1860-Vize Schneider im Gespräch:"Es stehen noch wichtige Gespräche aus"

5,3 Millionen Euro bis zur Rettung: 1860-Vizepräsident Dieter Schneider über die letzten Tage vor dem Stichtag und die finalen Treffen mit den Banken.

Gerald Kleffmann und Markus Schäflein

Dieter Schneider, 63, aus Röhrmoos bei Dachau ist seit 24. Oktober 2010 Vizepräsident von 1860 München. Der Unternehmer ist verheiratet und Vater von vier Kindern. Neben dem jungen Geschäftsführer Robert Schäfer ist er eine der zentralen Personen bei der Sanierung, die der finanziell angeschlagene Fußball-Zweitligist gerade über sich ergehen lassen muss.

Schneider 1860

"Wir haben uns vorgenommen, alles ein, zwei Tage früher einzureichen": 1860-Vizepräsident Dieter Schneider ist optimistisch, was die Rettung des Zweitligisten angeht.

(Foto: imago sportfotodienst)

SZ: Herr Schneider, am 13. Januar muss 1860 bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) einen Liquiditätsnachweis von 5,3 Millionen Euro erbringen. Wie blicken Sie dem Stichtag entgegen?

Schneider: Da meine Kollegen und der Geschäftsführer schon verhalten optimistisch klingen, kann ich nicht unbedingt Wasser in den Wein gießen. Der vorsichtige Optimismus kommt daher, weil wir intern wissen, wie wir die letzten acht, neun Wochen konsequent unsere Hausaufgaben gemacht haben.

SZ: Ist die Januar-Hürde die größte?

Schneider: Nein. Es ist aber eine wichtige, weil sie uns und unseren Partnern zeigt, dass wir etwas zustande bringen. Natürlich ist sie für die DFL-Auflage wichtig, wenn wir diese nicht erfüllen, sind wir tot. Aber sie ist auch sehr wichtig im psychologischen Bereich.

SZ: Wie ist das Verhältnis zur DFL? Es gab ja den Vorstoß, den Termin auf Ende Januar zu verlegen, um mehr Zeit zu haben. Offenbar hat die DFL das abgelehnt.

Schneider: Nein, das stimmt so eigentlich nicht. Zum einen ist uns klar, dass man ohne sehr guten Grund, der außerhalb unserer Verantwortung liegen müsste, den Termin nicht verschieben kann. Die DFL will vor dem Rückrundenstart Klarheit haben. Zum anderen entspricht dieser Zeitplan unserer Stufe im Sanierungskonzept. Wir wollen uns daran halten, nach Möglichkeit gar eher abgeben, damit wir nicht auf den letzten Drücker um zwölf Uhr mittags das letzte Fax rausschicken müssen. Wir haben uns vorgenommen, alles ein, zwei Tage früher einzureichen.

SZ: Geben Sie schon Entwarnung?

Schneider: Vollzug kann man melden, wenn es so weit ist. Wir stehen noch ein paar Tage davor. Da sollte man vorsichtig sein. Es stehen noch ein, zwei wichtige Gespräche aus, Zusammenführungsgespräche. Wir wollen alles, was wir bisher gemacht haben, mit den Partnern besprechen und es in das Gerippe so einbauen, dass man es zahlenmäßig erfassen kann.

SZ: Mit Partnern meinen Sie Banken?

Schneider: Die Zusammenarbeit mit Banken ist in hohem Maße davon abhängig, wie wir unsere Hausaufgaben gemacht haben. Es ging nicht nur um die absoluten Zahlen jetzt, sondern um das Vertrauen in unsere Sanierungsfähigkeit. Wenn wir im ersten Schritt schon zu viele Lücken hätten, die wir erklären oder entschuldigen müssten, wäre das Vertrauen nicht da, um die nächsten Schritte bis 2013 durchzuziehen.

SZ: 1860 hat in dieser Woche Termine mit den Banken. Worum geht es?

Schneider: Es wird für die mittelfristige Sanierung darauf hinauslaufen, dass wir frisches Geld brauchen. Wir brauchen eine Begleitung für gewisse Liquiditätslücken bis 2013 - entweder von Banken oder später dann Investoren.

SZ: Später Investoren - bis 13. Januar wird sich in dieser Hinsicht nichts tun?

