, bis hinauf in die Spitzengruppe der zweiten Liga. "Man wächst mit seinen Aufgaben", sagt er. Wohl wissend, dass der Wachstumsprozess bei ihm nicht immer störungsfrei verlief.

Zu Beginn dieser Saison galt Mattuschka bei Union als Auslaufmodell - mal wieder. Laut eigener Schätzung hat der Klub in den vergangenen Jahren bereits drei bis vier potenzielle Nachfolger für ihn verpflichtet. Am Ende baute Trainer Uwe Neuhaus ihn trotzdem immer wieder in seine Stammelf ein. Neulich hat der 1. FC Union Berlin den Vertrag mit Torsten Mattuschka vorzeitig bis 2014 verlängert.

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