WM-Affäre:DFB-Spitze wusste von Beckenbauer-Warner-Deal

Der DFB versinkt immer tiefer in der WM-Affäre. Ex-Präsident Niersbach wusste offenbar seit Wochen von dem dubiosen Deal mit Jack Warner, verschwieg das aber den DFB-Gremien und der Öffentlichkeit.

Von Hans Leyendecker, Georg Mascolo und Klaus Ott

Der zurückgetretene DFB-Präsident Wolfgang Niersbach und seine beiden engsten Mitarbeiter, Generalsekretär Helmut Sandrock und Vize-General Stefan Hans, sollen schon vor Wochen von dem ominösen Vertrag zwischen Franz Beckenbauer, dessen Vertrautem Fedor Radmann und Jack Warner gewusst haben. Der DFB hatte in seinen Stellungnahmen zu der Affäre die Öffentlichkeit nicht über diesen Fund unterrichtet und den Vorgang lange verschwiegen.

Auch wurde das DFB-Präsidium lange nicht über den Vorgang informiert. Als dem Präsidium an diesem Montag dann aufgrund der Ermittlungen der dafür angeheuerten Wirtschaftskanzlei Freshfields der Vertrag bekannt wurde, führte das schließlich zum Rücktritt von Niersbach. Ein Sprecher des DFB sagte auf SZ-Anfrage, der Verband äußere sich dazu wegen der laufenden Ermittlungen nicht.

Vize-General Hans ist intern wegen des Vorgangs beim DFB stark unter Druck geraten, weil er den Warner-Deal schon vor Wochen entdeckt, aber dieses Wissen angeblich für sich behalten haben soll. Hans teilte dazu jetzt in einem Brief den Mitgliedern des DFB-Präsidiums mit, dass er damals Niersbach und Sandrock unverzüglich telefonisch informiert habe. Mit diesem Brief will sich der Vize-General offenbar gegen den Verdacht wehren, er habe die Verbandsspitze in Unkenntnis über den brisanten Fund gelassen. Mit der Darstellung von Hans und dessen Brief an das Präsidium gerät auch Sandrock in den Sog der Affäre, zugleich belastet der Vorgang auch Niersbach.

Niersbach wollte sich ebenso wie der DFB nicht zu diesen Vorgängen äußern. Sandrock war telefonisch nicht erreichbar.

Was im Jahr 2000 passierte

Am 2. Juli 2000 hatte Beckenbauer dem damaligen Fifa-Vizepräsidenten Jack Warner, und dem von Warner geleiteten Verband für die Karibik, Nord- und Mittelamerika (Concacaf) zahlreiche Vorteile zugesichert. Wenige Tage später, am 6. Juli 2000, vergab das Fifa-Exekutivkomitee mit 12:11 Stimmen die Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland. Einer der Wahlmänner war Warner. Er ist kürzlich von der Fifa-Ethikkommission wegen diverser Vergehen inklusive Bereicherung auf Lebenszeit für alle Fußball-Ämter gesperrt worden. Der damalige Vertrag zwischen Beckenbauer und Warner wird im DFB inzwischen als möglicher Bestechungsversuch betrachtet.

Niersbach hatte nach eigener Darstellung bereits im Juni 2015, vor fünf Monaten also, Hinweise auf mögliche Unregelmäßigkeiten in Zusammenhang mit der WM 2006 erhalten. Es ging damals offenbar schon um jene Zahlung des deutschen Organisationskomitees (OK) der WM an die Fifa in Höhe von 6,7 Millionen Euro, die heute für so viel Ärger sorgt. Niersbach soll daraufhin Vize-General Hans gebeten haben, die Verbandsakten zu durchforsten. Bei der Sichtung von Archivunterlagen wurde auch der Beckenbauer-Warner Vertrag entdeckt.

Als der Spiegel Mitte Oktober die 6,7-Millionen-Euro-Zahlung enthüllte, nahm Niersbach erst im DFB-Präsidium und anschließend bei einer Pressekonferenz dazu Stellung. Bei beiden Gelegenheiten erwähnte Niersbach aber den Beckenbauer-Warner-Deal nicht, obwohl er nach der Darstellung von Hans damals schon von diesem Vertrag gewusst haben könnte. Im DFB-Präsidium löst das jetzt Unverständnis, Kopfschütteln und blankes Entsetzen aus. Die Frankfurter Verbandszentrale und die alte Funktionärsgarde aus WM-Zeiten, so der Eindruck, hätten versucht, fragwürdige Vorgänge zu vertuschen.

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