1860:Und Opas werfen Becher

1 FC Saarbruecken TSV 1860 München Münchens Sascha Mölders jubelt nach seinem 0 1 beim Spiel in d

Tore können für Profis eine wunderbare Entschädigung dafür sein, in einer niedrigen Liga zu spielen: Sascha Mölders gelangen gegen Saarbrücken gleich zwei wichtige Tore für 1860 München.

(Foto: Michael Ruffler/imago)

Beim Relegations-Hinspiel des TSV entlädt sich der Frust der Saarbrücker Anhänger über die umstrittene Aufstiegs-Regelung.

Von Christoph Leischwitz und Markus Schäflein

Es brodelte auch nach dem Spiel noch, und deshalb dauerte es etwas länger, bis die Sechziger wieder zu Hause waren, trotz Flugzeug. "Einmal ein Gewitter, und in München mussten wir im Flugzeug bleiben, weil da auch Gewitter war", sagte Daniel Bierofka, der Trainer des TSV 1860 München, am Tag nach dem 3:2-Hinspielsieg um den Drittliga-Aufstieg beim 1. FC Saarbrücken. Worüber er aber nichts sagen wollte, das waren die Turbulenzen, die während und nach dem Erfolg von den Gastgebern ausgegangen waren. "Bitte nur zum Spiel", sagte er zum Beispiel auf die Frage nach der "fiesen Spuckattacke" (tz) gegen Nico Karger nach seinem Treffer zum 2:1 durch Saarbrückens Ersatzspieler Pierre Fassnacht, die Karger offenbar nicht bemerkt - oder vielleicht souverän ignoriert - hatte.

"Von Fair Play haben die Saarbrücker nicht viel gehalten", meinte 1860-Präsident Robert Reisinger, der sich auf der Tribüne vor allem deshalb belästigt fühlen musste, weil er in der Nähe von Rainer Koch saß. "Er hat sich zu uns hochgesetzt, weil er unten im Regen saß", berichtete Reisinger - sozusagen Pech für Reisinger. Der Vorsitzende des Bayerischen Fußball-Verbands und Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes, der seinem Bundesland eine eigene Regionalliga-Staffel sicherte, ist im Saarland offenkundig recht unbeliebt. Die Aufstiegs-Regelung samt Entscheidungsspielen wird ihm angelastet. Und dass Schiedsrichter Guido Winkmann in der 25. Minute Saarbrückens Torjäger Kevin Behrens vertretbar mit Rot vom Platz schickte, so dass dieser nun auch im Rückspiel am Sonntag (14 Uhr) fehlen wird, führten die Saarbrücker offenbar ebenso auf Koch zurück.

Zunächst blieb dem Tross mit Koch und den 1860-Verantwortlichen auf Intervention beim FCS-Geschäftsführer immerhin der Weg durch den Saarbrücker Ultrablock erspart, der normalerweise auf die Haupttribüne führt; doch auch auf den Sitzplätzen wurden die Offiziellen unter Beschuss genommen - erst verbal, dann wurde Koch von einem Bierbecher getroffen. "Dazu haben sie ,Fußball-Mafia DFB' skandiert", berichtete Reisinger, der sich wunderte: "Das waren keine Ultras, das waren Opas. Bei uns gibt es auch Leute auf der Haupttribüne, die emotional sind, aber die würden nie so entgleisen."

Durch Gespräche in der Pause, insbesondere zur roten Karte, wurde die Stimmung zwischen Koch und Reisinger und jenen Saarbrückern dann plötzlich fast freundschaftlich. Aber aus dem Ultrablock flogen auch nach dem Spiel noch Becher und Fahnenstangen in Richtung des Münchner Doppel-Torschützen Sascha Mölders und seiner Kinder, die auch auf der Tartanbahn waren und am Block vorbeilaufen mussten, um zur Mixed Zone zu kommen. Schwer vorstellbar, wie der 1. FC Saarbrücken im Hermann-Neuberger-Stadion in Völklingen Drittligaspiele austragen will, so lange sein Ludwigspark noch eine Baustelle ist.

Bierofka wollte zu all dem gar nichts sagen - und auch, was das Spiel anging, hörte sich der Trainer mehrmals so an, als ob in Saarbrücken gar nichts passiert sei. Besonders gefreut hatte er sich auch nicht: "Weil mir das nichts bringt. Es gibt aus meiner Sicht noch nicht so viel zu freuen." Man habe jetzt "eine ordentliche Ausgangsposition, nicht mehr und nicht weniger". Zusammengefasst hatte sich aus Bierofkas Sicht also quasi gar nichts ereignet im ersten Pflichtspiel außerhalb Bayerns nach genau 368 Tagen, es herrschte business as usual, auch wenn alle Beteiligten dabei ernster dreinblickten als sonst. Und Bierofka war anzumerken, dass er trotz des Auswärtssieges die Favoritenrolle nicht annehmen möchte. Halbwegs kritisch gegenüber dem Gegner äußerte er sich nur in Bezug auf Behrens. Beim Foul gegen Kodjovi Koussou an der Mittellinie sei dieser schon "etwas übermotiviert" gewesen.

Am Freitagmittag saß Bierofka dann an der Videoanalyse, die sich aufgrund der verspäteten Ankunft gegen ein Uhr morgens verzögert hatte. Die offenkundige Abwehrschwäche seiner Mannschaft, vor allem in der ersten Spielhälfte, wurde somit zum Thema. Da hatten zwar die Sechziger Chancen gehabt, die Saarbrücker aber auch in Unterzahl mehr und bessere. "Wenn du gegen sie zu passiv bist, dann werden sie dich irgendwann zerlegen", sagte Bierofka. Es gehe nun darum "zu schauen, wie wir die eine oder andere Situation besser verteidigen können".

Auch Mölders konnte oder wollte nicht darüber reden, was ihm außerhalb des Platzes noch alles widerfahren war. Der Verein verteilte ein schriftliches Statement des Stürmers, weil dieser "aufgrund der schnellen Abreise zum Flughafen" keine Möglichkeit gehabt hatte, etwas zu sagen. Er äußerte sich nur zu sportlichen Themen. "Am Sonntag wird es noch einmal schwer, wir haben in Saarbrücken gesehen, wie stark der Gegner ist, selbst in Unterzahl konnten sie zwei Treffer erzielen." Der ausgewechselte Aaron Berzel meinte noch, man dürfe im Rückspiel "überhaupt nicht an das Ergebnis" im Hinspiel denken. "Natürlich freuen wir uns, dass wir das Spiel gewonnen haben und vor allem, dass wir drei Tore geschossen haben. Aber in diesen Relegationsspielen ist alles möglich, deshalb werden wir uns jetzt nicht auf irgendetwas ausruhen. Wir werden auch zu Hause auf Sieg spielen."

Was ihm besonders gut gefallen habe an seiner Mannschaft: "Sie hatten keine Angst", so Bierofka. Das werde auch am Sonntag so sein. Er erwartet "noch einmal heiße 90 Minuten". Angesagt sind 26 Grad, keine Gewitter.

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