1860-Stürmer Fejsal Mulic:Hulk schießt jetzt Tore

TSV 1860 München - 1899 Hoffenheim

Bejubelt seinen Treffer ausgelassen: Fejsal Mulic

(Foto: dpa)

Früher war 1860-Stürmer Fejsal Mulic ein Zwerg, doch nun ist er mit 2,04 Metern der größte Spieler der 2. Liga. Gegen Nürnberg soll er erneut treffen - aber ausgerechnet beim Kopfball hat der Riese Probleme.

Von Markus Schäflein

Am Ende einer anstrengenden Trainingseinheit veranstaltet Trainer Torsten Fröhling beim Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München gerne das so genannte Ausschießen. In Zweierteams wird gespielt, einer flankt, einer schießt aufs Tor, alles ohne Gegenspieler, nur ein Torwart steht da. Das Paar, das als letztes noch nicht getroffen hat, muss dann das Material wegräumen. Als neulich mal wieder Ausschießen auf dem Programm stand, gab einer der kritischen Trainingszuschauer gleich seinen Kommentar ab: "Ich bin mal gespannt, welche arme Sau heute mit dem Mulic spielen muss."

In der Tat trifft Stürmer Fejsal Mulic, 20, in den Übungseinheiten nicht gerade regelmäßig das Tor, ehrlich gesagt: nicht einmal regelmäßig den Ball. Fröhling hat gar einmal über ihn gesagt: "Wenn du den im Training siehst, dürftest du ihn gar nicht aufstellen."

Zu Mulics Ehrenrettung muss man anfügen, dass bei jenem Ausschießen die meisten Spieler des TSV 1860 das Tor ewig nicht trafen, so dass Fröhling das Spielchen entnervt abbrach. Und man muss anfügen, dass der Serbe am vorvergangenen Wochenende das Tor traf, als es weit wichtiger war: im DFB-Pokal gegen Bundesligist Hoffenheim, zum 2:0 in der Nachspielzeit. "Das war brutal", sagt Mulic, der ja einen durchaus brutalen Eindruck macht auf die Gegenspieler mit seinen 2,04 Metern Körpergröße, "mein erstes Tor für die Profis, gegen einen Erstligisten, das war sehr emotional." Ein Torjubel in Hulk-Manier, mit Gebrüll, Trikotausziehen und anschließender gelber Karte, gab davon Zeugnis.

Vor seinem Treffer hatte der eingewechselte Mulic gegen Hoffenheim bereits eine große Chance zum 2:0 vergeben - per Kopf. Er brachte weder besonders viel Druck hinter den Ball noch ihn überhaupt Richtung Tor. "Ich war ja schon froh, dass er den Ball mit dem Kopf überhaupt getroffen hat und nicht daran vorbeigesprungen ist", sagt Fröhling. "Im Kopfballspiel muss er sich noch stark verbessern." Der Trainer muss da schmunzeln, denn mit so einer Geschichte kann man die Leute immer überraschen: ein 2,04-Meter-Mann mit kahlrasiertem Schädel, der kein Kopfball kann. "Die Gegner glauben das eh nicht, aber es ist so", sagt Fröhling. "Das hat er halt nicht oft trainiert in der Jugend, weil er sich immer auf seine Größe verlassen konnte."

Das ist allerdings nur ein Teil der Geschichte von Fejsal Mulic. In der Jugend beim serbischen Erstligaklub FK Novi Pazar war er lange der Winzigste in seiner Mannschaft. "Ich war immer ein kleiner Spieler, der auf den Außenbahnen gespielt hat", erzählt er, "und mit 17 Jahren war ich dann plötzlich zwei Meter groß." Der Grund war eine Schilddrüsenoperation; das Organ, das Mulics Wachstum aufgrund einer Unterfunktion hemmte, wurde entfernt. Plötzlich wuchs und wuchs Mulic, eineinhalb Jahre lang, und gleichermaßen wuchsen seine Perspektiven auf den Profifußball.

Denn seine Schnelligkeit, vor allem auf ganz kurzer Distanz, und seine in Relation zur Größe gute Beweglichkeit sind geblieben. Und zugleich ist er nun "ein junger Spieler, der seine absolute Stärke in der Physis hat und den Gegnern durch seine Präsenz weh tut, weil er knochig ist", wie es Fröhling formuliert. Mulic kann sowohl auf den Außenbahnen als auch im Sturmzentrum spielen. "Als Innenverteidiger habe ich auch schon gespielt", sagt er, "meine Lieblingsposition ist aber Mittelstürmer."

"Bist du wirklich erst 18?"

Um bei Sechzig genommen zu werden, als er mit 18 Jahren einen Klub in Deutschland suchte, benötigte er vor zwei Jahren zwei Anläufe. Nach dem ersten Probetraining wurde er weggeschickt, nach drei Monaten ohne Verein kam er wieder, mit dem früheren 1860-Sportchef Miroslav Stevic an seiner Seite, und der damalige Cheftrainer Alexander Schmidt machte sich dann für Mulic stark. Er bekam seinen Platz in der Regionalliga-U21 der Münchner Löwen, erst unter Markus von Ahlen, dann kam Fröhling. "Das war dann noch mal wie ein Probetraining", findet Mulic. "Ich fand ihn sofort gut", sagt hingegen der mittlerweile zu den Profis aufgerückte Übungsleiter, der vom ersten Anschein beeindruckt war: "Ich hab' zwei Mal nachgefragt: Bist du wirklich erst 18?"

Als Fröhling die Profis übernahm, zählte Mulic schon zum Zweitligakader, hatte aber das Pech, dass er monatelang nicht spielen konnte. Ein Nasenbeinbruch im Winter 2014 beeindruckte ihn nicht groß, er lief dennoch auf, mit einer Maske, die seine Knochigkeit trefflich unterstrich. Aber in der vergangenen Rückrunde kamen Rückenprobleme hinzu. "Ich hatte Schmerzen beim Laufen und Schießen und konnte nur Krafttraining machen", erzählt Mulic.

Nun ist er wieder zurück - und darf sich zumindest an diesem Montag (20.15 Uhr) in der Partie beim 1. FC Nürnberg Hoffnung auf seinen zehnten Zweitligaeinsatz machen. Stefan Mugosa, der neu aus Kaiserslautern verpflichtete Stürmer, ist noch nicht spielberechtigt. Fröhling spielt derzeit mit zwei Spitzen, wenn er da wechseln will, steht Mulic als Nummer drei bereit. "Es ist ja nicht so, dass er nicht mit dem Ball umgehen kann", sagt Fröhling. "Es geht darum, das mit Tempo zu machen. Wir sind bereit, ihm zu helfen, denn er ist unser Spieler und wir haben mit ihm verlängert. Wenn er hart arbeitet, kann das was richtig Gutes mit ihm werden." Wie es sich Fröhling wünscht, trainiert Mulic oft in Sonderschichten seinen Torabschluss, besonders oft natürlich Kopfbälle.

Meist bleibt der ungarische Flügelspieler Krisztian Simon noch ein bisschen länger für die Zusatzeinheiten mit Mulic. Was nicht bedeutet, dass er sich Mulic als Partner fürs Ausschießen wünscht. Jedenfalls noch nicht.

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