Schneider: Nein, das entspricht nicht unserer Philosophie. Zu einem Zeitpunkt, wo öffentlich die Wertung sehr kritisch ist, halten wir es nicht für sinnvoll, Investorengespräche mit Ergebnis zu führen. Das ist in der Vergangenheit vielleicht das eine oder andere Mal zu häufig gemacht worden - dass man in einer Notsituation schnell versucht hat, einen Investor aufzutreiben. Und vielleicht fünf andere dabei verbrannt hat. Wir wollen erst einmal zeigen, dass wir den ersten Schritt auf solider, seriöser Basis mit unseren bestehenden Sponsoren und Banken machen können. Dann tut man sich unter Verweis darauf in der zweiten Stufe leichter mit Investoren, mit denen wir schon gewisse Vorgespräche geführt haben.

SZ: Das frische Geld, das Sie benötigen, kommt demnach nur von Banken?

Schneider: Und von Einsparungen.

SZ: Ist es ein Nachteil, schon bis Mitte Januar Transfers tätigen zu müssen?

Schneider: Nein, so weit geht es nicht. Da herrscht professionelles Verständnis zwischen uns und unseren Partnern. Sie werden uns nicht zwingen, nur um per Stichtag etwas nachzuweisen, Transfereinnahmen vorzulegen.

SZ: Sie könnten Transfereinnahmen nachreichen?

Schneider: Ja. Außerdem: Die Vorgespräche zu Transfers finden oft im Dezember statt. Insofern hat man da schon gewisse Verhandlungsstände.

"Der direkteste, normalste Weg"

SZ: Wann kommt die zweite Stufe, in der Geld von Investoren eine Rolle spielt? Zum Sommer, wenn zusätzlich weitere rund drei Millionen Euro an Liquidität vorgelegt werden müssen?

Schneider: Ja, wir müssen für die Saison 2011/12 nachweisen, dass wir sie liquiditätsmäßig durchstehen. Das betriebswirtschaftliche Ergebnis ist zweitrangig für die DFL. Es wird 2011/12 noch nicht positiv sein. Es wird aber wesentlich besser sein als das, was wir in der Vergangenheit erlebt haben.

SZ: Ist man sich im Verein nun einig, mit welchem Modell Investoren bei 1860 einsteigen könnten?

Schneider: Es wird eine Kombination sein - aus Sponsorengeldern und Investoren, seien es Darlehensgeber oder langfristig sinnvolle Anteilsübernahmen.

SZ: Anteilsverkäufe der KGaA sind doch wieder ein Thema?

Schneider: Ja, aber nicht kurzfristig. Ich werde eine Braut, die im Bettelkleid daherkommt, nicht versuchen zu verkaufen. Weil ich wenig dafür kriege.

SZ: Wie steht es um den Partner FC Bayern? Klar ist, dass die Arena-Miete - insgesamt über fünf Millionen Euro im Jahr - Sechzig extrem belastet.

Schneider: Zu Personalangelegenheiten, Verhandlungsständen und Zahlen werden keine Kommentare abgegeben.

SZ: Aufsichtsratschef Otto Steiner sagte, die Miete müsse deutlich runter.

Schneider: Das ist die Einschätzung des Herrn Steiner, die muss nicht so verkehrt sein.

SZ: 1860 hat mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen. Daneben gibt es Schulden. Wie soll dieser Berg abgebaut werden?

Schneider: Jemanden zu finden, der ein Darlehen gibt, wäre an sich der direkteste, normalste Weg. Nur: Alle Schulden muss man mal zurückzahlen. Der erste Schritt ist jetzt das operative Geschäft. Es muss dann aber rechtzeitig die Bilanz saniert werden. Die Bilanz vergisst nichts, sie weist gnadenlos die Schulden auf, die ich gemacht habe und die ich unter Umständen aus dem operativen Geschäft nicht oder kaum in überschaubarer Zeit zurückzahlen kann. Es müssen dann andere Modelle greifen, die die Schulden reduzieren. An dem Thema Anteilsverkauf komme ich wahrscheinlich irgendwann gar nicht vorbei.

SZ: Die Schulden belaufen sich dem Vernehmen nach auf acht Millionen Euro, gibt es eine Chance, dass sich bis 2013/14 an dieser Summe etwas ändert?

Schneider: Ab dem Zeitpunkt, wo wir operativ ein positives Ergebnis fahren, können wir theoretisch anfangen, die Schulden zu tilgen. Man wird das sicher tun, einfach um nachzuweisen, dass man bereit ist, das zu tun. Aber den ganz großen Schub wird man da nicht machen.

SZ: Ein Kredit über eine Million Euro wurde von einer Estin an 1860 vergeben. Was steckt hinter dieser Schuld?

Schneider: Zu Personalangelegenheiten, Verhandlungsständen und Zahlen wird kein Kommentar abgegeben.

SZ: Besteht eine Gefahr, dass so ein Privatkredit wegbricht?

