3:2-Sieg in Köln:Rational im Derby

Zweimal geht Gladbach auswärts in Führung, zweimal gleicht Köln aus. Doch die Borussia lässt sich nicht irritieren und gewinnt verdient.

Von Ulrich Hartmann, Köln

Das Mannschaftsfoto aus der Kabine, das der Torwart Yann Sommer eine halbe Stunde nach Spielschluss twitterte, zeigte 20 Fälle von kindlicher Freude. Die meisten Spieler von Borussia Mönchengladbach grinsten oder ballten die Fäuste, aber Josip Drmic und Ibrahima Traoré hatten besonderen Spaß. Sie standen im Vordergrund und posierten so cool, wie das junge Männer im Überschwang überhaupt hinbekommen können. Sie posierten mit verschränkten Armen und kühlem Blick. Traoré hatte im Rheinderby beim 1.FC Köln eine Minute nach seiner Einwechslung die zwischenzeitliche 2:1-Führung erzielt, und Drmic hatte kurz vor Schluss, sechs Minuten nach seiner Einwechslung, zwar nur den Pfosten getroffen, damit aber die Vorlage für den Kapitän Lars Stindl gegeben, der Gladbach zum dritten Mal und dann auch endgültig in Führung brachte. Am Ende siegten die Gäste mit 3:2 (1:1) und brachten sich zurück in den Kampf um die Europapokalplätze. "Das ist das Derby - das ist kein Spaß", witzelte Traoré nach dem Schlusspfiff, aber das Foto, das schließlich in der Kabine entstand, sah just danach aus: nach Spaß.

Zwei Mal war Köln zurückgekommen, doch am Ende waren sie auch aufgrund ihres insgesamt zu passiven Spiels nicht mehr in der Lage, sich noch einmal zu befreien. "Von den Spielideen, dem Passspiel, von der Qualität und den Eins-gegen-Eins-Situationen war uns Gladbach voraus", sagte der Trainer Peter Stöger anerkennend.

"Jetzt sind wir wieder mittendrin in Europa"

Ausgerechnet in seinem 130. Bundesliga-Spiel nacheinander als FC-Trainer, durch das er mit Hennes Weisweiler gleichzog, erhielten die Kölner einen Dämpfer im Bemühen darum, erstmals nach 25 Jahren wieder in den Europapokal einzuziehen. Neue Chancen rechnen sich hingegen die Gladbacher aus, die mit ihren nunmehr 39 Punkten nur noch einen Zähler hinter Köln stehen und den Blick endgültig nach oben richten können: "Wir haben uns nach unten endgültig abgesichert und nach oben den Druck erhöht", sagte der Trainer Dieter Hecking. "Jetzt sind wir wieder mittendrin in Europa", jubelte der überschwängliche Traoré.

1. FC Koeln v Borussia Moenchengladbach - Bundesliga

Matchwinner: Lars Stindl erzielte durch einen Drehschuss das entscheidende dritte Tor für seine Mannschaft.

(Foto: Alex Grimm/Getty Images)

Drei dänische Innenverteidiger hatten in der ersten Halbzeit im Mittelpunkt gestanden, weil sie an den ersten beiden Treffern beteiligt waren. Zunächst sprang Gladbachs aufgerückter Abwehrmann Jannik Vestergaard nach einer Ecke höher als Kölns Verteidiger Frederik Sörensen, um den Ball in der 13. Minute per Kopf zum 0:1 ins Tor zu wuchten. Bloß fünf Minuten später sah Vestergaard an der Seite von Andreas Christensen in der eigenen Abwehr aber schlecht aus, als die beiden Dänen Kölns Christian Clemens zwischen sich hindurch laufen und den 1:1-Ausgleich erzielen ließen. Genial an dieser Aktion war vor allem der 20 Meter lange flache Steilpass von Anthony Modeste.

Trotzdem: Gladbach dominierte nach seinem 1:0-Sieg gegen Berlin am Mittwoch nun gegen Köln einfach weiter. Zuschauen musste von der Bank die Neuentdeckung Laszlo Benes. Ihn hatte Hecking zur Stabilisierung des Mittelfelds durch Tobias Strobl ersetzt.

Auch Modestes 23. Saisontor rettet den FC nicht mehr

Auch Stöger ersetzte jemanden, aber erst zu Beginn der zweiten Halbzeit. Nun brachte er für mehr Durchschlagskraft den erstaunlich schnell genesenen Japaner Yuya Osako für Konstantin Rausch. Der Wechsel wirkte, aber längst nicht so durchschlagend wie bei den Gladbachern, als in der 54. Minute Traoré den erschöpften und am Knie lädierten Raffael ersetzte, der in dieser Woche obendrein Vater zweier Töchter geworden war. Mit seinem ersten Ballkontakt brachte Traoré nämlich eine Minute später den Ball hoch in den Fünfmeterraum - und obwohl es so aussah, als hätte Thorgan Hazard ihn ins Tor verlängert, ging der Treffer schließlich auf Traorés Konto. Kölns Torwart Timo Horn, der vor der Partie bekannt gab, dass er seinen Vertrag beim FC bis 2022 verlängert hat, sah unglücklich aus, obwohl ihn keine Schuld traf.

1. FC Köln - Borussia Mönchengladbach

Mal wieder eine starke Leistung: Kölns Stürmer Anthony Modeste legte einmal vor und traf dann selbst per Volley zum zwischenzeitlichen Ausgleich. Doch es reichte nicht.

(Foto: Marius Becker/dpa)

Allerdings war den Gästen auch diesmal keine allzu lange Freude vergönnt; bloß drei Minuten nach der erneuten Führung war es in der 58. Minute Modeste mit seinem 23. Saisontor, als er nach einem Freistoß von Milos Jojic per Volleyabnahme sehenswert zum 2:2 einschoss. "In diesem Moment hatte ich ernste Bedenken, ob wir das Spiel noch nach Hause bringen könnten", sagte Hecking später. Aber Geduld und Hartnäckigkeit sollten seinen Gladbachern doch noch den verdienten Sieg einbringen.

In der 80. Minute flankte Oscar Wendt den Ball vors Tor, Drmic schoss ihn an den Pfosten, und der Rebound landete beim Gladbacher Kapitän Stindl, der den Schlusspunkt des Spiels setzte. "Wir haben nach beiden Ausgleichstoren sehr reif und sehr souverän weitergespielt", lobte Stindl, "wir wollten das Derby rational herunterspielen und haben uns einen Sieg verdient, der wichtig ist für die Tabelle, für den Verein und für unsere Fans." Zu mehr kam Stindl nicht, denn dann wurde er plötzlich streng in die Kabine beordert. "Los, Kabinenfoto!", hieß es, und Stindl gehorchte sofort, damit Torwart Sommer bereits um 17.44 Uhr einen fotografischen Beweis für den blendenden Gemütszustand der Gladbacher Fußballer am Samstagnachmittag ins Netz stellen konnte.

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