WM-Affäre:Wolfgang Niersbach tritt zurück

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  • Konsequenzen aus seiner Verwicklung in die Affäre um die WM-Vergabe 2006: Wolfgang Niersbach ist als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes zurückgetreten.
  • Gleich mehrfach verstrickte er sich in Widersprüche bei der Frage, wann genau er von welchen Details des Skandals erfahren haben will.

Wolfgang Niersbach ist im Zuge der WM-Affäre als DFB-Präsident zurückgetreten. "Ich habe für mich erkannt, dass der Zeitpunkt gekommen ist, die politische Verantwortung zu übernehmen", sagte Niersbach nach einer Präsidiumssitzung des Deutschen Fußball-Bundes. Die beiden Vizepräsidenten Reinhard Rauball und Rainer Koch übernehmen nach dem Krisengipfel die Geschäfte.

In einer persönlichen Erklärung wies Niersbach jedwedes Fehlverhalten in den Bereichen zurück, für die er vor der WM 2006 zuständig war. "In den mir zugeteilten Bereichen Marketing, Medien, Akkreditierungen und Veranstaltungsorganisation kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass ich mir persönlich absolut nichts vorzuwerfen habe." Allerdings sei er vor wenigen Wochen mit Vorgängen konfrontiert worden, in die er damals nicht einbezogen gewesen sei und die auch für ihn viele Fragen offenließen, sagte Niersbach.

"Ich bleibe dabei und möchte noch einmal unmissverständlich klarstellen, dass ich von den Hintergründen der im Raum stehenden Zahlungsflüsse keinerlei Kenntnis hatte. Umso schwerer ist mir die Entscheidung gefallen, die politische Konsequenz daraus zu ziehen." Er werde auch nach seinem Rücktritt zu einer umfassenden Aufklärung beitragen.

Ermittlungen wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung

Der 64-Jährige war in dem Skandal um dubiose Geldflüsse vor der Weltmeisterschaft 2006 zuletzt schwer unter Druck geraten. In der vergangenen Woche durchsuchte die Steuerfahndung sowohl die DFB-Zentrale in Frankfurt als auch Niersbachs Privatwohnsitz in Dreieich. Gegen Niersbach, seinen Vorgänger Theo Zwanziger und den früheren DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall.

Noch vor wenigen Wochen sah es so aus, als könne Niersbach sogar zum neuen Uefa- oder Fifa-Präsidenten aufsteigen. Stattdessen brachte ihn die Affäre um die WM-Vergabe 2006 immer mehr in Bedrängnis. Gleich mehrfach verwickelte er sich bei der Frage in Widersprüche, wann genau er von welchen Details des Skandals erfahren haben will. Bei seiner denkwürdigen Pressekonferenz zur Affäre hatte der DFB-Chef auf keine einzige Nachfrage eine schlüssige Antwort. Ungewollt bestätigte Niersbach damit jene Zweifel, die ihn seit seiner Wahl zum Präsidenten begleiteten.

Interimspräsident Rainer Koch sagte nach dem Rücktritt Niersbachs, die externen Untersuchungen beim DFB haben weitere Anhaltspunkte für mögliche Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe der WM 2006 in Deutschland ergeben. Die vom DFB beauftragte Anwaltskanzlei Freshfields habe eine Reihe von Punkten zutage gefördert, die zum Teil weiterer Aufklärung bedürften. "Die uns aber auch veranlassen zu sagen, wir müssen uns mit der Frage, unter welchen Umständen die WM 2006 vergeben worden ist, näher befassen", sagte Koch.

Bundestrainer Löw reagiert betroffen

Bundestrainer Joachim Löw erfuhr vom Rücktritt Niersbachs im Kreise der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in München. Er sei "überrascht und sehr traurig", sagte Löw in einer ersten Reaktion vor dem Teamhotel. "Unabhängig von allen juristischen Fakten, die es gibt, denke ich einfach, dass der Wolfgang ein fantastischer Mensch war und ein fantastischer Präsident für uns", erklärte der Bundestrainer. "Er hat den Fußball geliebt. Er hat für den Fußball alles getan. Er war für uns jederzeit ein hervorragender Ansprechpartner. Deswegen tut es mir persönlich sehr, sehr leid, dass er zurückgetreten ist", sagte Löw.

Als Redakteur der Sportnachrichtenagentur SID arbeitete Niersbach in den Fachgebieten Fußball und Eishockey 15 Jahre lang bei zahlreichen Welt- und Europameisterschaften sowie bei Olympischen Spielen. Zum DFB kam er 1987 zunächst als Pressechef der Europameisterschaft 1988, anschließend als Pressechef und Mediendirektor des Verbandes. Danach war er geschäftsführender Vize-Präsident und Mediendirektor im Organisationskomitee zur Fußball-WM 2006 in Deutschland.

Auf dem Bundestag des Deutschen Fußball-Bundes in Mainz am 26. Oktober 2007 wurde Niersbach als Nachfolger von Horst R. Schmidt DFB-Generalsekretär. Er erhielt für sein Wirken zum Wohle des Fußballs das Bundesverdienstkreuz. Im März 2012 wurde Niersbach auf dem Außerordentlichen Bundestag in Frankfurt/Main als Nachfolger von Theo Zwanziger zum DFB-Präsidenten gewählt. Im Oktober 2013 erfolgte die Wiederwahl auf dem 41. Ordentlichen DFB-Bundestag in Nürnberg.

Seit Mai 2013 ist Niersbach auch Mitglied im Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union (Uefa). Im Mai 2015 rückte Niersbach zudem in die Exekutive des Internationalen Fußball-Verbandes (Fifa) auf.

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Von Guido Schröter
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