Schneider: Das war Teil unserer ganzen Gespräche, dass wir nicht bei der einen Bank Geld aufnehmen, um einen anderen Darlehensgeber zu befriedigen.

SZ: Für Investoren könnten diese Schulden abschreckend sein. Keiner will sein Geld einem Klub überlassen, der damit als erstes Schulden abträgt.

Schneider: Das ist der entscheidende Punkt, natürlich. Ein Loch auf, das andere zu, das bringt nichts. Das würden wir auch nicht machen.

"Herr Schwarzer ist ein solider Kaufmann"

TSV 1860 München - Arminia Bielefeld

Über Augsburg nach Dortmund: Moritz Leitner (links) gegen Arminia Bielefeld.

(Foto: dpa)

SZ: Der Immobilienhändler und Spielerberater Nicolai Schwarzer hat 1860 Darlehen gewährt sowie in die Tochterfirma LSV eingezahlt. Nun steht er wie Anfang 2009 wieder mit viel Geld bereit.

Schneider: Das sagen Sie. Herr Schwarzer ist ein solider Kaufmann, der sehr wohl weiß, wann er was zurückfordern kann und wann es vernünftiger ist, im Rahmen eines Konzeptes mitzumachen. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

SZ: Aber Schwarzer weiß auch, wann man gut weiter einsteigen könnte. Das hätte er jetzt gerne getan.

Schneider: Wenn er Ihnen das gesagt hat? Zu mir hat er es nicht gesagt.

SZ: FCB-Präsident Uli Hoeneß meinte kürzlich, 1860 helfe nur der Aufstieg.

Schneider: Uli Hoeneß sieht das als sehr kompetenter, sehr erfolgsgewohnter Manager. Vor dem ich im Übrigen jede Menge Respekt habe. Was die da drüben die letzten 40 Jahre sukzessive aufgebaut haben, ist absolut in Ordnung. Unser Konzept muss es sein, aus kaufmännischen Gesichtspunkten in der zweiten Liga mit 22.000 Zuschauern zu überleben.

SZ: Sie müssen dazu massiv am Kader sparen, worunter vermutlich die sportliche Qualität leiden würde.

Schneider: Nicht unbedingt. Wir hatten in den vergangenen Jahren einen sehr teuren Kader, und das Ergebnis hat man ja gesehen.

SZ: Warum tut sich 1860 so schwer zuzugeben, wie es um den Klub steht? Warum werden keine Zahlen genannt?

Schneider: Weil wir damit sofort, um nicht als Amateure dazustehen, unser gesamtes Sanierungskonzept offenlegen müssten. Dann wären wir an dem Punkt, dass wir das Konzept und die Gedanken dahinter in die Öffentlichkeit tragen. Damit wäre alles verbrannt. Jeder Verhandlungspartner hat ein Recht auf Entscheidungsfreiheit ohne Öffentlichkeit.

SZ: Was muss 1860 lernen, damit sich der Fast-Kollaps nicht wiederholt?

Schneider: Wie ein vernünftiger Unternehmer darauf zu achten, dass man ein mindestens ausgeglichenes Jahresergebnis hat. Im Moment denken wir alle nur in Liquidität: Geld her, Geld her, Geld her. Einnahmen und Ausgaben müssen passen. Wenn es nicht funktioniert, muss man an den nötigen Stellschrauben drehen. Und zwar nicht durch Wunschdenken, sondern durch echte Maßnahmen.

SZ: Wer gewährleistet bei 1860 die Kontrolle für diese Arbeit? In den letzten Jahren schien diese nicht zu funktionieren, sonst wäre es nie so weit gekommen.

Schneider: Normalerweise haben wir die Kontrollgremien. Man muss nur sicherstellen, dass zu den richtigen Zeitpunkten auch alle Zahlen auf den Tisch gelegt und richtig interpretiert werden. Ich will da aber niemandem was unterstellen. Es muss von der Geschäftsführung der Wille, der freiwillige Wille da sein, die Kontrollgremien einzubauen.

SZ: Wird 1860 seine Fehler irgendwann aufarbeiten? Es geht ja auch um die Verantwortung für die Schieflage.

Schneider: Das kann ich alleine nicht entscheiden. Wenn, dann entscheidet das ein Gremium, der Aufsichtsrat, in dem ja das Präsidium vertreten ist, ob da was gemacht wird. Aber nur aus Rechthaberei etwas anzustrengen, ohne hinterher Aussicht zu haben, etwas dafür zu kriegen - ob's das wert ist, sei dahingestellt. Zum anderen muss ich in einem solchen dynamischen Umfeld auch nachweisen können, dass wirklich genau diese Versäumnisse getätigt wurden. Vielleicht wird man das irgendwann einmal machen.

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