Bayern-Trainer Jupp Heynckes:Hier spricht der Chef

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Nach einer Woche mit viel Aufmerksamkeit für den neuen Sportvorstand Matthias Sammer hält FC-Bayern-Trainer Jupp Heynckes zum Abschluss des Trainingslagers am Gardasee ein zorniges Plädoyer in eigener Sache. Seine Botschaft: Ich bin mächtig.

Benedikt Warmbrunn, Riva del Garda

Leise plätscherte das Wasser in einem Becken, die Palmen wedelten sanft im Wind, doch Jupp Heynckes hatte dafür keinen Blick. Zügig ging er durch diesen Hof, er stellte sich sofort hinter den Tisch, den sie vor einer Leinwand aufgebaut hatten, faltete die Hände und drückte die Brust ein bisschen raus. So wartete er, bis alle ganz aufmerksam waren. Dann erhob er seine Stimme. Jupp Heynckes sprach nicht so wie sonst, also nicht nüchtern und kontrolliert. Stattdessen war er energisch, dynamisch, vor allem aber war er erzürnt.

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Heynckes hielt eine verteidigende und auch lobende Rede auf einen Mann, dem seiner Meinung nach in den vergangenen Wochen viel Unrecht angetan wurde. Es war ein Plädoyer für einen gewissen Jupp Heynckes, 67, Trainer des FC Bayern München.

Der Freitag war der letzte Tag des Trainingslagers des FC Bayern am Gardasee, und es war der letzte Tag einer Woche, in der Heynckes von Stunde zu Stunde an Reputation zu verlieren schien. Alles drehte sich um Matthias Sammer, den neuen Sportvorstand, darum, wie sehr dieser den Klub revolutionieren werde. Seit Tagen wartet Fußball-Deutschland auf eine Regierungserklärung von Sammer, am Dienstag hatte er bereits vor den Medien gesprochen. Sammer war gut, er wurde aber nicht konkret - und dennoch blieb der Eindruck, dass da einer gekommen ist, der den FC Bayern prägen wird.

Am Donnerstag kursierte dann noch die Meldung, dass Bastian Schweinsteiger in der nächsten Woche nicht mit der Mannschaft nach China fliegen werde, auf Wunsch des Spielers. Heynckes dagegen stand nur Tag für Tag auf dem Trainingsplatz, hin und wieder sagte er ein paar trockene Sätze.

Eigentlich war Heynckes also so wie immer, und doch wirkte es auf einmal so, als sei er nur noch eine Marionette, an der jeder im Klub nach Belieben ziehen könne.

Als Heynckes hinter dem Tisch im Hotel-Innenhof in Riva del Garda stand, betonte er, dass er nie ein "Verkäufer meiner selbst" gewesen sei; an diesem Tag musste sich das aber ändern, deshalb war er ja da. Heynckes sagte also, dass er die vergangene Saison mit den drei zweiten Plätzen "umfangreich" analysiert habe, nun habe er "ganz klare Vorstellungen" davon, was passieren müsse, um wieder Titel zu gewinnen. Und, das war die Kernbotschaft seiner eigenen Regierungserklärung: Er, Heynckes, habe weiter die Macht, um zu entscheiden, was sich verändern soll.

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Besonders zornig war Heynckes ja über die Schweinsteiger-Meldung gewesen, am Donnerstag noch hatte er nach dem Training die Reporter-Fragen brüsk abgewehrt. Am Freitag schimpfte er immer noch, er ärgerte sich über "unseriösen Journalismus". Vor allem aber ärgerte er sich darüber, dass seine Autorität in Frage gestellt wurde.

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Schweinsteiger, der während der EM müde gewirkt hatte, werde nicht mit nach China fliegen, das schon, aber dies habe er, der Trainer, dem deutschen Nationalspieler bereits in einem Telefonat am Anfang seines Urlaubs mitgeteilt. "Die Entscheidung hat bei mir während der Europameisterschaft Form angenommen", sagte Heynckes. Schweinsteiger wird sich daher in der nächsten Wochen in München fit halten, genauso wie Philipp Lahm. Ob der Kapitän diesen Wunsch geäußert habe? Allein die Frage sei "eine halbe Beleidigung", rief Heynckes: "Das ist doch klar, dass ich das entschieden habe!" Außerdem: In einer Mannschaft seien die Spieler am wichtigsten - "nach dem Trainer".

So redete sich Heynckes also seine Macht zurück, und dabei kam er natürlich nicht an der Personalie Sammer vorbei. Der Trainer erklärte zunächst, dass Sammer nur nach München gekommen sei, "weil ich mein Okay gegeben habe". Es war ein Satz, der die Rangordnung wiederherstellen sollte, laut Heynckes begegnen sich der Sportvorstand und er nämlich als "Partner auf Augenhöhe". Die Aufgaben seien klar verteilt, reinreden werde Sammer ihm nicht, gerade nicht ihm.

Es war ja darüber spekuliert worden, ob der Sportvorstand in Zukunft mit über die Taktik bestimmen werde; Sammers oft wiederholte Aussage, wonach ein paar Prozentpunkte fehlten, war ja auch darauf gerichtet, dass der FC Bayern in der vergangenen Saison zu berechenbar gespielt hatte. "Ich habe schon mit spanischen Präsidenten zusammenarbeiten müssen", sagte Heynckes, "da musst du cojones haben und Mut, sonst wirst du verraten und verkauft."

Dass das System variabler werden muss, das hat Heynckes in seiner Analyse natürlich auch selbst festgestellt. Was Sammer "Prozentpunkte" nannte, nannte der Trainer "Nuancen". So will er sich nicht wie in der vergangenen Saison auf eine 4-2-3-1-Formation festlegen, wenngleich er diese weiter bevorzugt. Wegen der Zugänge Claudio Pizarro und Mario Mandzukic kann Heynckes sich auch ein 4-4-2 vorstellen, "da müssen dann aber alle mit nach hinten arbeiten". Entscheiden wird dies im Einzelfall er. Nur er.

Als Jupp Heynckes der Meinung war, dass seine Macht wieder hergestellt war, verließ er den Innenhof. Zu Beginn des Trainingslagers hatte er sich noch einen Muskelfaserriss zugezogen, doch davon war nichts mehr zu sehen. Jupp Heynckes ging leicht und unbeschwert.

© SZ vom 21.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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